Rz. 50

Unter diese Position fallen nur Rückstellungen für solche Gewährleistungen, die eindeutig ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden. Ist dagegen unklar, ob eine Gewährleistungspflicht besteht und werden deshalb die "Kulanzleistungen" erbracht, um Streitigkeiten im Interesse der Geschäftsbeziehungen zu vermeiden, so handelt es sich in Wirklichkeit um Rückstellung für ungewisse Schulden.

Für aus Kulanzgründen zu bewirkende Garantieleistungen können auch, ohne dass am Bilanzstichtag bereits eine rechtsverbindliche Zusage vorliegt, Rückstellungen gebildet werden, wenn aufgrund von Kulanzleistungen in der Vergangenheit unter Berücksichtigung des pflichtgemäßen Ermessens des vorsichtigen Kaufmanns damit zu rechnen ist, dass Kulanzleistungen auch in Zukunft bewilligt werden, denen der Kaufmann sich nicht entziehen zu können glaubt.[1]

Um Kulanzleistungen wird es sich auch handeln, wenn nach ordnungsgemäß erbrachten Leistungen zusätzlich Arbeiten erfolgen, um nachträgliche Änderungswünsche der Auftraggeber zu erfüllen. Zwar ist der Auftragnehmer i. d. R. rechtlich hierzu nicht verpflichtet, wirtschaftlich wird er sich ihnen jedoch nicht entziehen können; dennoch ist eine Rückstellungsbildung nicht geboten, da es sich nicht um aufgrund abgeschlossener Verträge geschuldete, sondern um zukunftsbezogene Arbeiten – vergleichbar mit Serviceleistungen – handelt, die im abgelaufenen Wirtschaftsjahr wirtschaftlich nicht verursacht sind.[2]

 

Rz. 50a

Der BFH hat die für Schadenersatzansprüche entwickelten Grundsätze auch auf vertragliche Gewährleistungsansprüche angewendet.[3]

Das bedeutet, dass am Bilanzstichtag bereits erhobene Mängelrügen zu beachten sind; auch noch nicht gerügte Mängel sind zu berücksichtigen, wenn und soweit mit einer Inanspruchnahme des Verkäufers zu rechnen ist. Hierbei ist mit Blick auf das nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 252 Abs. 1 Nr. 4 1. Halbsatz HGB geltende Vorsichtsprinzip zu beachten, dass die am Bilanzstichtag vorliegenden Verhältnisse nach dem subjektiven Erkenntnisstand des sorgfältigen Kaufmanns bei fristgerechter Bilanzaufstellung zu beurteilen sind. Demzufolge sind zwar keine neuen, erst nach dem Bilanzstichtag eintretenden Tatsachen, wohl aber aufhellende Umstände, die bereits zum Bilanzstichtag objektiv vorlagen, aber erst nachträglich – d. h. zwischen Bilanzstichtag und -aufstellung – bekannt werden, bilanziell zu berücksichtigen. Objektiver Anknüpfungspunkt hierfür ist zum einen ein bereits zum Bilanzstichtag vorliegender Mangel. Zum anderen muss bei noch nicht gerügten Mängeln mit einer Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen (ernsthaft) zu rechnen sein. Jedenfalls dann, wenn der Mangel am Bilanzstichtag noch keine betriebsbeeinträchtigende Wirkung entfaltete und daher gar nicht erkennbar erschien, liegt es nahe, die Gefahr der Inanspruchnahme des Werkunternehmers am Bilanzstichtag noch nicht als überwiegend anzusehen; daher der BFH im Beschluss vom 28.08.2018: "Wurde der Werkmangel durch den Besteller bis zum Bilanzstichtag noch nicht gerügt und beruhte dies maßgeblich darauf, dass der (objektiv angelegte) Mangel bis zu jenem Stichtag noch keine erkennbare betriebsbeeinträchtigende Wirkung entfaltete und hatten folglich die Vertragsbeteiligten noch keine Kenntnis vom Mangel, liegt es nahe, dass der Werkunternehmer am Bilanzstichtag noch nicht ernsthaft mit einer Inanspruchnahme zur Gewährleistung rechnen musste."

[1] BFH, Urteil v. 20.11.2962, I 242/614, BStBl 1963 III S. 113.

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