Achtung

Produktionskette – jeder Zulieferer ist Hersteller

Hersteller ist, wer das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat.[1] Es reicht aber für die Klassifizierung als Hersteller nicht aus, ein Produkt körperlich erstellt zu haben; vielmehr muss eine Leistung feststellbar sein, die zu einer Produktverantwortung führt. Die Herstellung ist so von der bloßen Montage abzugrenzen, bei der nach wertender Betrachtung lediglich eine Dienstleistung am Produkt erbracht wird. Wenn aber der Vertragshändler lediglich einzelne Teile auf Anleitung des Herstellers zusammenfügt und die Funktionsfähigkeit und Sicherheit der Gesamtsache nicht wesentlich beeinflusst, wird ein eigenständiger Herstellungsbeitrag gerade nicht erbracht.[2]

Das OLG Brandenburg verneint eine Haftung wegen Inverkehrbringens eines vom sog. "Dieselskandal" betroffenen Fahrzeugs, wenn der in Anspruch genommene das Fahrzeug nicht hergestellt, sondern die Aufgabe der Herstellung erst übernommen hat, nachdem der Käufer das Fahrzeug erworben hat und die Übernahme des Unternehmens in Form eines Asset-Deals, also durch Übernahme einzelner Wirtschaftsgüter der bisherigen Herstellerin erfolgt ist.[3]

Die Haftung trifft alle am Produktionsprozess Beteiligten.

 
Praxis-Beispiel

Zulieferer und Hersteller eines Pkw haften bei fehlerhaftem Zubehör zusammen

K erleidet mit einem von A hergestellten Pkw einen Unfall, weil der Seilzug des Gaspedals, den B dem A geliefert hatte, einen Konstruktionsfehler aufwies. Haftende Hersteller sind hier sowohl A als auch B.

Auch die Zusammenfügung eines Hüftprothesenschafts mit dem Gelenkkopf ist Herstellung eines Medizinprodukts i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG.[4]

Kein Hersteller ist derjenige, der ein fertiges Produkt lediglich portioniert, z. B. lange Seile in Seilstücke schneidet.[5] Der Grundstoff- oder Teilehersteller haftet nur, wenn das zugelieferte Teil für sich betrachtet fehlerhaft ist.[6]

Hersteller ist auch das Montageunternehmen, das ein Endprodukt ausschließlich aus zugelieferten Teilen fertigt sowie derjenige, der aufgrund einer Lizenz produziert. Die Haftung ist nicht auf den industriellen Bereich begrenzt.[7]

 
Praxis-Beispiel

Hersteller kann auch ein Gastwirt sein

Im Bistro wird dem Gast Kuchen serviert, den der an Gelbsucht erkrankte Koch hergestellt hat. Der Gast erkrankt daraufhin. Der Bistrobetreiber ist als Hersteller zum Schadenersatz verpflichtet.[8]

Nimmt der Betreiber des Stromnetzes Transformationen auf eine andere Spannungsebene (in die sogenannte Niederspannung für die Netzanschlüsse von Letztverbrauchern) vor, ist er Hersteller des Produkts Elektrizität.[9]

[1] § 4 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG; OLG Frankfurt/M. Urteil v. 17.12.2020, 13 U 213/20: Legebatterien als Teil in Volierensysteme verbaut; OLG Hamm, Hinweisbeschluss v. 2.11.2016, 21 U 14/16, NJOZ 2017 S. 799: Ein Landwirt, der im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebs geerntetes Heu zu Silage verarbeitet, ist Hersteller i. S. v. § 4 ProdHaftG; LG Hagen, Urteil v. 27.10.2016, 10 O 253/11: Schadensersatzanspruch wegen Versterbens der Stute aufgrund Verwendung der hergestellten Silage mit Botulinumtoxin.
[2] OLG Hamm, Urteil v. 5.2.2016, 7 U 84/15: Montagearbeiten machen den Vertragshändler nicht grundsätzlich zum Hersteller i. S. d. ProdHaftG (Montage eines Elektrofahrrads).
[5] OLG Düsseldorf, Urteil v. 22.9.2000, 22 U 208/99, VersR 2001 S. 1570.
[7] BGH, Urteil v. 18.1.1983, VI ZR 310/79, NJW 1983 S. 810; siehe aber OLG Hamm, Urteil v. 5.2.2016, 7 U 84/15.
[8] OLG Frankfurt, Urteil v. 16.2.1995, 1 U 31/94, NJW 1995 S. 2498; OLG Hamm, Urteil v. 23.5.2013, 21 U 64/12; gelangen im Herstellungsprozess Fremdkörper in ein Fruchtgummi, die beim Biss auf die Kaumasse einen Zahnschaden verursachen, haftet der Hersteller für das fehlerhaft hergestellte Produkt.

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