Kommentar

Wird die Lese- und Rechtschreibstörung eines Kindes medizinisch behandelt, können die Eltern die hierbei entstehenden Kosten häufig als außergewöhnliche Belastungen abziehen. Eine Verfügung des Bayerischen Landesamtes für Steuern zeigt, welche Hürden für den steuerlichen Abzug genommen werden müssen.

Das Bayerische Landesamt für Steuern (LfSt) hat mit Verfügung vom 10.10.2016 dargestellt, unter welchen Voraussetzungen die Kosten für die Behandlung einer Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie), einer isolierten Lesestörung oder einer isolierten Rechtschreibstörung als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) abgezogen werden können.

Medizinische Notwendigkeit muss nachgewiesen werden

Einfacher Nachweis

Ein steuerlicher Abzug der Kosten setzt voraus, dass der Steuerbürger dem Finanzamt die medizinische Notwendigkeit (= Indikation) der Behandlung nachweisen kann – hierfür genügt in der Regel eine entsprechende Bestätigung des Arztes.

Hinweis: Nach der Verfügung des LfSt reicht es nicht aus, wenn in der Bescheinigung lediglich das Vorliegen der Krankheit (= Diagnose) bestätigt wird und kein Hinweis darauf enthalten ist, dass die gewählte Behandlungsmethode auch tatsächlich medizinisch notwendig (indiziert) ist.

Qualifizierter Nachweis

Höher liegen die steuerlichen Nachweiserfordernisse, wenn die Kosten im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung, einer auswärtigen Unterbringung oder einer wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlung entstehen. In diesen sog. Katalogfällen des § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStDV erkennt das Finanzamt die Behandlungskosten nur als außergewöhnliche Belastungen an, wenn ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vorgelegt wird (sog. qualifizierter Nachweis).

Hinweis: Dieser Nachweise muss vor dem Beginn der Heilmaßnahme ausgestellt worden sein, damit er steuerlich anerkannt wird (§ 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStDV).

Für die genannten 3 Behandlungsarten des qualifizierten Nachweises gibt das LfSt folgende Detailinformationen:

  • Psychotherapeutische Behandlung: Eine Psychotherapie ist jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist. Eine psychotherapeutische Behandlung kann nur von einem Psychotherapeuten durchgeführt werden.
  • Auswärtige Unterbringung: Ein solcher Fall ist gegeben, wenn die Lese-/Rechtschreibstörung des Kindes im Rahmen einer auswärtigen Unterbringung – z. B. in einem Internat – behandelt wird.
  • Wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode: Ob eine solche Behandlungsmethode vorliegt, kann durch allgemein zugängliche Fachgutachten bestimmt werden. Zur Einordnung der Behandlungsmethoden bei Kindern verweist das LfSt auf die S-3 Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Lese- und/oder Rechtschreibstörung. Hiernach sind wissenschaftlich nicht anerkannt: Alternativmedizinische Methoden (Homöopathie, Akupressur, Osteopathie und Kinesiologie), Nahrungsergänzungsmittel, motorische Übungen zur Beseitigung eines persistierenden asymmetrisch tonischen Nackenreflexes, visuelle Biofeedbacks, medikamentöse Behandlungen durch Piracetam, monokulare Okklusion, Irlen-Linsen oder vergleichbare Farbfolien, Prismenbrillen, Interventionen zur auditiven, visuellen oder audiovisuellen Wahrnehmung und Verarbeitung, sowie Interventionen zur neuropsychologischen Hemisphärenstimulation.

Lese-/Rechtschreibstörung muss auf Krankheit beruhen

Weitere allgemeine Voraussetzung für den Abzug von Behandlungskosten als außergewöhnliche Belastungen ist, dass die Lese-/Rechtschreibstörung auf einer Krankheit beruht. Dies ist nicht der Fall, wenn die Störung allein auf das Entwicklungsalter des Kindes, eine unterdurchschnittliche Intelligenz, eine unangemessene Unterrichtung oder einen Mangel an Lerngelegenheiten zurückzuführen ist – in diesen Fällen kommt also kein Abzug als außergewöhnliche Belastung in Betracht.

Fazit

Die Verfügung des LfSt zeigt, dass für den steuerlichen Abzug der Behandlungskosten von zentraler Bedeutung ist, dass der Steuerbürger den zutreffenden (einfachen oder qualifizierten) Nachweis erbracht hat. Wird der Lese-/Rechtschreibschwäche im Wege einer psychotherapeutischen Behandlung, einer auswärtigen Unterbringung oder im Rahmen von wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden begegnet, muss darauf geachtet werden, dass der Nachweis vor dem Beginn der Behandlung ausgestellt wird. Praktische Schwierigkeiten dürften sich bei der Prüfung der Frage ergeben, ob die Lese-/Rechtschreibstörung tatsächlich auf einer Krankheit beruht.

 

Link zur Verwaltungsanweisung

Bayerisches Landesamt für Steuern, Verfügung v. 10.10.2016, S 2284.1.1-18/1 St 32

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