Hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Abfindungen bestehen erhebliche Rechtsunsicherheiten, da sich je nach Betrachtung der Rechtsquelle unterschiedliche Ergebnisse ergeben können.

Das BMF-Schreiben stellt nur die aktuelle Rechtslage ab 2017 dar. Nachfolgend erfolgt hingegen eine Gesamtschau.

Zum einen hat der BFH allgemeine Rechtsprechungs-Grundsätze erlassen (nachfolgend Tz. 5.1.1), die die Verwaltung mittels Verständigungs- und Konsultationsvereinbarungen zu überlagern versucht (nachfolgend Tz. 5.1.2). Die Bindungswirkung wurde vom BFH abgelehnt (nachfolgend Tz. 5.1.3). Hierauf folgte der Versuch die Rechtslage mittels Rechtsverordnungen nach § 2 Abs. 2 AO zu ändern (nachfolgend Tz. 5.1.4). Auch dies wurde vom BFH abgelehnt (nachfolgend Tz. 5.1.5). Die OECD hat zwischenzeitlich mit dem Uptdate 2014 (nachfolgend 5.1.6) einen weiteren neuen Ansatz gewählt. Schließlich hat der deutsche Gesetzgeber mit § 50d Abs. 12 EStG 2017 eine nationale Sonderlösung geschaffen (nachfolgend Tz. 5.1.7).

5.1.1 Allgemeine Grundsätze

Laut BFH hat für Abfindungen, die anlässlich der Auflösung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden – soweit es sich nicht um Versorgungsbezüge handelt – der Ansässigkeitsstaat nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA Liberia das Besteuerungsrecht, da diese Vergütung kein zusätzliches Entgelt für die frühere Tätigkeit darstellt und nicht für eine konkrete im In- oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt wird.[1] Auch Karenzentschädigungen sind zwar Ausfluss der vorangegangenen Tätigkeit, werden aber nicht zusätzlich für die frühere Tätigkeit, sondern für das zukünftige Unterlassen gezahlt. Sie können daher wie Abfindungen anlässlich der Auflösung eines Dienstverhältnisses keiner konkreten im In- oder Ausland ausgeübten Tätigkeit zugeordnet werden. Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA hat daher der aktuelle Ansässigkeitsstaat für Karenzentschädigungen das Besteuerungsrecht. Maßgeblich hierfür ist der Zeitpunkt der Auszahlung[2].

 
Praxis-Beispiel

Abfindungen und Karenzentschädigungen

Der Manager A war bei dem deutschen Unternehmen U vom 1.1.00 bis 31.12.05 beschäftigt, davon vom 1.1.02 bis 31.10.04 bei der Tochtergesellschaft in Kanada (das Besteuerungsrecht für diesen Zeitraum hatte Kanada). Anlässlich seines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Unternehmen wird dem A eine Abfindung von 400.000 EUR gewährt, die sich auf den Zeitraum seit Tätigkeitsbeginn des A bei U bezieht. A verlegt seinen Wohnsitz von Deutschland auf die Kanarischen Inseln. Die Abfindung wird zu einem Zeitpunkt ausgezahlt, zu dem G bereits seinen Wohnsitz in Spanien hatte.

Bei der Abfindung handelt es sich um Einkünfte aus unselbstständiger Tätigkeit, die jedoch für keine konkret im In- oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt wurde. Das Besteuerungsrecht steht somit dem Ansässigkeitsstaat zu (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz DBA Spanien). Zum Zeitpunkt der Auszahlung war A in Spanien ansässig, Spanien hat somit das Besteuerungsrecht.

5.1.2 Sonderfall der Verständigungsvereinbarungen mit der Schweiz, Belgien und Niederlande

Das BMF hat für die Schweiz von diesen Grundsätzen abweichende Verständigungsvereinbarungen zu Abfindungen an Arbeitnehmer veröffentlicht.[1] Sofern Abfindungen keinen Versorgungscharakter haben, sind sie, wenn es sich dabei um Lohn- oder Gehaltsnachzahlungen oder Tantiemen aus dem früheren Arbeitsverhältnis handelt oder allgemein für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gezahlt werden, zeitanteilig entsprechend den Besteuerungszuordnungen auf den Ansässigkeitsstaat und den Tätigkeitsstaat aufzuteilen. Sofern der Arbeitnehmer Grenzgänger war, ist dabei auch eine Aufteilung zwischen der Grenzgänger- und Nichtgrenzgängerzeit vorzunehmen.

 
Praxis-Beispiel

Sonderfall Schweiz

B war beim deutschen Unternehmen U vom 1.1.00 bis 31.12.05 beschäftigt, davon vom 1.1.02 bis 31.10.04 in der Schweiz (das Besteuerungsrecht für diesen Zeitraum hatte die Schweiz). Anlässlich seines Ausscheidens aus dem Unternehmen wird B eine Abfindung von 100.000 EUR gewährt, die sich auf den Zeitraum seit Tätigkeitsbeginn des B bei U bezieht (B war kein Grenzgänger i. S. des Art. 15a DBA Schweiz).

Die Abfindung ist entsprechend dem Bezugszeitraum auf die Schweiz und Deutschland aufzuteilen. B war 3 Jahre und 2 Monate (= 760 Arbeitstage) im Inland und 2 Jahre und 10 Monate (= 680 Arbeitstage) im Ausland tätig. Die Abfindung ist i. H. v. 760/1440 = 21.111 EUR im Inland und i. H. v. 680/1440 = 18.888 EUR in der Schweiz steuerpflichtig.

Auch mit Belgien und den Niederlanden wurden in der Vergangenheit Verständigungsvereinbarungen abgeschlossen.[2] Hierbei wird auf den wirtschaftlichen Hintergrund der Zahlungen abgestellt. Regelmäßig liegt bei einer Abfindung, die Versorgungscharakter hat, eine Zahlung vor, die nur im Wohnsitzstaat zu besteuern ist. Hingegen hat der frühere Tätigkeitsstaat ein Besteuerungsrecht, wenn die Abfindung hauptsächlich für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Diens...

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