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BFH Urteil vom 17.06.2004 - V R 31/02

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Wechsel vom Kleinunternehmer zur allgemeinen USt-Besteuerung als Änderung der Verhältnisse i.S. des § 15a UStG

Leitsatz (amtlich)

Der Wechsel von der Besteuerung als Kleinunternehmer nach § 19 UStG zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des UStG ist eine Änderung der Verhältnisse i.S. des § 15a UStG.

Normenkette

UStG 1993 § 15; UStG 1993 § 15a; UStG 1993 § 19; UStG 1993 § 24; EWGRL 388/77 Art. 20

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG (Entscheidung vom 28.05.2002; Aktenzeichen IV 170/00; EFG 2002, 1195)

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) vermietet Ferienwohnungen an Gäste zur kurzfristigen Nutzung. Bis einschließlich 1996 wurde keine Umsatzsteuer erhoben, weil die Umsätze des Klägers unterhalb der Grenze des § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) lagen. Da das Bruttomietentgelt im Jahr 1996 die Grenze der vorgenannten Norm überschritt, wurde die Umsatzsteuer ab 1997 nach den allgemeinen Vorschriften des UStG erhoben.

Der Kläger hatte in den Jahren 1995 und 1996 im Dachgeschoss seines Hauses jeweils eine Ferienwohnung ausgebaut. Auf das Jahr 1995 entfielen Vorsteuerbeträge in Höhe von 2 518,19 DM und auf das Jahr 1996 in Höhe von 1 890,67 DM, die der Kläger nicht geltend machen konnte (§ 19 Abs. 1 Satz 4 UStG).

In der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1997 (Streitjahr) erklärte der Kläger folgende Besteuerungsgrundlagen:

Umsätze zu 15 %

28 543,00 DM

darauf entfallende Steuer

4 281,45 DM

abziehbare Vorsteuerbeträge

a) aus Rechnungen

1 543,91 DM

b) aus Vorsteuerberichtigung

gemäß § 15a UStG

440,76 DM

1 984,67 DM

Umsatzsteuer gerundet

2 296,70 DM

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) ließ im Umsatzsteuerbescheid für 1997 vom 13. April 1999 die Vorsteuerberichtigung in Höhe von 440,76 DM nicht zu und setzte die Umsatzsteuer für das Streitjahr auf 2 737 DM fest.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab. Es führte zur Begründung aus, eine Änderung der Verhältnisse i.S. des § 15a Abs. 1 UStG könne beispielsweise vorliegen, wenn ein Wirtschaftsgut zunächst für vom Vorsteuerabzug ausgeschlossene steuerfreie Umsätze und später für steuerpflichtige Umsätze verwendet werde oder umgekehrt. Allein ein Wechsel der Besteuerung ―hier von der Besteuerung als Kleinunternehmer zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften― führe hingegen zu keiner Änderung der Verhältnisse i.S. des § 15a Abs. 1 UStG bezüglich der im Unternehmen weiter verwendeten Wirtschaftsgüter.

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1195 veröffentlicht.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er trägt im Wesentlichen vor: Durch den Wechsel von der Kleinunternehmerregelung zur Regelbesteuerung hätten sich die Verhältnisse geändert, die im Jahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgeblich gewesen seien, denn der ursprüngliche Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG sei nunmehr weggefallen. Für diese Auffassung spreche auch der Zweck des § 15a UStG, den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb von Wirtschaftsgütern in der Weise auszugleichen, dass er den Verwendungsverhältnissen im Besteuerungszeitraum entspreche.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuer unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids für das Streitjahr 1997 auf 2 296,70 DM herabzusetzen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

Entgegen der Auffassung des FG liegen im Streitfall die Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG vor. Der Wechsel von der Besteuerung des Klägers als Kleinunternehmer nach § 19 UStG zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des UStG ist eine Änderung der Verhältnisse im Sinne dieser Vorschrift.

1. Ändern sich bei einem Wirtschaftgut die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, innerhalb von fünf Jahren seit dem Beginn der Verwendung, so ist gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Bei Grundstücken tritt an die Stelle des Zeitraums von fünf Jahren ein solcher von zehn Jahren (§ 15a Abs. 1 Satz 2 UStG).

Bei der Berichtigung ist für jedes Kalenderjahr der Änderung in den Fällen des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG von einem Fünftel und in den Fällen des § 15a Abs. 1 Satz 2 UStG von einem Zehntel der auf das Wirtschaftsgut entfallenden Vorsteuerbeträge auszugehen (§ 15a Abs. 2 Satz 1 UStG).

a) Im Streitfall ist § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG seinem Wortlaut nach erfüllt.

Durch den Übergang von der Besteuerung des Klägers als Kleinunternehmer in den Jahren 1995 und 1996 zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des UStG im Jahr 1997 haben sich bei seinem für unternehmerische Zwecke verwendeten Grundstück (Ferienwohnungen) ―innerhalb des Berichtigungszeitraums von zehn Jahren (§ 15a Abs. 1 Satz 2 UStG)― i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG "die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren", geändert.

Denn in den Jahren der erstmaligen Verwendung der Ferienwohnungen (1995 und 1996) scheiterte der Vorsteuerabzug des Klägers allein an § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG. Dieser Ausschluss des Vorsteuerabzugs fiel durch den Übergang zur Regelbesteuerung im Streitjahr (1997) weg.

b) Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs im Streitfall ist auch nach Sinn und Zweck des § 15a UStG geboten.

aa) Die Vorschrift ist seinerzeit (als § 15 Abs. 7 UStG) in das UStG 1967 aufgenommen worden, "weil im System des sofortigen Vollabzugs auch bei Investitionsgütern bereits für das Jahr der Anschaffung oder Herstellung über den Vorsteuerabzug nicht zeitanteilig, sondern voll zu entscheiden ist, obwohl das Investitionsgut dem Unternehmen für einen längeren Zeitraum dient und der Verwendungszweck sich in den folgenden Jahren geändert haben kann" (so BTDrucks V/1581, S. 16 zu § 15 Abs. 7 UStG 1967).

Zweck des § 15a UStG ist es mithin, den Abzug (Nichtabzug) der Vorsteuerbeträge aus dem Bezug von Wirtschaftsgütern so auszugleichen, dass er den Verwendungsverhältnissen im Berichtigungszeitraum entspricht (so Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 11. November 1993 XI R 51/90, BFHE 174, 253, BStBl II 1994, 582, unter II. 4.; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ―BMF― vom 24. April 2003 IV B 7 -S 7300- 15/03, IV B 7 -S 7316- 1/03, Umsatzsteuer-Rundschau ―UR― 2003, 307, unter 2.).

Davon ausgehend hat der BFH bereits entschieden, dass der Vorsteuerabzug auch dann nach § 15a UStG 1967/1973 wegen Änderung der Verhältnisse zu berichtigen ist, wenn ein Kleinunternehmer, der gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967/1973 vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen war, das Wirtschaftsgut im Jahr der erstmaligen Verwendung zur Ausführung steuerfreier und nach Option für die Regelbesteuerung (§ 19 Abs. 4 UStG 1967/1973) zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze einsetzt (vgl. BFH in BFHE 174, 253, BStBl II 1994, 582).

bb) Der Zweck des § 15a UStG erfasst aber ―entsprechend seinem weit gefassten Wortlaut― nicht nur Änderungen der Verwendungsverhältnisse, sondern sämtliche Änderungen "der Verhältnisse, die … für den Vorsteuerabzug maßgebend waren".

Denn Grundgedanke der Vorschrift ist es, ―da Vorsteuerbeträge gemäß § 15 UStG in voller Höhe sofort abgezogen werden können (sog. Sofortabzug, vgl. BFH-Urteil vom 22. Februar 2001 V R 77/96, BFHE 194, 498, BStBl II 2003, 426; BFH-Beschluss vom 14. März 2002 V B 45/01, BFH/NV 2002, 959)― den Umfang des Vorsteuerabzugs weitgehend nach der Verwendung im Laufe der wirtschaftlichen Lebensdauer des Wirtschaftsguts zu bestimmen (vgl. zur gemeinschaftsrechtlichen Grundlage in Art. 20 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG ―Richtlinie 77/388/EWG―: Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ―EuGH― vom 8. Mai 2003 Rs. C-269/00, Seeling, Rdnr. 53 ff., BStBl II 2004, 378).

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Unternehmer durch die Regelung über den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden soll. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet daher völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 27. September 2001 Rs. C-16/00, Cibo Participations, Slg. 2001, I-6663, UR 2001, 500, Rdnr. 27, m.w.N.).

Dem widerspräche es, wenn der Kläger im Streitjahr (1997) zwar die Umsätze aus der Vermietung seiner Ferienwohnungen versteuern müsste, ihm die entsprechende Entlastung durch Abzug der auf dieses Jahr entfallenden Vorsteuerbeträge (ein Zehntel der insgesamt für den Ausbau der Ferienwohnungen angefallenen Vorsteuerbeträge) aber verwehrt würde.

c) Diese (weite) Auslegung des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG entspricht den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts in Art. 20 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 77/388/EWG.

Nach Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG wird der ursprüngliche Vorsteuerabzug nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten insbesondere berichtigt, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war, oder wenn sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugs berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben. Für Investitionsgüter wird nach Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG eine Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs vorgenommen, "unter Berücksichtigung der Änderungen des Anspruchs auf Vorsteuerabzug in den folgenden Jahren gegenüber dem Anspruch für das Jahr, in dem die Güter erworben oder hergestellt wurden".

Diese weit gefassten Bestimmungen sehen eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nicht nur bei Änderungen der Verwendungsverhältnisse vor, sondern erfassen auch den Fall, dass ―wie vorliegend― der Anspruch auf Vorsteuerabzug nach § 15 UStG ursprünglich (1995 und 1996) lediglich durch § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG ausgeschlossen war, nunmehr (1997) aber gegeben ist, weil diese Ausschluss-Vorschrift nicht mehr eingreift.

2. Der Anwendung des § 15a Abs. 1 UStG im Streitfall steht § 15a Abs. 7 Nr. 2 UStG nicht entgegen.

a) Nach dieser Vorschrift kann das BMF mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen, in welchen Fällen zur Vermeidung von Härten oder nicht gerechtfertigten Steuervorteilen eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 6 des § 15a UStG bei einem Wechsel der Besteuerungsform durchzuführen ist.

b) Zwar ermöglicht § 15a Abs. 7 Nr. 2 UStG im Falle eines Wechsels der Besteuerungsform ―nur― die Anordnung einer "entsprechenden Anwendung" der Absätze 1 bis 6 des § 15a UStG durch Rechtsverordnung. Hieraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber seinerzeit davon ausgegangen ist, dass bei einem Wechsel der Besteuerungsform die Tatbestandsmerkmale des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht erfüllt sind.

Dies wird durch die Gesetzesbegründung bestätigt. Danach enthält § 15a Abs. 7 Nr. 2 UStG "eine Ermächtigung, die es gestattet, eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs auch bei einem Wechsel der Besteuerungsform (z.B. bei einem Übergang von der Durchschnittsbesteuerung des § 24 zur Regelbesteuerung) vorzusehen, wenn dies zur Erzielung eines steuerlich gerechten Ergebnisses erforderlich erscheint (Artikel 20 Abs. 6 der 6. Richtlinie). Bisher bestand in diesen Fällen für eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs keine Rechtsgrundlage" (so BTDrucks 8/1779, S. 43 zu § 15a UStG 1980).

c) Dieses (einengende) Verständnis des historischen Gesetzgebers, wonach nur eine Verwendungsänderung als Änderung i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG anzusehen ist, kann aber ―wie dargelegt― unter Berücksichtigung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben heute nicht mehr aufrechterhalten werden.

Davon geht mittlerweile auch der Gesetzgeber aus. Er hat durch das Steueränderungsgesetz 2001 vom 7. November 2001 (BGBl I 2001, 3794, BStBl I 2002, 4) die Vorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 5 UStG gestrichen. Danach war bei einem Wechsel von der allgemeinen Besteuerung zur Nichterhebung der Steuer nach § 19 UStG eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG nur dann zugelassen, wenn sich die für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse bei einem Wirtschaftsgut geändert hatten, das von dem Unternehmer bereits vor dem Wechsel erstmals verwendet wurde. Im Rahmen der Begründung dieser Streichung heißt es: "Damit ist nunmehr klargestellt, dass § 15a UStG auch im Bereich der Kleinunternehmerregelung uneingeschränkt zur Anwendung kommt" (vgl. BTDrucks 14/7340, S. 23 zu Art. 14, zu Nr. 10 Buchst. b).

Schon deshalb kann aus dem Umstand, dass das BMF von seiner Befugnis in § 15a Abs. 7 Nr. 2 UStG zum Erlass einer Rechtsverordnung keinen Gebrauch gemacht hat, nicht gefolgert werden, dass eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG in Fällen der vorliegenden Art ausschiede (a.A. Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, § 15a Rz. 126).

d) Überdies ist § 15a Abs. 7 Nr. 2 UStG in Zusammenhang zu sehen mit Art. 20 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG, auf dem er ―wie dargelegt― beruht.

Die Bestimmung lautet: "Geht der Steuerpflichtige von der normalen Mehrwertsteuerregelung auf eine Sonderregelung über oder umgekehrt, so können die Mitgliedstaaten die erforderlichen Bestimmungen erlassen, um zu gewährleisten, dass dem Steuerpflichtigen weder ungerechtfertigte Vorteile noch ungerechtfertigte Nachteile entstehen."

Art. 20 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG räumt den Mitgliedstaaten zwar ein Ermessen ("können") zum Erlass entsprechender Bestimmungen ein. Bei einem Wechsel von der Nichtbesteuerung nach § 19 UStG zur Regelbesteuerung ist aber eine Vorsteuerberichtigung nach Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG ohne Abweichungsmöglichkeit des Mitgliedstaats notwendig, damit ―wie ausgeführt― dem Steuerpflichtigen kein ungerechtfertigter Nachteil entsteht (vgl. auch zur Einschränkung des Ermessens der Mitgliedstaaten ―in anderem Zusammenhang― EuGH-Urteil vom 1. April 2004 Rs. C-90/02, Bockemühl, BFH/NV 2004, Beilage 3, 220, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2004, 197 Rdnr. 38 ff., 49 ff.).

3. Diese Auslegung des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG und des Ermächtigungsrahmens des § 15a Abs. 7 Nr. 2 UStG steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats zu § 24 UStG.

Danach liegt eine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse auch dann vor, wenn im Fall der Besteuerung nach Durchschnittssätzen gemäß § 24 UStG der ursprüngliche Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG wegfällt, weil ein Wirtschaftsgut nicht mehr für nach Durchschnittssätzen besteuerte Umsätze, sondern nunmehr für Umsätze verwendet wird, die nicht der Besteuerung nach Durchschnittssätzen unterliegen (vgl. BFH-Urteile vom 16. Dezember 1993 V R 79/91, BFHE 173, 265, BStBl II 1994, 339, unter II. 2. b bb; vom 6. Dezember 2001 V R 6/01, BFHE 197, 338, BStBl II 2002, 555, unter II. 2.).

4. Der Senat beurteilt daher den Wechsel der Besteuerung (wie im Streitfall) als einen Anwendungsfall des § 15a UStG (ebenso im Ergebnis Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 19 Rz. 86 ff.; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, Umsatzsteuergesetz, § 19 Rz. 50; wohl auch Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 202 Rz. 4 ff.; a.A. die bisher überwiegend vertretene Meinung in der Literatur (vgl. Wagner, a.a.O., Rz. 115 ff.; Widmann in Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, § 15a Rz. 50, § 19 Rz. 30; Heidner in Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz, § 15a Rz. 18; Forgach in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 15a Rz. 83; Rondorf in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 15a Rz. 235; Westenberger in Offerhaus/Söhn/Lange, Umsatzsteuergesetz, § 19 Rz. 69).

5. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht nur dann eingreift, wenn ein Wechsel der Besteuerung ―wie im Streitfall― (gezwungenermaßen) wegen Überschreitens der Umsatzgrenze in § 19 UStG eintritt, sondern auch dann, wenn ein Kleinunternehmer während des Berichtigungszeitraums (freiwillig) gemäß § 19 Abs. 2 UStG zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften übergeht.

Fundstellen

  • Haufe-Index 1208299
  • BFH/NV 2004, 1487
  • StB 2004, 365
  • UStB 2004, 341
  • BStBl II 2004, 858
  • BFHE 2004, 549
  • BFHE 205, 549
  • BB 2004, 2506
  • BB 2004, 1950
  • DB 2004, 2080
  • DStR 2004, 1523
  • DStRE 2004, 1120
  • HFR 2004, 1130
  • UR 2004, 652
  • Inf 2004, 732
  • SteuerBriefe 2004, 1290
  • GStB 2004, 47
  • NWB 2004, 2779
  • UVR 2004, 340
  • BBK 2005, 296
  • StuB 2004, 795
  • ZAP 2004, 1213
  • ZfIR 2004, 1036
  • KÖSDI 2004, 14326
  • GuT 2005, 36
  • RdW 2005, 173
  • StBW 2004, 8
  • SJ 2004, 10
  • stak 2004, 0

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