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BFH Urteil vom 08.03.1984 - I R 67/80

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Leitsatz (amtlich)

Ein Hausgewerbetreibender verliert diese Eigenschaft nicht, wenn er gelegentlich aus besonderem Anlaß mehr als zwei fremde Hilfskräfte beschäftigt, auf Dauer aber das Gewerbe mit nur zwei fremden Hilfskräften betrieben werden kann.

 

Normenkette

GewStG 1968 § 11 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt in eigener Arbeitsstätte eine mechanische Lohnstrikkerei.

Bei einer Außenprüfung stellte der Prüfer fest, daß der Kläger mehr als zwei Hilfskräfte beschäftigt hatte und daher nicht mehr als Hausgewerbetreibender angesehen werden könne.

Im einzelnen waren die einzelnen Hilfskräfte zu folgenden Zeiten beschäftigt:

Arbeitnehmer 1971 Stunden 1972 Stunden

A 1. 1.- 3. 4. 486 - -

B 1. 1.-31. 12. 2 237 1. 1.-27. 10. 1 759,5

C 1. 3.-31. 12. 1 690,5 1. 1.-31. 12. 1 721

D 16. 8.-31. 12. 892,5 1. 1.-31. 12. 2 285,5

gesamt: 5 306 5 766

./.

Arbeitsunfähigkeit

des Arbeitnehmers C 27. 9.-14. 11. 280

Arbeitsunfähigkeit

des Arbeitnehmers B 10. 4- 1. 5. 110

Beschäftigung des

Arbeitnehmers B

bei der Fa. Z 29. 5.-27. 10. 841 3/4

Gesamtstundenzahl 5 026 4 814

Stunden Stunden

Leistung im Verhältnis

zu einer vollen

Hilfskraft mit 2 237

bzw. 2 285 Arbeitsstunden 2,25 2,11

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte der Auffassung des Prüfers und versagte in den Gewerbesteuermeßbescheiden 1971 und 1972 vom 20. Mai 1975 die Anwendung der in § 11 Abs. 3 des Gewerbesteuergesetzes 1968 (GewStG) vorgesehenen ermäßigten Steuermeßzahlen.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 11 Abs. 3 GewStG i. V. m. § 2 Abs. 2 des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 - HAG - (BGBl I 1951, 191).

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 GewStG ermäßigen sich bei Hausgewerbetreibenden und ihnen nach § 1 Abs. 2 Buchst. b und d HAG gleichgestellten Personen die Steuermeßzahlen des Abs. 2 Nr. 1 auf die Hälfte. Mit dieser Regelung knüpft das GewStG unmittelbar an das HAG an. Ob jemand als Hausgewerbetreibender anzusehen ist, ist daher allein nach den Vorschriften des HAG zu beurteilen.

Hausgewerbetreibender im Sinne des HAG ist, wer in eigener Arbeitsstätte (eigener Wohnung oder Betriebsstätte) mit nicht mehr als zwei fremden Hilfskräften im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern Waren herstellt, bearbeitet oder verpackt, wobei er selbst wesentlich am Stück mitarbeitet, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden überläßt (§ 2 Abs. 2 Satz 1 HAG).

Der Kläger hat in den Streitjahren mit nicht mehr als zwei fremden Hilfskräften - nur dieses Tatbestandsmerkmal ist streitig - Waren hergestellt.

a) Dieses Merkmal wurde erstmals in das Gesetz über die Heimarbeit vom 23. März 1934 (RGBl I 1934, 214) aufgenommen: Der Hausgewerbetreibende, der noch zwei fremde Hilfskräfte (Betriebsarbeiter) beschäftige, stehe als Hausgewerbetreibender kleinsten Ausmaßes dem allein oder nur mit Familienangehörigen arbeitenden Hausgewerbetreibenden ohne weiteres gleich (vgl. Begründung zum Gesetz über die Heimarbeit vom 23. März 1934, Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 72 vom 26. März 1934, S. 2).

Aus dem vom Gesetzgeber bezweckten Schutz auch dieser Hausgewerbetreibenden folgt, daß nicht allein auf die Zahl der in einem bestimmten Zeitraum beschäftigten Hilfskräfte abgestellt werden kann. In Zweifelsfällen ist vielmehr maßgeblich, wie viele fremde Hilfskräfte bei normaler Beschäftigungslage zur Erledigung der Aufträge erforderlich sind; denn ein Hausgewerbebetrieb verliert nicht dadurch seine Eigenschaft als Kleinstbetrieb, daß einzelne Hilfskräfte ausscheiden und neu eintreten, zu keinem Zeitpunkt aber mehr als zwei Hilfskräfte gleichzeitig beschäftigt sind. Das gleiche gilt, wenn ein Hausgewerbetreibender gelegentlich aus besonderem Anlaß mehr als zwei fremde Hilfskräfte beschäftigt, auf Dauer aber das Gewerbe mit nur zwei fremden Hilfskräften betrieben werden kann (vgl. Maus/Schmidt, Heimarbeitsgesetz, 3. Aufl., 1976, § 1 Rdnr. 19).

b) Die Feststellungen des FG rechtfertigen den Schluß, daß der gleichzeitige Einsatz von drei fremden Hilfskräften nur vorübergehender Natur war.

aa) Nach den Feststellungen des FG konnten sämtliche Rundstrickmaschinen jeweils von einem Arbeiter allein bedient werden. Bei dem in der Textilbranche üblichen Zwei-Schichtbetrieb wurden demnach nur zwei Arbeiter benötigt. Selbst als in den Streitjahren wegen einer Auftragsspitze im Drei-Schichtbetrieb gearbeitet werden mußte, konnte diese Mehrarbeit zunächst ohne den Einsatz einer dritten fremden Hilfskraft bewältigt werden, weil der Kläger selbst eine Schicht übernahm.

bb) Vom 27. Oktober 1972 bis 1978 wurden höchstens noch zwei fremde Hilfsarbeitskräfte beschäftigt.

cc) Die Beschäftigung von drei Arbeitnehmern im März 1971 war - vorübergehend - durch das Ausscheiden des Arbeitnehmers A zum 3. April und die Einstellung des Arbeitnehmers C zum 1. März veranlaßt.

In der Zeit vom 16. August 1971 bis zum 28. Mai 1972 beschäftigte der Kläger ebenfalls drei Arbeitnehmer gleichzeitig. Die Zeiten, in denen die Arbeitnehmer B und C während dieses Zeitraums arbeitsunfähig waren (ca. drei bzw. sechs Wochen), sind nicht auszuscheiden. Die Erkrankung von Arbeitnehmern ist nicht außergewöhnlich; jeder Arbeitgeber hat damit zu rechnen und bei der Anzahl der einzustellenden Arbeitnehmer zu berücksichtigen (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 19. November 1970 1 U 83/70, Deutsches Steuerrecht 1971, 577).

Dagegen arbeitete der Kläger in der Zeit vom 29. Mai bis zum 27. Oktober 1972 mit nur zwei fremden Hilfskräften, da der Arbeitnehmer B an die Firma Z ausgeliehen war und nicht mehr in dem Betrieb des Klägers tätig wurde.

Bei der Beurteilung des Einsatzes von drei Hilfskräften in dem Zeitraum vom 16. August 1971 bis zum 28. Mai 1972 ist zu berücksichtigen, daß der Kläger Einarbeitungszuschüsse in Höhe von 50 % des tariflichen Entgelts nach dem Arbeitsförderungsgesetz für die Beschäftigung ungelernter Arbeiter erhielt, und zwar - das folgt mittelbar aus den Feststellungen des FG - für den Arbeitnehmer C noch bis zum 31. August 1971 und für den Arbeitnehmer D bis zum 15. Februar 1972. Mit dem FG kann davon ausgegangen werden, daß die betreffenden Arbeitnehmer während dieser Zeit keine volle Arbeitsleistung erbrachten.

dd) Faßt man die unter aa) bis cc) dargelegten Umstände zusammen, so folgt daraus, daß das Unternehmen des Klägers im Normalfall mit zwei fremden Hilfskräften betrieben werden konnte. Dafür spricht insbesondere, daß der Kläger nur fünf Rundstrickmaschinen eingesetzt hatte, die bei dem in der Textilbranche üblichen Zwei-Schichtbetrieb von insgesamt zwei Arbeitern bedient werden konnten. Unterstrichen wird diese Feststellung dadurch, daß der Kläger in der Zeit vom 29. Mai 1972 bis 1978 tatsächlich nicht mehr als zwei fremde Hilfskräfte einsetzte. Nur infolge eines Auftragsbooms, also aus einem besonderen Anlaß, war er zeitweilig (vom 16. August 1971 bis zum 28. Mai 1972) gezwungen, drei Arbeitnehmer, von denen sich einer noch bis zum 15. Februar 1972 einarbeitete, gleichzeitig einzusetzen. Dieser Zustand war jedoch nicht von Dauer und daher nicht geeignet, dem Kläger die Eigenschaft eines Hausgewerbetreibenden im Sinne des HAG zu nehmen.

ee) Auf die vom FA wegen Verstoßes gegen die Denkgesetze gerügte Feststellung des FG, daß die Einstellung des Arbeitnehmers D durch die Unzuverlässigkeit des Arbeitnehmers C veranlaßt war, kommt es nicht an; denn der nur gelegentliche Einsatz von mehr als zwei fremden Hilfskräften ergibt sich bereits aus den unter aa) bis cc) dargelegten Umständen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 75015

BStBl II 1984, 534

BFHE 1985, 58

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