Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Entgelte, die ein Verleger von dem Auftraggeber für Anzeigen in seiner Zeitung (Zeitschrift) vereinnahmt, sind nicht Lieferungsentgelte, sondern Leistungsentgelte. Der Großhandelssteuersatz des § 7 Abs. 3 UStG kann auf sie nicht angewandt werden.

 

Normenkette

UStG § 7 Abs. 3; UStDB § 2 Abs. 2, § 7/1; UStG § 3/1; UStG § 3/8

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) gibt unter anderem Fachzeitschriften heraus, in denen auch Anzeigen veröffentlicht werden, deren Veröffentlichung in ihren Zeitschriften die Bfin. gegen Entgelt übernommen hat.

Es ist für die Veranlagungszeiträume II/1948 bis 1951 in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur noch streitig, ob die Bfin. für ihre Entgelte aus diesen Anzeigenaufträgen den Großhandelssteuersatz nach § 7 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Anspruch nehmen kann. Das würde voraussetzen, daß die mit der Veröffentlichung der Anzeigen in den Zeitschriften verbundenen Leistungen der Bfin. als Lieferungen dieser Anzeigen durch die Bfin. an die Anzeigenauftraggeber anzusprechen wären. Das Finanzamt und das Finanzgericht haben dies verneint.

 

Entscheidungsgründe

Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) hat keinen Erfolg.

Die Bfin. erhält von den Auftraggebern den Text der gewünschten Anzeige mit der Bestimmung, in welcher Zeitschrift und gegebenenfalls an welcher Stelle derselben die Anzeige abgedruckt werden soll, und mit der Aufgabe, die Anzeige dem Abnehmerkreis der Zeitschrift bekanntzumachen durch Zusendung oder Verkauf der Zeitschrift an deren Abonnenten oder sonstige Käufer. Die Bfin. läßt die Zeitschriften, in die auch die angenommenen Anzeigen aufgenommen werden, bei einer Druckerei drucken und an die Abnehmer versenden. Zu dieser Verbreitung der Anzeigen an die Abnehmer der Zeitschrift ist die Bfin. nach dem Inhalt des Anzeigenvertrages verpflichtet; der gegenteiligen Ansicht des Finanzgerichts kann nicht zugestimmt werden. Diese Verbreitung der Anzeigen stellt aber keine Lieferung der gedruckten Anzeigen an die Anzeigenauftraggeber dar. Lieferungen liegen nur hinsichtlich der Zeitschriften an deren Abonnenten und Käufer vor mit der Folge, daß diesem Abnehmerkreis die Anzeigen bekanntgemacht (verbreitet) werden.

Die Rb. ist unbegründet, weil die Bfin. in Ansehung der Anzeigen keine Lieferungen, sondern sonstige Leistungen an den Auftraggeber bewirkt hat. Es sind zwei Rechtskreise zu unterscheiden:

Das Verhältnis zwischen dem Verleger (Bfin.) und den Abonnenten oder den Käufern einzelner Nummern seiner Zeitschriften (Zeitungen);

das Verhältnis zwischen dem Verleger (Bfin.) und den Auftraggebern der Anzeigen.

Zu 1: Der Abonnent oder der Käufer einer Einzelnummer will in jedem Falle die ganze Zeitschrift (Zeitung) einschließlich des Anzeigenteiles erwerben. Aus diesem Grunde liegt eine Lieferung der ganzen Zeitung durch die Bfin. an die Abonnenten oder Einzelerwerber vor. Diese Lieferung geschieht in Erfüllung des zwischen dem Verleger und dem Abnehmer der Zeitung bestehenden Abonnementsvertrags oder des im Einzelfall abgeschlossenen Kaufvertrags. Für eine Lieferung derselben Zeitung - oder auch nur eines Teiles derselben - an eine zweite Person (Inserent) ist nach Ansicht des Senats kein Raum. Wollte man eine andere Auffassung als richtig annehmen, so ergäbe sich die Folge, daß der Verleger, der hundert Anzeigen in seine Zeitung aufgenommen hat, diese Zeitung nicht nur als Ganzes an die Abonnenten oder Einzelkäufer, sondern außerdem 100 Einzelteile derselben Zeitung an 100 Anzeigenauftraggeber lieferte. Dieser Auffassung kann sich der erkennende Senat nicht anschließen. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) kann eine Lieferung dadurch bewirkt werden, daß der Unternehmer (Verleger) die Verfügungsmacht über den Gegenstand den Abnehmern (das wären nach Auffassung der Bfin. bezüglich der Inserate die Inserenten) oder in deren Auftrage Dritten (den Abonnenten oder Käufern der Zeitung) verschafft. Die Voraussetzungen dieses Satzes liegen aber nicht vor. Die Zeitung ist ein einheitlicher Gegenstand; sie besteht nicht aus einem das Ganze umfassenden Gegenstand (Zeitung) und außerdem aus 100 Einzelgegenständen, nämlich den einzelnen Anzeigen. Dieser Gegenstand Zeitung wird als Ganzes an die Abonnenten oder Einzelkäufer, nicht ganz oder zu Teilen an den Anzeigenaufgeber geliefert. Das gilt nach Auffassung des Senats insoweit, als ganzseitige oder ganzblätterige Anzeigen, die ihrer Art nach lose oder festverbundene Teile der Zeitung darstellen, Gegenstand des Inseratenvertrages sind.

Zu 2: Der Anzeigenaufgeber will von dem Verleger, daß die Anzeige in der vereinbarten Größe und gegebenenfalls an der vereinbarten Stelle in die Zeitung eingerückt wird (Druck), und daß die Zeitungen an die Abonnenten verschickt oder gegebenenfalls an die sonstigen Käufer hinausgebracht werden (Verbreitung). Dieses Vertragsverhältnis hat aber keinen Lieferungsauftrag zum Gegenstand. Wie bereits zu 1 gesagt, wird die Zeitung als Ganzes an den Abonnenten oder sonstigen Käufer geliefert, und zwar auf Grund des Abonnements- oder des Einzelkaufvertrags. Es ist nicht so, daß die Zeitungen auf Grund des Inseratenvertrags zwischen dem Verleger und dem Anzeigenaufgeber an die Abonnenten und die Käufer ausgegeben würden. Die Voraussetzung des § 2 Abs. 2 Satz 1 UStDB liegt im Regelfall also auch darum nicht vor, weil es an der Verschaffung der Verfügungsmacht an den Zeitungen "im Auftrage der Inserenten" fehlt. Die Versendung oder sonstige Verteilung der Zeitungen an die Abonnenten und sonstigen Käufer ist daher lediglich ein Teil der Leistungspflicht der Bfin. (Anzeigendruck und - Verbreitung) gegenüber den Inserenten; diese aber ist keine Lieferung der Bfin. an den Anzeigenaufgeber, sondern eine sonstige Leistung.

Auch nicht aus dem von der Bfin. geltend gemachten Gesichtspunkt des zusätzlichen Entgelts können die Anzeigengebühren nach § 7 Abs. 3 UStG mit dem Großhandelssteuersatz begünstigt werden. Eine solche Begünstigung würde voraussetzen, daß die Inseratengebühren zur Auffüllung des Abonnementspreises oder des Einzelhandelsverkaufspreises der Zeitungen gedacht wären. Entgelt für eine Lieferung ist nach § 10 Satz 2 UStDB zwar auch, was ein anderer als der Empfänger dem Unternehmer für die Lieferung (d. h. im Streitfalle für die Lieferung der Zeitungen an die Abonnenten oder Zeitungskäufer) gewährt. Es ist aber nach Ansicht des Senats nicht zweifelhaft, daß der Inserent seine Anzeigengebühr dem Verleger nicht als zusätzliches Entgelt für die Lieferung der Zeitung an den Abonnenten oder Zeitungskäufer, sondern ausschließlich als Entgelt für die Leistung des Verlegers gegenüber dem Anzeigenaufgeber, bestehend in der Aufnahme der Anzeige in die Zeitung und deren Verbreitung, zahlt. Es liegt ein selbständiger Leistungsaustausch zwischen dem Verleger und dem Inserenten vor.

Das Vorbringen der Bfin. in der mündlichen Verhandlung gibt noch zu folgenden weiteren Ausführungen Anlaß:

Es kann als richtig angenommen werden, daß der eine oder andere Aufgeber einer Annonce (Auftraggeber) den für die Bfin. verbindlichen Willen zum Ausdruck bringt, die Zeitschrift außer an den festen Abnehmerkreis bestimmten Personen und Firmen oder einem erweiterten Kreis zuzuleiten, weil dem Auftraggeber daran liegt, daß auch diesem erweiterten Kreis seine Reklame in der Zeitung zu Gesicht kommt. Das ändert aber nichts daran, daß auch ein solcher Auftraggeber die Zeitschrift der Bfin. als solche als Verbreitungsmittel für seine Werbungsanzeigen benutzen will. Die Bfin. liefert auch in diesen Fällen nicht die einzelne der z. B. 100 besonderen Anzeigen an die Auftraggeber, sondern sie liefert die Zeitschrift als Ganzes an die Abonnenten und Käufer. Soweit sie auf Wunsch einzelner Auftraggeber die Zeitschrift mit Rücksicht auf die Anzeigen des Auftraggebers einem zusätzlichen Kreis zusendet, mag es sich um eine Lieferung der bestimmten Stücke der Zeitschrift an den Auftraggeber handeln (ß 2 Abs. 2 Satz 1 UStDB). Ihr Entgelt erhält sie aber auch insoweit nicht für eine solche Lieferung, sondern für ihre andersartige Leistung (Hinweis auf den letzten Absatz). Es geht daher nicht an, einen Teil des von dem genannten Auftraggeber an die Bfin. gezahlten Anzeigenentgelts aus dem einheitlichen Gesamtbetrage dieses Leistungsentgelts als ein Lieferungsentgelt auszuscheiden. Das würde auch praktisch zu großen Schwierigkeiten führen. Wenn man eine solche Teilung durchführen wollte, könnte keinesfalls die Zahl der auf Wunsch des Auftraggebers zusätzlich verteilten Zeitschriften (z. B. 100) im Verhältnis zu der Zahl der regelmäßigen Abnehmer (z. B. 10.000) eine richtige Grundlage für die erstrebte Entgeltsaufteilung darstellen, da die Leistung des Verlegers sich nicht im Druck und in der Verteilung erschöpft, sondern seine Leistung wesentlich in der Gesamtorganisation und -gestaltung der Zeitschrift liegt, die die Grundlage für alle Werbungsaufträge darstellt.

Auch wenn der Verleger einer Zeitschrift sich zuerst der Anzeigenauftraggeber vergewissert und erst dann, wenn die Zeitung durch einen Stamm von Anzeigeninteressenten finanziell gesichert erscheint, die Abnehmer der Zeitschrift wirbt, ändert dies nichts daran, daß die Zeitschrift im Ganzen an die Abonnenten und Käufer geliefert wird und daß den Anzeigenauftraggebern gegenüber keine Lieferung von Annoncen, sondern eine Werbungsleistung durch die Einrückung der Annoncen in die Zeitschrift und durch deren Verteilung an die Abnehmer derselben vorliegt.

Es war noch die Rechtslage zu prüfen, die sich ergibt, wenn einer Zeitung oder Zeitschrift im Auftrage eines Auftraggebers lose Blätter oder gar Hefte zu Werbungszwecken beigefügt werden (Beilagen), die wegen ihrer Gestaltung (Form, Druck, Farbe usw.) nicht wie Teile der Zeitung aussehen, und der Verleger deren Druck und deren Verbreitung mit der Zeitschrift übernommen hat. In diesem Falle sind zwar mehrere Gegenstände (Zeitschrift und Beilagen) vorhanden. Es wäre durchaus möglich, daß die Zeitschrift an die Abonnenten, die Beilage(n) an den (die) Besteller derselben (Werbungsauftraggeber) geliefert würde(n), indem gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 UStDB die Verfügungsmacht über die Beilage(n) "im Auftrage des Bestellers" an die Abonnenten und Käufer der Zeitschrift übertragen würde. Trotzdem nimmt der Senat auch in diesem Falle keine Lieferung der Beilage an den Besteller (Auftraggeber) an; wesentlicher Inhalt des Leistungsaustausches ist vielmehr auch in diesem Falle eine Werbungsleistung des Verlegers. Diese besteht darin, daß der Verleger dem Beilagenhersteller den Druck der Beilage besorgt und für die Verbreitung der gedruckten Beilagen seine Verlagsorganisation zur Verfügung stellt, indem er die Beilagen den an Abonnenten und Käufer auszuliefernden Zeitungen und Zeitschriften beifügen läßt. Gerade die vom Senat vertretene wirtschaftliche Betrachtungsweise erfordert es, auch in diesem Falle in der Verbreitung der Zeitschriftenbeilagen nicht eine Lieferung an den Besteller, sondern eine Werbeleistung an ihn zu sehen. Das Entgelt des Verlegers ist also auch in diesem Falle kein Lieferungsentgelt, sondern ein Leistungsentgelt, das nicht dem Großhandelssteuersatz des § 7 Abs. 3 UStG unterliegt.

Die Rb. war hiernach als unbegründet zurückzuweisen. Die Kosten der Rb. trägt die Bfin. gemäß § 307 der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408940

BStBl III 1958, 122

BFHE 1958, 319.

BFHE 66, 319

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