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BAG Beschluss vom 17.11.1988 - 4 AZN 504/88

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfordernisse einer Divergenz. Abbrucharbeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde wegen Divergenz kann nur auf divergierende abstrakte Rechtssätze in verfahrens- oder instanzabschließenden gerichtlichen Entscheidungen gestützt werden.

2. Damit scheiden Beweisbeschlüsse als Grundlage einer Nichtzulassungsbeschwerde wegen Divergenz aus.

 

Orientierungssatz

Abbrucharbeiten (Teilabbruch- und Durchbruchsarbeiten).

 

Normenkette

ZPO § 358; BauRTV § 1; ArbGG § 72a

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 19.07.1988; Aktenzeichen 3 Sa 7/87)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 05.11.1986; Aktenzeichen 52 Ca 539/86)

 

Gründe

Die Klägerin holt als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach den Sozialtarifverträgen des Baugewerbes bei den baugewerblichen Arbeitgebern Auskünfte zur Berechnung der Beiträge ein und zieht diese Beiträge ggf. ein.

Mit der Klage hat die Klägerin die Beklagte für den Zeitraum vom 1. Dezember 1985 bis 30. Juni 1986 auf Auskunftserteilung über die Anzahl der in diesem Zeitraum bei ihr beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer, kaufmännischen und technischen Angestellten, Poliere und Schachtmeister, die Gesamtbruttolohnsumme und die Höhe der demgemäß anfallenden Beiträge sowie für den Fall der Nichterfüllung auf Zahlung einer Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG in Höhe von 58.606,16 DM in Anspruch genommen. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat unter Verminderung der Entschädigungssumme um 20 v.H. auf 46.884,93 DM und Verlängerung der Frist zur Auskunftserteilung auf einen Monat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

Hiergegen richtet sich die auf Divergenz gestützte Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten. Die Klägerin beantragt Verwerfung bzw. Zurückweisung der Beschwerde.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist unzulässig. Sie hat die Erfordernisse einer rechtserheblichen Divergenz im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG nicht dargelegt.

Danach setzt eine rechtserhebliche Divergenz voraus, daß die angefochtene Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der seinerseits von einem abstrakten Rechtssatz des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen in der Gesetzesnorm genannten Gerichts abweicht, woraus zugleich folgt, daß eine lediglich fehlerhafte oder den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht entsprechende Rechtsanwendung eine Divergenz nicht zu begründen vermag (vgl. den Beschluß des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 19. November 1979 - 5 AZN 15/79 - AP Nr. 2 zu § 72 a ArbGG 1979 mit weiteren Nachweisen). Dabei müssen sich die voneinander abweichenden Rechtssätze aus der anzufechtenden wie aus der angezogenen Entscheidung unmittelbar ergeben und so deutlich ablesbar sein, daß nicht zweifelhaft bleibt, welche abstrakten Rechtssätze die Entscheidungen jeweils aufgestellt haben (vgl. BAGE 41, 188, 190 = AP Nr. 11 zu § 72 a ArbGG 1979 Divergenz, mit weiteren Nachweisen).

Diesen Anforderungen entspricht das Vorbringen der Beklagten in ihrer Beschwerdebegründung nicht. Die Beklagte trägt vor, das Landesarbeitsgericht habe den fallübergreifenden, abstrakten Rechtssatz aufgestellt, von "Teilabbruch" könne nur dann gesprochen werden, wenn Bauwerksteile wie Decken, Wände, Bedachungen 14d Balkons vollständig beseitigt würden, dagegen sei Teilabbruch stets und generell zu verneinen, wenn solche Bauwerksteile nur teilweise beseitigt würden, so daß solchenfalls Durchbruchsarbeiten anzunehmen seien, die als baugewerbliche Tätigkeit zu betrachten seien; mit diesen Ausführungen weiche das Landesarbeitsgericht von dem abstrakten Rechtsgrundsatz der Senatsrechtsprechung in den Urteilen vom 14. Oktober 1987 - 4 AZR 342/87 - (AP Nr. 88 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) und 20. Januar 1988 - 4 AZR 492/87 - (unveröffentlicht) ab, von Abbrucharbeiten könne nur dann gesprochen werden, wenn die Arbeiten wenigstens zur teilweisen Beseitigung eines Gebäude- oder Bauwerksteiles führten, während Abbrucharbeiten zu verneinen seien, wenn Wände und Decken in ihrer Substanz erhalten blieben.

Entgegen der Annahme der Beklagten enthalten die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils hinsichtlich der aufgezeigten rechtlichen Problematik der Abgrenzung von baugewerblichen Tätigkeiten zu solchen des Abbruchgewerbes keine abstrakten Rechtssätze, die von den angezogenen Urteilen des erkennenden Senats abweichen. Vielmehr gibt das Landesarbeitsgericht, wie die Klägerin in der Beschwerdeerwiderung zutreffend bemerkt, in seinen Entscheidungsgründen mehrmals deutlich zu verstehen, daß es sich bei der entsprechenden rechtlichen Differenzierung voll der Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts anschließen wolle. Das wird insbesondere daraus deutlich, daß bezüglich der aufgezeigten rechtlichen Differenzierung das Landesarbeitsgericht die entsprechenden Teile des Urteils des erkennenden Senats vom 14. Oktober 1987 in beträchtlichem Umfang wörtlich zitiert und im Anschluß daran nochmals zu verstehen gibt, daß es den darin aufgezeigten Rechtsgrundsätzen folge.

Entgegen der Meinung der Beklagten kann auf den Inhalt von Beweisbeschlüssen die Nichtzulassungsbeschwerde wegen Divergenz nicht gestützt werden. Das folgt schon daraus, daß nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG die Revision nur zuzulassen ist, wenn das angefochtene Urteil von "einer Entscheidung" der in der Gesetzesnorm genannten Gerichte abweicht. Damit sind nach dem Sinn und Zweck der Norm ohne Rücksicht auf ihre Form (Urteil oder Beschluß - vgl. Grunsky, ArbGG, 5. Aufl., § 72 Rz 28, für das entsprechende Verfahren nach der ZPO Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 46. Aufl., § 546 B I 2 b und für das Verfahren nach der VerwGO Eyermann/Fröhler, VerwGO, 5. Aufl., § 132 Rz 15) nur verfahrens- oder instanzabschließende gerichtliche Entscheidungen gemeint, in denen sich die Gerichte mit den jeweils anstehenden Rechtsfragen auseinandersetzen. Dazu gehören jedoch Beweisbeschlüsse nicht. Sie dienen vielmehr, auch wenn ihre Abfassung im Einzelfall Rückschlüsse auf die Rechtsauffassung des jeweiligen Gerichts zuläßt, nach den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen (§§ 358 ff. ZPO) nur mittelbar der Rechtsfindung und ihrer prozessualen Zweckbestimmung nach der Sachaufklärung und gerichtlichen Tatsachenfeststellung. Eine unterschiedliche Beurteilung von Tatsachen reicht jedoch nicht aus, um eine Divergenz im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG begründen zu können (vgl. das Urteil des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 18. August 1961 - 2 AZR 280/61 - AP Nr. 16 zu § 72 ArbGG 1953 Divergenzrevision sowie Wlotzke/Schwedes/Lorenz, ArbGG, § 72 Rz 11). Abgesehen davon kann den von der Beklagten vorgelegten Beweisbeschlüssen zweier Kammern des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main kein abstrakter Rechtssatz entnommen werden, der von solchen des angefochtenen Urteils und der angezogenen Senatsurteile abweicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Feller Dr. Etzel Dr. Freitag

 

Fundstellen

Haufe-Index 438877

DB 1989, 1428 (LT1-2)

JR 1989, 220

RdA 1989, 132

AP § 72a ArbGG 1979 Divergenz (LT1-2), Nr 22

AR-Blattei, Arbeitsgerichtsbarkeit XE Entsch 70 (LT1-2)

AR-Blattei, ES 160.10.5 Nr 70 (LT1-2)

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