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BFH Urteil vom 04.03.1983 - VI R 189/79

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Leitsatz (amtlich)

Hat der Steuerpflichtige für Aufwendungen, die er als außergewöhnliche Belastung geltend macht, einen Gegenwert erhalten, so schließt dies eine steuerliche Berücksichtigung nach § 33 EStG nur dann aus, wenn der Gegenwert in einem Gegenstand besteht, der nicht nur für den Steuerpflichtigen oder eine von ihm unterstützte Person, sondern auch für einen Dritten von Vorteil wäre, also eine gewisse Marktgängigkeit besitzt.

 

Normenkette

EStG § 33

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Streitig ist die steuerliche Anerkennung des Einbaues einer Nachtstromspeicherheizung und einer Brausetasse mit Sitz für die querschnittgelähmte Ehefrau des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) als außergewöhnliche Belastung.

Die Ehefrau des Klägers war ungefähr seit dem Jahre 1963 querschnittgelähmt. Sie konnte sich ohne fremde Hilfe und ohne Krankenstuhl nicht bewegen. Zur Vermeidung von Krämpfen war eine gleichbleibende Wohnungstemperatur erforderlich.

Im Jahre 1963 mieteten der Kläger und seine Ehefrau eine Wohnung an, in die sie -- um die erforderliche gleichbleibende Wohnungstemperatur zu erreichen -- auf eigene Kosten eine auch im Jahre 1972 noch zeitgemäße Koksetagenzentralheizung eingebaut hatten. Die Heizungsanlage mußte täglich zwei- bis dreimal immer zur selben Tageszeit bedient werden. Dies geschah zunächst mehrere Jahre durch die Mutter der zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau des Klägers, da dieser selbst infolge seiner beruflichen Tätigkeit von 8.00 Uhr bis 19.00 Uhr von der Wohnung abwesend war. Im Streitjahr 1972 wurde die Mutter der Ehefrau des Klägers selbst hilfs- und pflegebedürftig, so daß sie die Koksetagenheizung nicht mehr versorgen konnte. Der Kläger baute damals anstelle der vorhandenen Heizungsanlage eine Nachtstromspeicherheizung ein, die seine Ehefrau selbst bedienen konnte. Im Hinblick auf deren Krankheit wurde im Streitjahr 1972 auch im Badezimmer der angemieteten Wohnung ein Umbau vorgenommen, da der Kläger infolge einer Nierenoperation nicht mehr schwer heben durfte. Anstelle der vorhandenen Badewanne ließen er und seine Ehefrau demzufolge eine Brausetasse mit Sitz einbauen. Dadurch sollte es der Ehefrau des Klägers ermöglicht werden, die Brauseeinrichtung allein vom Rollstuhl aus zu erreichen.

Der Kläger und seine Ehefrau beantragten in ihrer Einkommensteuererklärung 1972, den Betrag von insgesamt 4 421,27 DM für den Einbau der Nachtstromspeicherheizung und der Brausetasse mit Sitz oder Stuhl als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) lehnte dies ab.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte aus, die genannten Aufwendungen seien nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als zwangsläufige außergewöhnliche Belastung steuerrechtlich abziehbar; denn sie seien aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses entstanden. Da die Art der Erkrankung der zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau des Klägers eine gleichbleibende Wohnungstemperatur erfordert habe, ihr darüber hinaus weder selbst die Versorgung der Etagenkokszentralheizung möglich gewesen sei noch hierfür andere Personen in der Woche tagsüber im Streitjahr zur Verfügung gestanden hätten, seien diese Kosten unmittelbar durch die Querschnittslähmung verursacht worden. Entsprechendes gelte für den Einbau der Brausetasse mit Sitz anstelle der vorhandenen Badewanne, da anderenfalls die erforderlichen Einrichtungen für die Reinlichkeit und die Hygiene der Ehefrau nicht vorhanden gewesen wären. Zwar könnten der Kläger und seine Ehefrau durch den Einbau dieser Gegenstände einen Gegenwert erlangt haben. Da der Einbau der Gegenstände jedoch durch die Querschnittslähmung der zu 100% körperbehinderten Ehefrau bedingt gewesen sei, handele es sich hierbei um der Art und dem Umfang nach angemessene Krankheitskosten, bei denen im Hinblick auf die Schwere der Erkrankung die Erlangung eines Gegenwerts unerheblich sei.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 33 und des § 12 EStG durch die Vorinstanz und macht geltend, die Annahme einer außergewöhnlichen Belastung scheide grundsätzlich dann aus, wenn der Steuerpflichtige -- wie hier der Kläger -- für seine Aufwendungen einen wie auch immer gearteten Gegenwert erhalten habe (sog. Gegenwertlehre). Unter Anwendung dieser Kriterien habe das FG die Aufwendungen für den Einbau der Nachtstromspeicherheizung und der Brausetasse nicht als außergewöhnliche Belastung anerkennen dürfen. Denn der Kläger habe in Gestalt der erworbenen Einrichtungen einen Gegenwert erlangt. Im übrigen seien die Aufwendungen durch den Ansatz des Körperbehinderten-Pauschbetrages von 4 800 DM abgegolten. Es handele sich um Aufwendungen, die allenfalls infolge der Körperbehinderung als typische Mehraufwendungen erwachsen seien, denn sie hätten die Erleichterung der laufenden Lebensführung sowohl für den Kläger als auch für seine verstorbene Ehefrau zur Folge gehabt. Sie seien jedoch keine außerordentlichen Krankheitskosten gewesen, die durch einen akuten Anlaß, wie z. B. durch eine Operation, verursacht worden seien.

Das FA beantragt daher sinngemäß, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er trägt vor, das FA verkenne die Tatsache, daß die "Gegenwertlehre" nicht durch den Wortlaut und den Sinn des Gesetzes (§ 33 EStG) gedeckt sei. Aber auch bei Zugrundelegung der Gegenwertlehre müßten unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich bei Ausgleich von Vermögensverlusten, die Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Die Kokszentralheizung sei von ihm, dem Kläger, auf seine Kosten eingebaut worden. Als diese noch voll funktionsfähig gegen eine Nachtstromheizung habe ausgetauscht werden müssen, sei ein Vermögensverlust eingetreten, der durch die Aufwendungen für die Neuanschaffung ausgeglichen worden sei. Im übrigen hätten die durch die schwere Erkrankung notwendigen Aufwendungen zu keinem Gegenwert führen können, weil eine Steigerung der Wohnqualität dadurch nicht habe erzielt werden können. Bad und Heizung gehörten in jede Wohnung und würden von Nachfolgemietern als Selbstverständlichkeit hingenommen. Das gelte erst recht dann, wenn diese aus persönlichen Gründen des Vermieters eine spezielle Ausführung erhalten hätten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.

Die geltend gemachten Aufwendungen sind nicht als außergewöhnliche Belastungen i. S. des § 33 EStG steuerrechtlich abziehbar. Eine außergewöhnliche Belastung liegt vor, wenn einem Steuerpflichtigen größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes zwangsläufig und außergewöhnlich erwachsen, die einen gewissen Umfang überschreiten (zumutbare Eigenbelastung, § 33 Abs. 1 Satz 1 EStG). Diese Voraussetzungen liegen hier in bezug auf die Aufwendungen für die Anschaffung und Einrichtung der Nachtstromspeicherheizung und der Brausetasse mit Stuhl oder Sitz nicht vor.

I. Was den Erwerb der Nachtstromspeicherheizung anbetrifft, so ist auf die ständige Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 15. Februar 1974 VI R 67/70, BFHE 111, 491, BStBl II 1974, 335; vom 23. Februar 1968 VI R 97/67, BFHE 92, 199, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -- BFH --) zu verweisen, wonach Aufwendungen grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigt werden dürfen, wenn der Steuerpflichtige für seine Aufwendungen einen wie auch immer gearteten Gegenwert erhält. Diese vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar erklärte Rechtsprechung (vgl. Beschluß vom 13. Dezember 1966 1 BvR 512/65, BVerfGE 21, 1, BStBl III 1967, 106) beruht darauf, daß von einer Belastung -- wie sie die genannte Vorschrift fordert -- dann nicht gesprochen werden kann, wenn Teile des Einkommens für die Anschaffung von Gegenständen verwendet werden, die von bleibendem oder mindestens längerdauerndem Wert und Nutzen sind (vgl. dazu Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 1982, Anm. 4 d zu § 33). Demgemäß hat der BFH z. B. die Aufwendungen eines Mieters für den Einbau eines Schalldämmfensters in seine gemietete Wohnung zur Abschirmung des Straßenlärms (vgl. Urteil vom 23. Januar 1976 VI R 62/74, BFHE 118, 24, BStBl II 1976, 194) oder die Kosten für die Anschaffung einer Geschirrspülmaschine (Urteil vom 21. August 1974 VI R 237/71, BFHE 113, 301, BStBl II 1974, 745) oder die Aufwendungen für den Umbau oder die Neuanschaffung von Gasgeräten mit Rücksicht auf die Umstellung der Gasversorgung auf Erdgas (Urteil vom 15. Februar 1974 VI R 67/70, BFHE 111, 491, BStBl II 1974, 335) beurteilt. In all diesen Fällen hat der BFH wegen des mit dem Erwerb verbundenen Gegenwerts die Anwendung des § 33 EStG versagt.

Die Rechtsprechung des BFH hat die Gegenwerttheorie jedoch maßvoll zur Anwendung gebracht, da sie sonst letztlich zu einer Ausschließung derartiger Aufwendungen von der steuerrechtlichen Berücksichtigung überhaupt führen würde (vgl. ferner die Kritik bei Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 19. Aufl., § 33 EStG Anm. 16-30, Baukostenzuschuß, Abs. 2). Schließlich erhält auch derjenige einen Gegenwert -- so etwa in Gestalt einer ärztlichen Leistung --, der sich zur Behebung einer Krankheit oder eines Körperschadens einer Operation unterzieht oder der sich aus diesen Gründen Medikamente und sonstige Hilfsmittel (z. B. Prothesen) verschafft. Derartige Aufwendungen hat der BFH ungeachtet des Erhalts eines Gegenwerts als -- typischerweise -- unter den Begriff der außergewöhnlichen Belastung fallend angesehen (vgl. dazu z. B. Urteil vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711).

Zusammenfassend lassen sich die Ergebnisse der bisherigen Rechtsprechung dahin präzisieren, daß die Gegenwertlehre grundsätzlich nur dann von Bedeutung ist, wenn der betreffende Gegenstand oder die bestellte Leistung nach dem Erhalt durch den Steuerpflichtigen nicht nur für diesen, sondern auch für andere Personen von Wert sein kann und damit eine gewisse Marktfähigkeit besitzt, die in einem bestimmten Verkehrswert zum Ausdruck kommt. Danach hat etwa die für die besonderen Bedürfnisse eines Schwerbeschädigten gefertigte Prothese in der Regel nur für diesen einen Wert. Demgegenüber wäre z. B. das vorerwähnte Schalldämmfenster auch für einen Nachmieter des Steuerpflichtigen noch von Wert und würde in aller Regel -- je nach Nutzungsdauer -- mit seinem Marktwert abgelöst werden.

Bezüglich des Einbaus der Nachtstromspeicherheizung anstelle der vorher vorhandenen Koksetagenheizung in seine gemietete Wohnung hat der Kläger in seiner Revisionserwiderung mit Recht zum Ausdruck gebracht, daß u. a. eine Heizung in jede Wohnung gehört. Auch hier ist aber damit zu rechnen, daß bei Auszug des Klägers aus der Wohnung ein etwaiger Nachmieter nicht die Wiederherstellung der entnommenen Koksetagenheizung verlangen wird, sondern die Nachtstromspeicherheizung -- weil sie leichter zu bedienen und somit für die Wohnung wertvoller ist -- gegen Zahlung ihres alsdann gegebenen Verkehrswerts erwerben wird. Da der Kläger daher in Gestalt der Nachtstromspeicherheizung einen marktfähigen Gegenstand mit einem sich nach der eigenen Nutzungsdauer richtenden Verkehrswert erworben hat, stellen die Aufwendungen hierfür keine außergewöhnlichen Belastungen für ihn dar und dürfen nicht nach der Vorschrift des § 33 EStG steuerrechtlich berücksichtigt werden.

II. Hinsichtlich des Einbaus der Brausetasse mit Sitz ist von Folgendem auszugehen:

Dem angefochtenen Urteil des FG läßt sich nicht entnehmen, ob es sich dabei um einen -- etwa einem Krankenstuhl vergleichbaren -- für die Bedürfnisse der querschnittgelähmten Ehefrau des Klägers besonders hergerichteten Gegenstand ohne jeden Marktwert für andere Personen oder aber um eine Sache beliebiger Marktgängigkeit gehandelt hat. Indessen kann diese Frage auf sich beruhen. Denn für die Entscheidung des Senats kommt es -- in diesem besonderen Fall -- hierauf nicht an. Ist die Brausetasse mit Sitz den zuletzt genannten marktgängigen Gegenständen zuzurechnen, so ist eine Berücksichtigung der Aufwendungen wegen Erwerbs eines Gegenwerts ausgeschlossen. Handelt es sich dagegen dabei um eine Einrichtung, die speziell auf die durch ihre Krankheit bedingten Bedürfnisse der Ehefrau des Klägers abgestellt und die demnach für jeden anderen ohne Wert ist, so scheidet ein Abzug als außergewöhnliche Belastung ebenfalls aus. Denn der genannte Gegenstand diente weder zur Heilung noch zur Linderung des Leidens der Ehefrau des Klägers, sondern sollte ihr vor allem helfen, die durch ihre Körperbehinderung bedingten Erschwernisse bei der Körperreinigung zu bewältigen. Wegen der mit ihrer Körperbehinderung zusammenhängenden Erschwernisse ist der Ehefrau des Klägers indessen -- wie das FA unwidersprochen vorgetragen hat -- der Freibetrag nach § 33 a Abs. 6 EStG in der damaligen Fassung i. V. m. § 65 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ebenfalls in der damaligen Fassung in Höhe von 4 800 DM zugebilligt worden. Dieser Betrag übersteigt die Summe von 4 421,27 DM, die der Kläger sowohl für die Nachtstromspeicherheizung als auch für die Brausetasse mit Sitz zusammen ausgegeben haben will, so daß ein über den Freibetrag hinausgehender Abzugsbetrag nicht mehr verbleibt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74601

BStBl II 1983, 378

BFHE 1983, 73

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