Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung gewerblicher Einkünfte sowie von Bruttoerträgen gegenüber einer ausländischen Domizilgesellschaft - Überlassung einer Geschäftschance als Geldeinlage - Überlassung einer Geschäftschance an Schwestergesellschaft als verdeckte Gewinnausschüttung an Gesellschafter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Den Tatbestand des § 15 Abs.1 Nr.1 und Abs.2 EStG verwirklicht derjenige, der persönlich selbständig, d.h. auf eigene Rechnung und Gefahr gewerblich tätig wird. Insoweit kommt es darauf an, wer das Unternehmerrisiko trägt.

2. Eine ausschließlich im Ausland vollzogene Marktüberlassung zugunsten einer im Ausland ansässigen Domizilgesellschaft schließt deren Erzielung von Bruttoerträgen nicht aus. Sie ist nicht notwendigerweise mißbräuchlich i.S. des § 42 AO 1977.

 

Orientierungssatz

1. Überläßt ein Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft die Chance, aus dem Einkauf und Verkauf von Waren einen Vermögensvorteil zu erzielen, ohne daß die Gesellschaft das Unternehmerrisiko übernimmt, so handelt es sich bei der Vorteilsüberlassung steuerlich um eine Einlage von Geld.

2. Eine Kapitalgesellschaft nimmt eine verdeckte Gewinnausschüttung an ihre Gesellschafter vor, wenn sie einer Schwestergesellschaft die Chance überläßt, einen Vermögensvorteil aus dem Einkauf und Verkauf von Waren zu erzielen. Gegenstand dieser verdeckten Gewinnausschüttung ist die Marktchance. Im Streitfall bleibt offen, ob diese Marktchance ein einlagefähiges Wirtschaftsgut ist.

3. Wer in fremdem Namen tätig ist, aber selbst das Unternehmerrisiko trägt, ist Unternehmer i.S. des § 15 Abs.1 Nr.1 und Abs.2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 1.3.1962 IV 112/59). Allgemein ist aber zu vermuten, daß derjenige, in dessen Namen gehandelt wird, auch das Unternehmerrisiko trägt. Von einer anderweitigen Risikozurechnung kann nur ausgegangen werden, wenn das Handeln für Rechnung eines anderen hinreichend sicher festgestellt wird. Ein geringes Unternehmerrisiko allein rechtfertigt es noch nicht, die im Namen einer Person ausgeübte Tätigkeit steuerlich nicht als für deren Rechnung ausgeübt zu behandeln.

4. Eine von den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen abweichende Zurechnung des Unternehmerrisikos gegenüber einer Domizilgesellschaft (d.h. einer Gesellschaft ohne eigenes Personal, ohne eigene Geschäftsräume und ohne eigene Geschäftsausstattung) ist nur mit Hilfe des § 42 AO 1977 möglich. Die Funktion als Domizilgesellschaft spricht aber indiziell gegen die Übernahme eines Unternehmerrisikos.

 

Normenkette

AO 1977 § 42; AStG § 8; DBA CHE 1971 Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 4 Abs. 1 S. 5; KStG 1977 § 8 Abs. 1, 3 S. 2

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Entscheidung vom 11.10.1994; Aktenzeichen VI 764/92)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine nach schweizerischem Recht gegründete AG, die vor den Streitjahren ihre Geschäftsleitung ins Inland verlegt hatte. Ihr einziger Aktionär war eine inländische Körperschaft des öffentlichen Rechts. In den Streitjahren 1981 bis 1983 war die Klägerin mit 25 v.H. am Grundkapital der A-AG, einer Kapitalgesellschaft schweizerischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung in der Schweiz, beteiligt. Am Grundkapital der A-AG waren im übrigen B und die J-AG in Zürich mit jeweils 37,5 v.H. beteiligt.

Der B und die J-AG waren außerdem zu je 37,5 v.H. an der Ö-GmbH Wien beteiligt. Die restlichen 25 v.H.-Anteile hielt die Muttergesellschaft der Klägerin, eine inländische Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Die A-AG hatte den Import und Export von Waren zur Aufgabe. Sie verfügte über kein eigenes Personal und keine Räume. Aufgrund eines Zusammenarbeitsvertrages vom 12. Juni 1979 wurde die J-AG beauftragt, die Abwicklung der Importgeschäfte für die A-AG zu übernehmen. Die A-AG wurde ausschließlich im Interesse der Ö-GmbH tätig. Die A-AG bestellte gemeinsam mit der J-AG Waren, um zu günstigeren Einkaufsbedingungen zu gelangen. Die so bestellten Waren wurden an die Ö-GmbH geliefert, wobei die A-AG einen Zwischengewinn erzielte. In den Streitjahren schüttete sie Gewinne an ihre Gesellschafter aus. Die Klägerin erhielt dementsprechend Dividenden, und zwar 1981 in Höhe von 315 756 DM, 1982 in Höhe von 276 788 DM und 1983 in Höhe von 437 607 DM.

Für diese Dividenden nahm die Klägerin das Schachtelprivileg gemäß Art.24 Abs.1 Nr.1 b des Abkommens vom 11. August 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen --DBA-Schweiz-- (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. vor Inkrafttreten des Änderungsprotokolls vom 17. Oktober 1989 (BGBl II 1990, 766, BStBl I 1990, 409) in Anspruch.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) bestritt, daß die Voraussetzungen des Schachtelprivilegs erfüllt seien. Im ersten Rechtszug gab das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 4. Juli 1991 der Klage statt. Auf die Revision des FA hob der Bundesfinanzhof (BFH) das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück (vgl. BFH-Urteil vom 1. Juli 1992 I R 6/92, BFHE 169, 138, BStBl II 1993, 222). Er gab dem FG auf zu klären,

(1) für welche Wirtschaftsjahre die A-AG Gewinne ausgeschüttet habe,

(2) ob die A-AG selbst Bruttoerträge erzielt oder die J-AG im Wege der verdeckten Einlage von ihr erzielte Erträge der A-AG zugewandt habe und

(3) damit zusammenhängend, welche wirtschaftlichen Gründe für die Zwischenschaltung der A-AG zwischen der Ö-GmbH und der J-AG bestanden hätten, insbesondere, ob der J-AG unmittelbar das Entgelt zugestanden habe, das die Ö-GmbH an die A-AG entrichtete.

Zu diesen Fragen hat das FG im zweiten Rechtszug folgende Feststellungen getroffen:

Erträge erzielte die A-AG nur aus einer Einkaufstätigkeit, die die J-AG für sie und in ihrem Namen ausübte. Andere Erträge hatte sie nicht. Daraus resultierende Gewinne wurden jeweils vollständig ausgeschüttet.

Wirtschaftlicher Hintergrund der Zwischenschaltung der A-AG waren wirtschaftliche Schwierigkeiten der Ö-GmbH. Deren Gesellschafter, die Muttergesellschaft der Klägerin, die J-AG und der B beschlossen, der Ö-GmbH zur Behebung ihrer wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu günstigeren Einkaufsmöglichkeiten zu verhelfen. Hierzu sollte einerseits die Ö-GmbH an den günstigeren Einkaufsbedingungen der wirtschaftlich erheblich bedeutenderen J-AG partizipieren. Andererseits sollten noch günstigere Einkaufsbedingungen durch die Kombinierung der Einkaufsmacht von Ö-GmbH und J-AG erzielt werden. Für die J-AG ergab sich ein unmittelbarer wirtschaftlicher Vorteil bereits daraus, daß sie für eigene Waren durch die Kombinierung der Einkaufsmacht günstigere Bedingungen erzielte. Die Ö-GmbH hätte zwar ebenfalls zu den gleichen günstigen Einkaufsbedingungen wie die J-AG gelangen können, wenn J-AG und Ö-GmbH in einem Einkaufspool tätig geworden wären. Dies hätte zwar die Verlustsituation bei der Ö-GmbH vermindern und den Wert der Anteile an ihr erhöhen können. Unmittelbar hätten jedoch die Gesellschafter der Ö-GmbH aus der Steigerung des Wertes der Anteile an dieser keinen Vorteil gehabt. Daher sei die A-AG "zwischengeschaltet" worden. J-AG und A-AG bestellten gemeinsam bei den Lieferanten. Die Fakturierungen erfolgten getrennt für J-AG und die A-AG. Die A-AG stellte ihrerseits der Ö-GmbH die Waren zu einem höheren Preis in Rechnung, der ihre Kosten deckte und einen Gewinnaufschlag enthielt. Auf diese Weise entstand bei der A-AG ein Gewinn, der unmittelbar an die Gesellschafter ausgeschüttet werden konnte.

Die für Rechnung der A-AG vorgenommenen Geschäftsvorfälle wurden bei der J-AG in einem besonderen Buchungskreis verbucht. Dabei wurden die Verbindlichkeiten aus den Warenlieferungen als Verbindlichkeiten der A-AG verbucht. Die J-AG stellte für ihre Tätigkeit Kosten in Rechnung. Erlöse wurden durch die Forderungen gegen die Ö-GmbH erzielt.

Das FG gab der Klage auch im zweiten Rechtszug statt.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des Art.24 Abs.1 Nr.1 Buchst.b DBA-Schweiz i.V.m. § 26 Abs.5 des Körperschaftsteuergesetzes, §§ 2, 4, Abs.1, 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 5 Abs.1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes, § 8 Abs.1 Nr.4 und 5 des Außensteuergesetzes, §§ 41 und 42 der Abgabenordnung (AO 1977).

Es beantragt, das Urteil des Niedersächsischen FG vom 11. Oktober 1994 VI 764/92 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf sein im ersten Rechtszug ergangenes Urteil in BFHE 169, 138, BStBl II 1993, 222 Bezug.

2. Das FG ist auf Grund der Darlegungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, die durch den anwesenden Außenprüfer bestätigt wurden, zu der Überzeugung gelangt, daß die A-AG durch die Tätigkeit der J-AG eigene Einkünfte erzielte. Dazu hat es auf den wirtschaftlichen Hintergrund des Zusammenarbeitsvertrages vom 10. April/12. Juni 1979, auf die fehlende Notwendigkeit, für die A-AG einen eigenen Geschäftsbetrieb zu unterhalten, sowie auf das Fehlen eines einlagefähigen Wirtschaftsgutes abgestellt. Diese Überlegungen des FG liegen überwiegend auf tatsächlichem Gebiet und binden deshalb den erkennenden Senat (§ 118 Abs.2 FGO). Sie decken die Vorentscheidung in einer revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Weise.

3. Für die Entscheidung über die Revision kommt es in erster Linie darauf an, ob der A-AG der Ein- und Verkauf von Waren im Interesse der Ö-GmbH, wie er in den Jahren 1980 bis 1982 von der J-AG im Namen der A-AG getätigt wurde, steuerlich als eigene unternehmerische Betätigung zuzurechnen ist. Dabei ist zu unterscheiden, ob der A-AG die Chance, einen Vermögensvorteil aus dem Ein- und Verkauf von Waren zu erzielen, von der J-AG oder der Ö-GmbH eingeräumt wurde. Unterstellt man zunächst, daß die A-AG in bezug auf den Ein- und Verkauf von Waren kein Unternehmerrisiko übernahm und daß ihr die Chance, einen Vermögensvorteil aus dem Ein- und Verkauf von Waren zu erzielen, von der J-AG überlassen wurde, dann würde sich die Vorteilsüberlassung --wie im einzelnen noch darzulegen sein wird-- steuerlich als die Einlage von Geld durch die J-AG in das Vermögen der A-AG darstellen. Die A-AG würde dann das eingelegte Geld an ihre Gesellschafter mit der Folge ausgeschüttet haben, daß sie keine eigenen Bruttoerträge erzielte. Sollte dagegen der A-AG die Chance, einen Vermögensvorteil aus dem Ein- und Verkauf von Waren zu erzielen, von der Ö-GmbH überlassen worden sein, dann wäre eine verdeckte Gewinnausschüttung der Ö-GmbH an ihre Gesellschafter anzunehmen. Gegenstand der verdeckten Gewinnausschüttung wäre jedoch nur die Marktchance, Gewinn aus dem Ein- und Verkauf von Waren zu erzielen. Ob diese Marktchance ein einlagefähiges Wirtschaftsgut ist, bedarf letztlich keiner Entscheidung. Bejaht man eine entsprechende Sacheinlage, dann würde sie sich durch die Einkaufstätigkeit der A-AG abnutzen, was die Annahme eigenständiger Bruttoerträge der A-AG nicht ausschließen würde. Verneint man sie, so wären nach den vom Großen Senat des BFH im Beschluß vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86 (BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348) entwickelten Grundsätzen der A-AG die Erträge aus dem Ein- und Verkauf der Waren steuerlich mit der Folge zuzurechnen, daß sie ebenfalls eigene Bruttoerträge aus aktiven Tätigkeiten erzielt hätte. Bejaht man dagegen eine eigenständige unternehmerische Tätigkeit der A-AG, so würden die Bruttoerträge der A-AG aus dieser stammen. Dies würde es ausschließen, den von der A-AG erzielten Vermögensvorteil gleichzeitig als eine Einlage der J-AG oder als verdeckte Gewinnausschüttung der Ö-GmbH zu erklären.

4. Bei der Beurteilung der Frage, ob die A-AG in bezug auf den Wareneinkauf und Warenverkauf eine eigenständige unternehmerische Tätigkeit ausübte, war das FG an die vom erkennenden Senat im ersten Rechtszug im Urteil in BFHE 169, 138, BStBl II 1993, 222 vertretene Rechtsauffassung gebunden (§ 126 Abs.5 FGO), daß die Zurechnung nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen zu beurteilen ist. Den Tatbestand des § 15 Abs.1 Nr.1 und Abs.2 EStG verwirklicht derjenige, der persönlich selbständig, d.h. auf eigene Rechnung und Gefahr gewerblich tätig ist (vgl. BFH-Urteil vom 13. Februar 1980 I R 17/78, BFHE 129, 565, BStBl II 1980, 303). Insoweit kommt es darauf an, wer das Unternehmerrisiko trägt. Dies muß nicht notwendigerweise derjenige sein, der die Tätigkeit persönlich ausübt. Wer in fremdem Namen tätig ist, aber selbst das Unternehmerrisiko trägt, ist Unternehmer i.S. des § 15 Abs.1 Nr.1 und Abs.2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 1. März 1962 IV 112/59, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 15, Rechtsspruch 322). So gesehen kommt es nicht darauf an, ob die hier interessierende Wareneinkaufstätigkeit und Warenverkaufstätigkeit im Namen der A-AG ausgeübt wurde. Letztlich entscheidend ist, ob sie für deren Rechnung ausgeübt wurde. Dies ist nur der Fall, wenn die A-AG das diesbezügliche Unternehmerrisiko trug.

5. Was die Beurteilung der Übernahme des Unternehmerrisikos durch die A-AG anbelangt, sind die Besonderheiten zu beachten, die der Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht aufweist.

a) Zum einen war die A-AG eine sog. Domizilgesellschaft, d.h. eine Gesellschaft ohne eigenes Personal, ohne eigene Geschäftsräume und ohne eigene Geschäftsausstattung. Zwar schließt dies die Zurechnung des Unternehmerrisikos gegenüber der A-AG nicht aus. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zu sog. Oasengesellschaften belegt, daß eine von den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen abweichende Zurechnung nur mit Hilfe des § 42 AO 1977 möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1992 VIII R 7/88, BFHE 167, 273, BStBl II 1993, 84). Jedoch ist es unter Fremden unüblich, einen Vertrag mit einer Gesellschaft abzuschließen, die einerseits nur Domizilgesellschaft ist und andererseits auf Grund ihrer fehlenden Geschäftsausstattung die vertraglich zu versprechende Leistung gar nicht erbringen kann. Daran ändert auch das im modernen Wirtschaftsleben geübte "outsourcing" von Unternehmen nichts. Ein solches "outsourcing" wird nicht im Verhältnis zu Domizilgesellschaften betrieben. Die Funktion der A-AG als einer Domizilgesellschaft spricht deshalb indiziell gegen die Übernahme eines Unternehmerrisikos durch die A-AG.

b) Der wirtschaftliche Hintergrund des Zusammenarbeitsvertrages vom 10. April/12. Juni 1979 spricht dagegen nicht zwingend gegen die vom FG angenommene Übernahme eines Unternehmerrisikos durch die A-AG. Dazu ist davon auszugehen, daß das FG in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt hat, ob die Chance, einen zentralen Wareneinkauf zu organisieren und dadurch verbilligte Einkaufspreise zu erzielen, ursprünglich eine solche der J-AG oder der Ö-GmbH war oder ob sie erst durch das Zusammenwirken der J-AG und der Ö-GmbH zustande kam. Zwar war auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG die J-AG die Person, die über das notwendige Know-how, die Beziehungen auf den Weltmärkten und die für die Bewältigung des Ein- und Verkaufs notwendige Personalausstattung verfügte. Dies schließt jedoch nicht aus, daß der eigentliche Gewinn erst mit Hilfe des Zusammenwirkens beider Gesellschaften erzielt werden konnte. Selbst wenn man jedoch unterstellt, daß die Geschäftschance, Gewinne durch einen zentralen Wareneinkauf und Warenverkauf zu erzielen, eine solche der J-AG war, so würde sich daraus ein Anhaltspunkt für eine Gewinnverlagerung durch die J-AG auf die A-AG bzw. Ö-GmbH nur dann ergeben, wenn die J-AG im Verhältnis zu den beiden anderen Gesellschaftern der A-AG bzw. der Ö-GmbH nahestehende Person wäre. Diesbezügliche Feststellungen hat das FG nicht getroffen. Der Sachverhalt gibt dafür auch keine Anhaltspunkte. War aber die J-AG im Verhältnis zu den Gesellschaftern der A-AG und der Ö-GmbH ein fremder Dritter, so ist kein Gesichtspunkt dafür zu erkennen, weshalb sie ihren Mitgesellschaftern bei der A-AG bzw. bei der Ö-GmbH einen Vermögensvorteil hätte zuwenden wollen. Es liegt nahe, daß die J-AG in dem Wareneinkauf und Warenverkauf für die Ö-GmbH ein unternehmerisches Risiko sah, das sie nicht alleine tragen und auf die A-AG übertragen wollte. Insoweit bestätigt der wirtschaftliche Hintergrund des Zusammenarbeitsvertrages vom 10. April/12. Juni 1979 indiziell die Beurteilung des FG, daß ein Unternehmerrisiko auf die A-AG überging.

c) Unterstellt man in tatsächlicher Hinsicht, daß die Ö-GmbH die Geschäftschance besaß, Waren verbilligt einzukaufen, so hätte sie nur diese Geschäftschance und kein Wirtschaftsgut "Geld" der A-AG überlassen. Steuerlich würde sich in dieser Sachverhaltsalternative zwar eine verdeckte Gewinnausschüttung der Ö-GmbH an ihre Gesellschafter ergeben. Die Weiterleitung der Geschäftschance durch die Gesellschafter an die A-AG könnte jedoch alternativ nur als Nutzungs- oder als Sacheinlage beurteilt werden. Beide Alternativen schließen die Annahme eigener Bruttoerträge der A-AG nicht aus.

d) Geht man in tatsächlicher Hinsicht davon aus, daß die Geschäftschance, Gewinne durch den Ein- und Verkauf von Waren, erst durch das Zusammenwirken der J-AG und der Ö-GmbH entstand, so gilt im Grundsatz nichts anderes. Dann könnten es sogar die widerstreitenden Interessen der J-AG und der Ö-GmbH nahegelegt haben, den Wareneinkauf und Warenverkauf auf die A-AG zu übertragen.

e) Bei der Abwägung aller Indizien, die für und gegen die Übernahme eines Unternehmerrisikos durch die A-AG sprechen, kann der allgemeine Vermutungssatz nicht unberücksichtigt bleiben, daß derjenige, in dessen Namen gehandelt wird, auch das diesbezügliche Risiko trägt. Jedenfalls kann nur dann von einer anderweitigen Risikozurechnung ausgegangen werden, wenn das Handeln für Rechnung eines anderen hinreichend sicher festgestellt wird. Zwar mag in diesem Zusammenhang das Unternehmerrisiko bewertet werden können. Auch mag es für die A-AG objektiv nicht sehr groß gewesen sein. Jedoch müssen auch risikoarme unternehmerische Tätigkeiten steuerlich zugerechnet werden. Es rechtfertigt deshalb das geringe Unternehmerrisiko allein noch nicht, die im Namen einer Person ausgeübte Tätigkeit steuerlich als nicht für deren Rechnung ausgeübt zu behandeln. Bei der Abwägung des Für und Wider der Übernahme eines Unternehmerrisikos durch die A-AG können auch die Grundsätze des Fremdvergleichs herangezogen werden. Nach diesen Grundsätzen ist es schwer verständlich, daß die J-AG ihre Marktchancen nicht selbst genutzt, sondern sie der A-AG zur Nutzung überlassen haben sollte. Dieser Vorgang könnte deshalb nur dann als Einlage der J-AG in das Vermögen der A-AG gewertet werden, wenn ein vernünftiger Grund dafür erkennbar wäre, daß die J-AG ihren Mitgesellschaftern bei der A-AG einen Vermögensvorteil zuwenden wollte. Ein solcher Grund ist jedoch vom FA nicht dargetan und auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG auch nicht erkennbar. Deshalb spricht die tatsächliche Überlassung der Marktchance eher dafür, daß sie von der Ö-GmbH überlassen wurde. Deren Gesellschafter hatten ein naheliegendes Interesse daran, den erwarteten Gewinn nicht innerhalb der Ö-GmbH, sondern über eine Schwestergesellschaft zu erzielen, an der sie wiederum zumindest mittelbar beteiligt waren. Kann aber die Realisierung dieser Absicht steuerlich nicht als Einlage gewertet werden, so besteht kein Grund, Bruttoerträge zu verneinen, die die A-AG originär erzielte.

6. Revisionsrechtlich ist die Vorentscheidung auch insoweit nicht zu beanstanden, als die Anwendung des § 42 AO 1977 verneint wurde. Das FG hat insoweit auf die Zwischenschaltung der A-AG in die Geschäftsbeziehungen zwischen der J-AG und der Ö-GmbH abgestellt und diese für nicht mißbräuchlich erklärt. Richtigerweise besteht jedoch keine entsprechende Zwischenschaltung, sondern eine Art "Marktüberlassung" durch die J-AG oder die Ö-GmbH gegenüber der A-AG. Die A-AG wurde unmittelbar in die Wareneinkaufsbeziehungen der Ö-GmbH gegenüber den Warenverkäufern eingeschaltet. Die Zwischenschaltung hatte den Grund, den erwarteten Gewinn nicht in voller Höhe bei der Ö-GmbH anfallen zu lassen. Dies erfüllt zwar den Tatbestand einer verdeckten Gewinnausschüttung der Ö-GmbH an ihre Gesellschafter. Deshalb ist die Gestaltung jedoch nicht mißbräuchlich. Vor allem kann es nicht dem Rechtsgedanken des § 42 AO 1977 entsprechen, die Vorschrift zu dem alleinigen Ziel anzuwenden, die vom BFH in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 entwickelten Rechtsgrundsätze auszuhebeln. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Gedanken eines Zusammenwirkens zwischen der A-AG und der Ö-GmbH. Für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung ist es gleichgültig, ob der Vorteil dem Gesellschafter oder einer dem Gesellschafter nahestehenden Person zugewendet wird. Das "Zusammenwirken" erschöpft sich jedoch auf Seiten der A-AG in der Nutzung der überlassenen Marktchance. Darin liegt für sich kein Mißbrauch, der steuerrechtlich über die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung hinaus zu beurteilen wäre.

7. Die Vorentscheidung entspricht deshalb der materiellen Rechtslage. Sie verletzt kein Bundesrecht. Deshalb war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65766

BFH/NV 1996, 247

BStBl II 1997, 118

BFHE 180, 35

BFHE 1997, 35

BB 1996, 1419

BB 1996, 1419-1421 (Leitsatz und Gründe)

DB 1996, 1450 (Leitsatz)

DStR 1996, 1038-1039 (Kurzwiedergabe)

DStZ 1996, 566-567 (Kurzwiedergabe)

HFR 1996, 817-819 (Leitsatz)

StE 1996, 437 (Kurzwiedergabe)

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