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Onboarding
|
12.10.2021
|
8 Min.

Good-Practice-Standards des Onboardings aus psychologischer Sicht

Haufe Redaktion
Haufe Redaktion
Fachautoren, Vordenker und HR-Experten
Theoretischen Hintergründe eines erfolgreichen Onboarding-Prozesses mit wertvollen Hinweise für die praktische Umsetzung.

Gastbeitrag von Elena Brugger, Psychologie B.Sc., Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Die Integration neuer Mitarbeiter:innen beschäftigt nicht nur Unternehmen in der Praxis, sondern auch Theoretiker der Arbeits- und Organisationspsychologie. Sie untersuchen mit ihrer Forschung die theoretischen Hintergründe eines erfolgreichen Onboarding-Prozesses und liefern somit wertvolle Hinweise für die praktische Umsetzung. Daraus lassen sich zahlreiche Good-Practice-Standards ableiten, die aus psychologischer Perspektive ein erfolgreiches Onboarding ausmachen.

Optimale Dauer des Onboarding-Prozesses

Zunächst ist der Zeitrahmen eines Onboarding-Prozesses zu klären. Empfohlen wird, den Onboarding-Prozess bereits mit dem Eintritt in das Unternehmen, welcher durch die Vertragsunterschrift gekennzeichnet ist, anzustoßen[1]. Uneinig ist man sich bezüglich der optimalen Dauer der Maßnahmen. Während teilweise die Auffassung vertreten wird, dass vor allem die ersten 90 bis 100Tage relevant seien, weil Menschen in diesem Zeitraum neue Gewohnheiten bilden[2], wird an anderer Stelle betont, dass der Onboarding-Prozess mindestens über die ersten sechs Monate andauern sollte[3]. Sofern in der Praxis Variablen wie Selbstwirksamkeit, Rollenklarheit und soziale Akzeptanz relevant sind, scheint die Fortführung der Integrationsmaßnahmen über die ersten sechs Monate hinaus bis zu einem Jahr sinnvoll. Dies wird damit begründet, dass die Verläufe dieser drei Indikatoren für die Anpassung neuer Mitarbeiter:innen innerhalb der ersten zwölf Monate erhebliche Schwankungen aufweisen[4]. Aus dieser Beobachtung lässt sich schließen, dass eine systematische Begleitung während des gesamten ersten Jahres in einem Unternehmen zum Integrationserfolg beitragen kann.

Führungsverständnis

Entscheidend für den Erfolg eines Onboarding-Prozesses ist aus psychologischer Perspektive das Führungsverständnis innerhalb der jeweiligen Organisation. Die Integration neuer Mitarbeiter:innen liegt in der Zuständigkeit der Führungskraft, welche mit unmittelbaren und mittelbaren Aufgaben das Erreichen diverser Zielkriterien beeinflussen kann. Im Idealfall ist sich die Führungskraft ihrem Einfluss bewusst und begreift gleichermaßen die Bedeutung der Teammitglieder für ein erfolgreiches Onboarding. Dabei ist vor allem der transformationale Führungsstil bedeutsam, der sich durch eine hohe Personen- und Zukunftsorientierung auszeichnet. Dadurch kann die Anpassung an Veränderungen beschleunigt und das Einfinden in die neue Rolle am Arbeitsplatz erleichtert werden[5]. Außerdem hat diese Art der Führung Auswirkungen auf die Entstehung von Mitarbeiterbindung und Selbstwirksamkeit[6].

Direkter und indirekter Einfluss auf Erfolgsfaktoren des Onboardings

In der Arbeits- und Organisationspsychologie unterscheidet man zwischen proximalen und distalen Erfolgsfaktoren des Onboardings. Erstere können direkt und zielgerichtet durch entsprechende Maßnahmen beeinflusst werden. Dazu zählen beispielsweise die wahrgenommene Passung zum Unternehmen oder die Rollenklarheit. Die distalen Faktoren, wie die Kündigungsabsicht oder die Arbeitsleistung des:der neuen Mitarbeiter:in, werden nur indirekt durch Onboarding-Maßnahmen beeinflusst. Die Wirkung wird größtenteils über die proximalen Faktoren erzielt. Wurde der Onboardee beispielsweise in der Preboarding-Phase mit Hilfe einer realistischen Tätigkeitsvorschau über seine zukünftige Rolle informiert und werden nach Arbeitsantritt regelmäßige Feedbackgespräche geführt, in welchen er eine Rückmeldung über seine Arbeitsleistung erhält, steigt die Rollenklarheit. Langfristig wirkt sich das nicht nur auf die Arbeitsleistung und -zufriedenheit aus, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf die Kündigungsabsicht des neuen Mitarbeiters. Auf der Basis dieser Erkenntnisse wird empfohlen, den Fokus bei der Integration neuer Mitarbeiter:innen verstärkt auf die direkt beeinflussbaren proximalen Erfolgsfaktoren zu legen. Die distalen Faktoren können dabei als langfristige Indikatoren der Anpassung betrachtet werden.

Passung zwischen Zielsetzung und praktischer Umsetzung

Der Fokus, den Unternehmen mit ihrem Onboarding-Prozess legen, bestimmt, welche konkreten Maßnahmen zum Einsatz kommen sollten. Nur wenn Zielsetzung und praktische Umsetzung übereinstimmen, kann der Onboarding-Prozess erfolgreich verlaufen und auf die priorisierten Erfolgsfaktoren einwirken. Um diese Passung beurteilen zu können, werden unterschiedliche Maßnahmen der Integration neuer Mitarbeiter:innen in drei Kategorien eingeordnet. Man unterscheidet zwischen sozialen, inhalts- und kontextbezogenen Maßnahmen[7]. Die größte Wirksamkeit in Bezug auf eine erfolgreiche Integration der Onboardees konnte dabei in der sozialen Kategorie belegt werden[8]. Dazu zählt beispielsweise ein Pate, der dem neuen Teammitglied als erfahrener Kollege und „Buddy“ zur Seite steht. Ein Einarbeitungsplan wird der Kategorie der inhaltsbezogenen Maßnahmen zugeordnet, welche den Inhalt der vermittelten Informationen betont. Kontextbezogene Maßnahmen beziehen sich auf die Art und Weise, wie Unternehmen die Informationen an die neuen Mitarbeiter:innen weitergeben. Das kann zum Beispiel im Rahmen eines Welcome Days oder via einer Onboarding App geschehen.

Individualisierung

Weiterhin empfiehlt die Arbeits- und Organisationspsychologie, den Onboarding-Prozess hinsichtlich des Grades an beruflicher Vorerfahrung vonseiten der Onboardees zu individualisieren[9]. Es konnte gezeigt werden, dass die Erfolgsaussichten für eine gelungene Integration bei „frischen“ Absolventen im ersten halben Jahr besonders groß sind. Sie profitieren am stärksten von institutionalisierten, strukturgebenden Maßnahmen. An Beispielen veranschaulicht bedeutet das, dass im Onboarding-Konzept für Berufseinsteiger Maßnahmen wie ein Welcome Day und die Unterstützung durch einen Paten vorgesehen sein sollten. Bei erfahreneren Newcomern verläuft die Integration oftmals erfolgreicher, wenn kein Vorgänger vorhanden ist und der Onboarding-Prozess individualisierter durchgeführt werden kann. Ein Coaching zu Förderung der Problem- und Selbstreflexion kann beispielsweise die Integration neuer Mitarbeiter:innen in eine Führungsposition sehr wirksam begleiten. Die genannten Good-Practice-Standards wurden aus Erkenntnissen jahrelanger Forschung in der Arbeits- und Organisationspsychologie abgeleitet und können als Verbindung zwischen theoretischen Grundlagen und praktischer Anwendung betrachtet werden. Auf diese Weise soll die strategische Ausrichtung sowie die Auswahl spezifischer Maßnahmen im Onboarding-Prozess eines Unternehmens evidenzbasiert unterstützt werden.

[1] Moser, Soucek, Galais und Roth (2018); [2] Schreiner und Schmid (2015); Vernon (2012); [3] Z.B. Lindner-Lohmann, Lohmann und Schirmer (2016); [4] Bauer und Erdogan (2011); [5] Schreiner und Schmid (2015); [6] Frey (2016); Hoffman, Bynum, Piccolo und Sutton (2011); [7] Jones (1986); [8] Saks et al. (2007); [9] Vernon,A. (2012)

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