Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Bilanzierung unterlassener Instandhaltungsaufwendungen.

 

Normenkette

EStG §§ 5, 6/1

 

Tatbestand

Die beschwerdeführende GmbH betreibt die Ausführung von Tiefbauarbeiten, insbesondere von Wasserbauten und Naßbaggerarbeiten. In den Jahren II/1948 und 1949 war sie an verschiedenen Arbeitsgemeinschaften beteiligt ...

Die Firma hatte bei den Arbeitsgemeinschaften ihre eigenen Geräte eingesetzt. Auf Grund der mit den Arbeitsgemeinschaften abgeschlossenen Verträge hatte sie die durch den Einsatz erforderlich werdenden Reparaturen selbst auszuführen und erhielt dafür von den Arbeitsgemeinschaften Zuschläge für Reparaturanteil auf die Gerätemieten. Die Gerätemieten in Höhe von insgesamt 30 000 DM und die Zuschläge für Reparaturanteil in Höhe von insgesamt 25 000 DM wurden in den Jahren II/1948 und 1949 vereinnahmt, während ein Teil der Reparaturen erst im Jahre 1950 von der Firma selbst ausgeführt wurde. Die Aufwendungen an Löhnen, Sozialbeiträgen, anteiligen Berufsgenossenschaftsbeiträgen und Material für die im Jahre 1950 durchgeführten Reparaturen wurden in der Bilanz vom 31. Dezember 1949 in Höhe von insgesamt 6000 DM zurückgestellt. Diese Rückstellung wurde vom Finanzamt nicht anerkannt.

Die Firma hat im Berufungsverfahren vorgetragen, die Eigenart des Betriebes bringe es mit sich, daß im allgemeinen die Arbeiten überwiegend in der zweiten Jahreshälfte durchgeführt würden. Der Bund und die Länder, die in erster Linie als Auftraggeber in Betracht kämen, könnten die Aufträge erst nach Aufstellung des Etats vergeben, so daß meist erst im Spätsommer mit den Arbeiten begonnen werden könne und die Arbeiten häufig erst im Dezember eines jeden Jahres beendet seien. Die durch den Einsatz der Geräte erforderlich werdenden Reparaturen könnten daher notgedrungen erst im folgenden Jahre durchgeführt werden. Die Versagung der Rückstellung würde dazu führen, daß die für die Reparatur eingenommenen Beträge weggesteuert würden und die Ausführung der Reparatur infolge Fehlens der erforderlichen Mittel unterbleiben müßte. Bei im allgemeinen gleichbleibenden Gewinnen würde das zwar nicht viel ausmachen, jedoch zeige die Entwicklung seit 1930, daß die Jahresergebnisse der Firma ständig zwischen Gewinn und Verlust wechselten. Die Firma habe daher schon immer derartige Rückstellungen vorgenommen, so daß das Finanzamt nicht ohne Grund von dieser Handhabung abgehen könne. Hinzu komme der Einfluß der Witterungsverhältnisse. Verschiedene Reparaturen könnten nicht bei Frost oder Schneetreiben ausgeführt werden, so daß auch aus diesem Grunde mitunter eine Verzögerung eintrete. Insbesondere sei es aber wegen der späten Beendigung der Arbeiten unmöglich, die Reparaturen noch im alten Jahr durchzuführen, da die Vorbereitung ebenfalls einige Zeit in Anspruch nehme und ein großer Teil der Leute im Dezember seinen Jahresurlaub antrete. Außerdem werde dadurch, daß die Reparaturen in den ersten Monaten des neuen Jahres ausgeführt würden, die Möglichkeit geschaffen, das Stammpersonal das ganze Jahr über zu beschäftigen. Es könne auch nicht verlangt werden, daß die Firma ihr Geschäftsjahr ändere.

Das Finanzamt brachte hiergegen vor, aus den alten Bilanzen ergebe sich nicht, daß früher derartige Rückstellungen gemacht worden seien. Wenn die Firma die aus der Versagung der Rückstellung entstehenden wirtschaftlichen Folgen vermeiden wolle, habe sie die Möglichkeit, ihr Wirtschaftsjahr auf einen anderen Zeitraum umzustellen. Außerdem bestehe die Möglichkeit, wegen Wertminderung höhere Abschreibungen vorzunehmen. Da die Firma von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch gemacht habe, sei anzunehmen, daß sie sich davon keinerlei Vorteile verspreche.

Das Finanzgericht nahm dazu wie folgt Stellung: Eine Rückstellung für die von der Firma selbst im Jahre 1950 durchgeführten Reparaturen sei nicht zulässig. Eine solche Behandlung würde der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs widersprechen, wie der Oberste Finanzgerichtshof in seinem Vorbescheid vom 28. Februar 1948 (Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen 1949/1950 S. 329 ff.) eindeutig dargelegt habe. Danach gründe das Einkommensteuergesetz (EStG) die Bilanz auf die Bewertung einzelner Wirtschaftsgüter, d. h. durch einen Wertansatz müsse entweder ein Wirtschaftsgut dargestellt werden, oder es müsse sich um einen Gegenposten zu dem Ansatz für ein bestimmtes Wirtschaftsgut handeln, so daß der Wert für das betreffende Wirtschaftsgut durch zwei Zahlen, die zu verrechnen seien, zum Ausdruck gebracht werde. Ein solches bewertungsfähiges Wirtschaftsgut sei aber bei der von der Firma erstrebten Rückstellung nicht vorhanden.

Bei den vorgenommenen Reparaturen handele es sich um solche, die Jahr für Jahr wiederkehrten, also um den üblichen Erhaltungsaufwand, der durch den Einsatz der Geräte bedingt sei. Da dieser normale Verschleiß regelmäßig durch die jährliche Reparatur wieder ausgeglichen werde, könne im Endergebnis von einer Verminderung des Teilwerts oder der Gesamtnutzungsdauer nicht gesprochen werden. Vielmehr könne eine tatsächliche, steuerlich zu berücksichtigende Wertminderung erst dann eintreten, wenn aus besonderen Gründen die üblicherweise notwendige Reparatur in dem dafür vorgesehenen Zeitraum unterblieben sei oder wenn in einem Jahr außergewöhnliche, das normale Maß übersteigende Reparaturaufwendungen erforderlich geworden seien.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) macht noch folgendes geltend: Der Einsatz der Geräte sei in jedem Jahre ein vollständig verschiedener und daher sei auch die Höhe der Reparaturen in jedem Jahre vollständig unterschiedlich. So habe z. B. der Spüler A 1950 etwa 2 1/2 Monate gearbeitet, 1951 etwa 6 Monate, 1952 und 1953 habe er dagegen völlig stillgelegen. Der Eimerbagger B habe in den Jahren 1948 bis 1951 gearbeitet. Die Arbeitsdauer schwanke zwischen 2 Wochen und 4 Monaten. 1952 habe der Bagger stillgelegen und 1953 sei er erst im Spätherbst zum Einsatz gekommen. So sei es auch bei anderen Geräten. Die Reparaturen bezögen sich nur auf solche Schäden, die bei den im Einsatz befindlichen Geräten entstanden seien, nicht aber, wie das Finanzgericht erklärt habe, auf die normalen laufenden Instandsetzungen aller Geräte. In der DM-Eröffnungsbilanz sei die Neubewertung der Geräte nach der damaligen Vorschrift gemäß dem Zustand am Stichtag vorgenommen worden, also unter Einkalkulierung der Schäden, so daß keinerlei Veranlassung bestanden habe, in der DM-Eröffnungsbilanz eine Rückstellung zu machen.

Der Weg, die Reparaturen durch Abschreibung auf den Teilwert oder durch Bildung eines besonderen Passivpostens zu berücksichtigen, sei nicht immer gangbar, nämlich dann nicht, wenn ein Bagger älteren Datums schon abgeschrieben sei auf einen Betrag, z. B. auf 50 000 DM und die Reparaturen wegen Beschädigung des Baggers 100 000 DM oder 200 000 DM kosteten.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Es handelt sich um das Rechtsproblem der bilanzmäßigen Behandlung der Kosten für unterlassene Instandhaltung. Mit ihm hat sich die Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshof I 10/47 U vom 28. Februar 1948, Steuerrechtskartei EStG § 4 Rechtsspruch 4, eingehend auseinandergesetzt.

Wie bereits das Finanzgericht dargestellt hat, wird nach dem Einkommensteuerrecht der Aufwand durch den Verzehr bei den aktiven Wirtschaftsgütern und die Entstehung passiver Wirtschaftsgüter festgestellt. Siehe auch Falkenroth, Rechts- und Wirtschaftspraxis 14 Steuer-R D Steuerbilanz Einzelfragen 30b und c (Lieferung 246 und 254). Der Verzehr der Wirtschaftsgüter braucht nicht mit ihrem Teilwert gleichzulaufen. Die Verteilung der Anschaffungskosten mit Hilfe der Absetzungen für Abnutzung wird sich häufig mit dem Teilwert nicht decken. Den Verzehr durch Entstehung einer bilanzierungsfähigen Last hat die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 54/51 S vom 26. Juni 1951, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 211, Slg. Bd. 55 S. 517, im einzelnen dargestellt. Rechnungsabgrenzungsposten können ebenfalls nur dort gebildet werden, so diese Voraussetzungen erfüllt sind, wie dies bei der vorausbezahlten oder nachzuzahlenden Miete der Fall ist. Mit Hilfe von Verrechnungsposten, denen kein Güterverzehr zugrunde liegt, die Jahreserträgnisse auszugleichen, läßt das Einkommensteuerrecht nicht zu, soweit nicht eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung wie beim Gewerbeverlust in § 10a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) getroffen ist. Siehe auch Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 255/53 U vom 28. Januar 1954, Slg. Bd. 58 S. 516, BStBl. III S. 109.

Der Aufwand muß an dem Verzehr gemessen werden, der bei dem Wirtschaftsgut eingetreten ist. Er zeigt sich zunächst in der Minderung der Nutzungsfähigkeit, deren Ausgleich die Abnutzungsabsetzungen dienen. Des weiteren werden Teile des Wirtschaftsguts vorzeitig verbraucht, die durch die Instandhaltungskosten wieder ersetzt werden. Beide Beträge zusammen ergeben den Gesamtaufwand, der mit dem Wirtschaftsgut getätigt worden ist. Entspricht der Ansatz eines Wirtschaftsguts dem Wert (berechnet nach den Anschaffungskosten oder dem Teilwert) unter Berücksichtigung lediglich des durch die Abnutzung eingetretenen Verzehrs, also unter Außerachtlassung der mangelnden Instandhaltung, so bestehen keine Bedenken, den Betrag für die Kosten der Instandhaltung unter den Passiven der Bilanz einzusetzen. Der Aktiv- und der Passivposten in der Gesamtheit tragen dann den tatsächlichen Verhältnissen Rechnung. Anders ist die Lage, wenn auf der Aktivseite der Bilanz das Wirtschaftsgut mit einem unter dem tatsächlichen Wert liegenden Betrag angesetzt worden ist, wenn also in Form von Absetzungen für Abnutzung oder Teilwertabschreibungen in früheren Perioden ein zu hoher Aufwand angesetzt worden ist. Hier mindert das Mehr gegenüber dem tatsächlichen Güterverzehr, das zu Lasten der früheren Wirtschaftsperioden gebucht worden ist, den zulässigen Betrag des Passivpostens für unterlassene Instandhaltung. Die unterlassene Instandhaltung stellt, wie in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 54/51 S vom 26. Juni 1951 ausgeführt worden ist, keine selbständige bilanzierungsfähige Last dar. Der vom Finanzgericht vertretene Standpunkt entspricht im wesentlichen den oben dargestellten Grundsätzen. Die Firma ist in ihrer DM- Eröffnungsbilanz von der gleichen Auffassung ausgegangen. Sie hat die unterlassenen Reparaturen der RM-Zeit weder als rückstellungsfähig noch als passivierungsfähig in Form eines Rechnungsabgrenzungspostens nach § 34 DMBG angesehen. Auch sie sah somit in der unterlassenen Instandhaltung in der DM- Eröffnungsbilanz keine vom Aktivposten des Wirtschaftsguts unabhängige bilanzierungsfähige Last. Der Ansicht des Finanzgerichts kann insoweit nicht beigepflichtet werden, als es zwischen der unterlassenen Instandhaltung für den normalen und den außergewöhnlichen Verschleiß unterschieden hat. Auch für die normale Instandhaltung gelten die oben dargestellten Grundsätze.

Ohne Bedeutung ist es, daß in der Nutzungsentschädigung der Arbeitsgemeinschaft der Ersatz für die Instandhaltungskosten gesondert ausgeworfen worden ist. In jeder Bruttomiete sind Beträge für die Instandhaltung enthalten. Im übrigen könnte das Rechtsproblem nicht verschieden hinsichtlich der betrieblich vermieteten oder eigengenutzten Wirtschaftsgüter entschieden werden.

Der Reichsfinanzhof und der Oberste Finanzgerichtshof haben es aber für vertretbar betrachtet, entgegen den oben dargestellten Grundsätzen dort, wo es sich um unaufschiebbare umfangreiche Erhaltungsarbeiten handelt, eine Rückstellung dann zuzulassen, wenn mit der sofortigen Inangriffnahme der Arbeit gerechnet werden kann und ihre Ausführung sich nur noch kurze Zeit verzögert. Bei strenger Anwendung der einkommensteuerlichen Begriffe wäre auch in diesen Fällen vielfach eine Rückstellung nicht zulässig. Der Senat glaubt jedoch den oben dargestellten Grundsätzen des Reichsfinanzhofs und des Obersten Finanzgerichtshofs folgen zu sollen. Es liegt offen - die Firma hat das eingehend dargestellt -, daß oft überhöhte Abschreibungen auf der Aktivseite angemessenen Rückstellungen für unterlassene Instandhaltung entgegenstehen. Der Reichsfinanzhof und der Oberste Finanzgerichtshof haben es aber allgemein zugelassen, dort, wo es sich um eine geringfügige zeitliche Verschiebung handelt, den Instandhaltungsaufwand dem Wirtschaftsjahr zu belasten, zu dem er wirtschaftlich gehört, also auch dann, wenn der Grundsatz der Bilanzidentität dazu zwingen würde, eine überhöhte Aufwandsberechnung der früheren Wirtschaftsperioden auszugleichen. Der Senat erkennt eine Rückstellung dann noch als zulässig an, wenn die Instandhaltungsarbeiten innerhalb von 3 Monaten nach dem Bilanzstichtag durchgeführt worden sind.

Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Sache zur Nachprüfung unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte an das Finanzamt zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408128

BStBl III 1955, 172

BFHE 1955, 448

BFHE 60, 448

BB 1955, 406

DB 1955, 547

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