3.1 Bedeutung

 

Rz. 17

Bei der Betriebsveräußerung muss der Betrieb veräußert, bei der Betriebsaufgabe aufgegeben werden. Die Veräußerung oder Aufgabe muss aber nicht alle Wirtschaftsgüter des Betriebs erfassen, sondern nur die wesentlichen Betriebsgrundlagen.[1]

 

Rz. 18

Zur Beurteilung, was wesentliche Betriebsgrundlagen sind, gibt es 2 Betrachtungsweisen:[2]

  • Funktionale Betrachtungsweise: Wirtschaftsgüter, die zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind und ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für die Betriebsführung haben.
  • Quantitative Betrachtungsweise: Wirtschaftsgüter, die erhebliche stille Reserven enthalten.[3]
 

Rz. 19

Der Begriff "wesentliche Betriebsgrundlage" ist normspezifisch unterschiedlich entsprechend dem jeweiligen Gesetzeszweck auszulegen.[4] Zweck der §§ 16, 34 EStG ist es, eine "zusammengeballte" Realisierung der über die Zeit entstandenen, gesammelten stillen Reserven nicht dem progressiven Einkommensteuertarif zu unterwerfen (vgl. Rz. 1 ff.).

 

Rz. 20

Zu den wesentlichen Grundlagen eines Betriebs gehören im Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe in der Regel auch solche Wirtschaftsgüter, die funktional gesehen für den Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil nicht erforderlich sind, in denen aber erhebliche stille Reserven gebunden sind. Daher können im Rahmen des § 16 EStG auch funktional unbedeutende Wirtschaftsgüter wegen des Umfangs ihrer stillen Reserven, als wesentliche Betriebsgrundlagen anzusehen sein.[5] Es kann dann die quantitative Betrachtungsweise in den Vordergrund treten.[6]

 

Rz. 21

Trifft sowohl die funktionale als auch die quantitative Betrachtungsweise zu, handelt es sich erst recht um wesentliche Betriebsgrundlagen i. S. v. § 16 EStG. Aber auch wenn es sich um Wirtschaftsgüter handelt, die lediglich funktional für den Betrieb wesentlich sind, kann es sich um wesentliche Betriebsgrundlagen i. S. v. § 16 EStG handeln, beide Betrachtungsweisen stehen alternativ nebeneinander.[7]

 

Rz. 22

Es ist daher auf das einzelne Wirtschaftsgut abzustellen, ob es so wichtig für den Betrieb ist, dass es auf die Menge der in ihm ruhenden Reserven nicht ankommt, oder ob die stillen Reserven in ihm in vielen Geschäftsjahren entstanden sind, sodass es erforderlich ist, diese mengenmäßig steuerlich so zu erfassen, als würden sie nicht in einem, sondern in mehreren Wirtschaftsjahren aufgedeckt.

[1] Geissler, in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG KStG Kommentar, § 16 EStG Rz. 127, Stand: 8/2019.
[4] Schmidt/Wacker, EStG, § 16 EStG Rz. 100.
[6] Geissler, in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG KStG Kommentar, § 16 EStG Rz. 121 m. w. N., Stand: 8/2019.

3.2 Grundstücke, Gebäude, Betriebsvorrichtungen

 

Rz. 23

In Grundstücken und Gebäuden sind regelmäßig erhebliche stille Reserven enthalten. Schon deshalb gehören sie regelmäßig zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen. Das ist insbesondere der Fall bei einem Produktionsunternehmen. Bei diesem rechnen auch die Betriebsvorrichtungen zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen.[1]

 
Praxis-Beispiel

Bei einem Produktionsunternehmen sind die für die Produktion bestimmten und hierauf abgestimmten Betriebsgrundstücke und Maschinen von der Funktion her notwendig und damit wesentliche Betriebsgrundlagen.

 

Rz. 24

Es kann sich jedoch aus der tatsächlichen Nutzung ergeben, dass ein Grundstück nicht wesentliche Betriebsgrundlage ist.

 
Praxis-Beispiel

U betrieb ein Baugeschäft auf einem eigenen Grundstück in X, auf dem sich Gebäude befinden, die als Lager, Werkstatt und Garage dem Baugeschäft dienten. Am 1.1.01 verlegte U das Baugeschäft nach Y und mietete dort entsprechende Grundstücke und Räumlichkeiten an. Zur gleichen Zeit vermietete er das Grundstück in X an das Unternehmen M. U behandelte das Grundstück in X weiterhin als Betriebsvermögen. Am 10.3.05 verkaufte er seinen Betrieb an K. Dieser trat auch in die Miet- und die Versicherungsverträge über die Grundstücke in Y ein.

Bis zum 31.12.00 waren Grundstück und Gebäude in X notwendiges Betriebsvermögen. Nach der Verlegung des Betriebs nach Y wurden sie nicht mehr betrieblich genutzt, waren damit also nicht mehr notwendiges Betriebsvermögen. Solange sie aber weiterhin in der Bilanz als Betriebsvermögen ausgewiesen wurden und objektive Merkmale fehlten, die darauf schließen ließen, dass eine spätere Verwendung zu betrieblichen Zwecken ausgeschlossen erschien, blieben Grundstück und Gebäude in X Betriebsvermögen, und zwar gewillkürtes Betriebsvermögen.

Aus der Tatsache, dass Grundstück und Gebäude in X nach der Betriebsverlegung nach Y nicht mehr betrieblich genutzt wurden, ihre betriebliche Funktion seitdem von den in Y gemieteten Grundstücken und Gebäuden ausgeübt wurde, ergibt sich, dass Grundstück und Gebäude in X nicht wesentliche Betriebsgrundlage waren.

Ab dem Verkauf des Baugeschäfts an K war die weitere betriebli...

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