Leitsatz (amtlich)

Ein ausschließlich für ein Touristikunternehmen tätiger Fremdenführer, der sich selbständig betätigt, nimmt am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil.

 

Orientierungssatz

Ausführungen mit BFH-Rechtsprechungsnachweisen und RFH-Rechtsprechungsnachweisen zur Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1 S. 1; GewStDV § 1

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war im Streitjahr 1978 Studentin. Sie betätigte sich außerdem als Fremdenführerin. Als solche war sie ausschließlich im Auftrag einer T-GmbH tätig. Sie übernahm aufgrund von Einzelaufträgen die Führung von Reisegruppen. Den Reisegruppen diente sie als Fremdenführerin z.B. bei Stadtrundfahrten. Sie begleitete auch bei Theaterbesuchen oder bei Transfers von Reisegruppen. Die Reisegruppen zahlten jeweils nur an die T-GmbH. Von dieser erhielt die Klägerin ihr Entgelt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte die Einkünfte der Klägerin als solche aus Gewerbebetrieb und erließ am 23.Oktober 1980 einen Gewerbesteuermeßbescheid 1978. Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, nachdem es über Art und Umfang der Tätigkeit der Klägerin Beweis erhoben hatte.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 2 Abs.1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), des § 1 Abs.1 Satz 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) und des § 15 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Es beantragt, das Urteil des FG Hamburg aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Gemäß § 2 Abs.1 Satz 1 GewStG unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird, der Gewerbesteuer. Gemäß § 1 Abs.1 GewStDV ist Gewerbebetrieb i.S. der Vorschrift jede selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit i.S. des Einkommensteuerrechts anzusehen ist. Gemäß § 1 Abs.2 GewStDV ist ein stehender Gewerbebetrieb jeder, der kein Reisegewerbebetrieb i.S. des § 35a Abs.2 GewStG ist.

2. Das FG hat im Streitfall einen Gewerbebetrieb mit der Begründung verneint, die Betätigung der Klägerin im Jahre 1978 sei keine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr gewesen. Diese Auffassung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordert eine Tätigkeit, die gegen Entgelt an den Markt gebracht und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16.Februar 1967 IV R 153/66, BFHE 88, 207, BStBl III 1967, 337; vom 17.Januar 1973 I R 191/72, BFHE 108, 190, BStBl II 1973, 260; vom 26.Oktober 1977 I R 110/76, BFHE 123, 507, BStBl II 1978, 137; vom 3.November 1982 I R 39/80, BFHE 137, 183, BStBl II 1983, 182; vom 10.August 1983 I R 120/80, BFHE 139, 386, BStBl II 1984, 137). Die Funktion des Merkmals wird deutlich, wenn man zwischen der Teilnahme am "wirtschaftlichen Verkehr" und der am "allgemeinen Verkehr" unterscheidet, wobei das Hauptgewicht der Begriffsbestimmung auf der Teilnahme am "allgemeinen Verkehr" liegt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 15.Juli 1942 VI 192/42, RFHE 52, 120, RStBl 1942, 989). Eine Teilnahme am "wirtschaftlichen Verkehr" ist schon dann gegeben, wenn ein Steuerpflichtiger mit Gewinnerzielungsabsicht nachhaltig am Leistungs- oder Güteraustausch teilnimmt. Das Merkmal dient dazu, aus dem Gewerbebetrieb solche Tätigkeiten auszuklammern, die zwar von einer Gewinnerzielungsabsicht getragen werden, aber nicht auf einen Leistungs- oder Güteraustausch gerichtet sind (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 15 EStG, grüne Blätter, B Anm.4). Die Teilnahme am "allgemeinen Verkehr" erfordert dagegen, daß die Tätigkeit des Steuerpflichtigen nach außen hin in Erscheinung tritt und sich an eine --wenn auch begrenzte-- Allgemeinheit wendet. Durch das Hervortreten nach außen unterscheidet sich die gewerbliche Tätigkeit von solchen i.S. des § 2 Abs.1 Nr.5 und 6 EStG. Entscheidend ist deshalb darauf abzustellen, ob für außenstehende Dritte der Wille erkennbar wird, ein Gewerbe zu betreiben. Dagegen ist es nicht erforderlich, daß der Steuerpflichtige seine Leistungen oder Waren einer Mehrzahl von Interessenten anbietet bzw. Angebote derselben annimmt. Auch die Tätigkeit für nur einen bestimmten Vertragspartner kann Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sein (vgl. BFH-Urteil vom 20.Dezember 1963 VI 313/62 U, BFHE 78, 352, BStBl III 1964, 137).

b) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die mit keinen Revisionsrügen angefochten wurden und deshalb den Senat binden (§ 118 Abs.2 FGO), war die Klägerin im Streitjahr als Fremdenführerin tätig. Sie übte insoweit eine Tätigkeit aus, die typischerweise unter den Begriff "Gewerbebetrieb" fällt, sofern sie nicht ausnahmsweise wissenschaftlicher oder unterrichtender Natur i.S. des § 18 Abs.1 Nr.1 EStG ist. Die Klägerin war in nicht unerheblichem Umfang tätig; sie war mit den ihr erteilten Aufträgen voll ausgelastet. Daraus folgt, daß sie die Tätigkeit nachhaltig ausübte. Auch lassen die vom FG festgestellten Einnahmen nur den Schluß zu, daß die Klägerin mit Gewinnerzielungsabsicht handelte. Gegenüber der Allgemeinheit trat ihre Tätigkeit schon deshalb in Erscheinung, weil sie für Reisegruppen, Reiseveranstalter, Busunternehmer und andere Personen sichtbar wurde. Die Klägerin trat damit nach außen hin als eine Person in Erscheinung, die nachhaltig und mit Gewinnerzielungsabsicht die Tätigkeit einer Fremdenführerin ausüben will. Soweit sie dabei auch selbständig tätig geworden sein sollte, reicht dies für die Annahme einer Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr aus. Die Vorentscheidung ist von einer anderen Auslegung des Begriffs "Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr" ausgegangen. Sie verletzt § 2 Abs.1 Satz 1 GewStG und § 1 Abs.1 GewStDV.

3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG hat keine ausreichenden Feststellungen darüber getroffen, ob die Klägerin auch selbständig tätig war. Ihre Tätigkeit nur für einen Auftraggeber, der erhebliche zeitliche Umfang der Tätigkeit und die Art der Entlohnung der Klägerin (Abschlagszahlungen) deuten darauf hin, daß die Einkünfte auch als solche aus nichtselbständiger Arbeit zu beurteilen sein könnten. Das FG wird die zur Beurteilung dieser Frage notwendigen tatsächlichen Feststellungen nachholen müssen. Zu diesem Zweck wird die Vorentscheidung aufgehoben. Die Sache wird zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61197

BStBl II 1986, 851

BFHE 147, 245

BFHE 1987, 245

DB 1986, 2643-2644

HFR 1986, 638-639 (ST)

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