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BAG Urteil vom 28.08.1985 - 5 AZR 616/84

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungsmäßige Besetzung des Gerichts. Berufung der ehrenamtlichen Richter

 

Leitsatz (redaktionell)

Gegen die gesetzliche Grundlage und das Verfahren über die Berufung der ehrenamtlichen Richter beim Bundesarbeitsgericht bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Normenkette

GG Art. 92, 101; SGG § 45; ArbGG § 43 Fassung: 1979-07-02

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 10.10.1984; Aktenzeichen 5 Sa 1181/84)

ArbG Solingen (Entscheidung vom 06.06.1984; Aktenzeichen 4 Ca 414/84)

 

Tatbestand

Der Kläger stand bei der Beklagten ab dem 1. September 1981 in einem Ausbildungsverhältnis, zunächst zum Verkäufer, danach zum Einzelhandelskaufmann. Das Ausbildungsverhältnis endete mit dem Bestehen der Prüfung als Einzelhandelskaufmann am 12. Januar 1984. Anschließend wurde der Kläger in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen.

Die Beklagte zahlte dem Kläger für die Zeit bis einschließlich 11. Januar 1984 die Ausbildungsvergütung anteilig in Höhe von 346,15 DM. Für die Zeit ab 12. Januar 1984 gewährte sie anteilig das dem Kläger nach dem Gehaltstarifvertrag zustehende Gehalt einschließlich einer übertariflichen Zulage.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Vergütung für seine Tätigkeit als Angestellter nach der Gehaltsgruppe I stehe ihm bereits ab 1. Januar 1984 zu. Er hat sich hierzu auf § 8 Nr. 3 des für das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Tarifbindung geltenden Tarifvertrages für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 13. Dezember 1980 berufen. Diese Vorschrift besagt folgendes:

"Bei Ereignissen, die nach den Tarifverträgen

eine Veränderung des Entgelts zur Folge haben

und vor dem 15. des Monats eintreten, wird

die Veränderung ab 1. des Monats wirksam; tritt

das Ereignis danach ein, wird die Veränderung

mit dem 1. des folgenden Monats wirksam."

Entsprechende Regelungen enthielten auch schon die vorher geltenden Manteltarifverträge seit dem 1. April 1977. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die erfolgreiche Abschlußprüfung und der dadurch begründete Anspruch auf das Entgelt des dritten Berufsjahres der Gehaltsgruppe I des Gehaltstarifvertrages vom 2. Mai 1983 seien Ereignisse, die nach § 8 Nr. 3 des Manteltarifvertrages zu werten seien.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn

173,08 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit

dem 1. Februar 1984 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, daß die Voraussetzungen für die Anwendung des § 8 Nr. 3 des Manteltarifvertrages nicht gegeben seien, weil erst der Abschluß eines Arbeitsvertrages den Gehaltsanspruch des Klägers begründet habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

I. In der Sozialgerichtsbarkeit sind Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Besetzung der Gerichte mit Rücksicht auf die Berufung der ehrenamtlichen Richter erhoben worden (vgl. Presseinformation des BSG Nr. 59/85 vom 20. August 1985). Da § 43 Abs. 1 Satz 2 ArbGG mit § 45 Abs. 2 SGG hinsichtlich der Berufung der ehrenamtlichen Richter am Bundesarbeitsgericht und am Bundessozialgericht übereinstimmt, bestand für den Senat Veranlassung, seine ordnungsgemäße Besetzung von Amts wegen zu prüfen (BVerfGE 40, 356, 357, 360).

Der Senat ist ordnungsgemäß besetzt.

1. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 43 Abs. 1 Satz 2 ArbGG sind nicht begründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 18, 241, 254; 26, 186, 196; 27, 312, 320; 48, 300, 315; 54, 159, 166) fordert Art. 92 GG, daß die rechtsprechende Gewalt durch staatliche Gerichte ausgeübt wird. Dazu gehört, daß die Bindung des Gerichts an den Staat auch in personeller Hinsicht hinreichend gewährleistet ist. Staatliche Gerichtsbarkeit muß nicht nur auf staatlichem Gesetz beruhen und der Erfüllung staatlicher Aufgaben dienen; das Organ, das sie ausübt, muß auch personell vom Staat entscheidend bestimmt sein.

Diesem Erfordernis genügt § 43 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Dort ist vorgeschrieben, daß die ehrenamtlichen Richter vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung berufen werden und "im angemessenen Verhältnis unter billiger Berücksichtigung der Minderheiten aus den Vorschlagslisten zu entnehmen" sind, die von den dafür vorgesehenen Verbänden eingereicht werden. Die Zusammensetzung des Gerichts wird danach vom zuständigen Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung entscheidend dadurch bestimmt, daß dieser die ehrenamtlichen Richter aufgrund eigener Entscheidung den Vorschlägen der Verbände entnimmt, diese aber nicht übernehmen muß. Wenn er bei der gebotenen umfassenden Überprüfung dazu gelangt, einzelne oder mehrere vorgeschlagene ehrenamtliche Richter nicht zu ernennen, ist es ihm unbenommen, gegebenenfalls weitere Vorschläge anzufordern (BVerfGE 26, 186, 197; 27, 312, 321).

2. Inwieweit der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung tatsächlich eine Auswahl aus den Listen vornimmt oder sich an die Vorschläge der Verbände hält, ist vom Senat nicht zu prüfen. Die Berufung zum ehrenamtlichen Richter ist nicht schon deshalb nichtig, weil Mängel in dem Verfahren der Berufung bestehen. Selbst wenn ehrenamtliche Richter nur aufgrund von Einzelvorschlägen oder von Listen berufen werden, die nicht mehr Namen enthalten als ehrenamtliche Richter zu berufen sind, kann daraus nicht geschlossen werden, daß der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung sich an den Vorschlag für gebunden hielt und sich - gesetzwidrig - seiner Befugnis begeben hätte, die Zusammensetzung des Bundesarbeitsgerichts entscheidend zu bestimmen.

II. pp.

Dr. Thomas Michels-Holl Schneider

Liebsch Werner

 

Fundstellen

Haufe-Index 440347

DB 1985, 2056-2056 (T)

NJW 1986, 954

ARST 1985, 175-175 (T)

BlStSozArbR 1985, 364-364 (T)

NZA 1985, 696

AP § 43 ArbGG 1979 (LT1), Nr 1

ArbuR 1985, 366-366 (T)

EzA § 43 ArbGG 1979, Nr 1 (LT1)

SGb 1985, 431 (LT1)

SGb 1985, 431-431 (T)

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