Ihren Ausgangspunkt hat die BFH-Rechtsprechung zur Nachholung unterlassener AfA im Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs.[1] Dieser besagt, dass die Werte in einer Schlussbilanz gleichzeitig die Werte der anschließenden Eröffnungsbilanz sind. Unter- oder Überbewertungen in einer Schlussbilanz führen grundsätzlich nur zu Gewinnverlagerungen innerhalb verschiedener Wirtschaftsjahre. Der Restbuchwert des Wirtschaftsguts, der infolge unterlassener AfA in einem vorausgegangenen Jahr noch vorhanden ist, wird dennoch aus der Schlussbilanz des Vorjahrs übernommen.

Die "Nachholung der AfA" hat der BFH[2] allerdings untersagt, wenn ein Wirtschaftsgut des notwendigen Betriebsvermögens bislang nicht bilanziert war. Mangels Bilanzierung gibt es hier keinen "Bilanzenzusammenhang". Bisher unterlassene AfA kann danach jedenfalls dann nicht nachgeholt werden, wenn ein Wirtschaftsgut des notwendigen Betriebsvermögens erstmals bilanziert wird.

Steuerlich ist daher keine Nachholung der AfA möglich, wenn ein Unternehmer ein Wirtschaftsgut des notwendigen Betriebsvermögens, z. B. den betrieblich genutzten Pkw versehentlich jahrelang überhaupt nicht als Anlagevermögen ausgewiesen und dementsprechend auch keine AfA dafür vorgenommen hat. In diesem Fall darf der Steuerpflichtige nicht einfach, wenn er den Fehler bemerkt, die früheren Anschaffungskosten als Einlagewert buchen und auf die Restnutzungsdauer verteilen. Auf diese Weise hätte er die AfA nachgeholt. Vielmehr muss die Einbuchung des Wirtschaftsguts mit dem Wert erfolgen, der sich bei von Anfang an korrekter steuerlicher Aktivierung und Abschreibung ergeben hätte.

Die nachträgliche Aufnahme eines bislang nicht aktivierten Wirtschaftsguts des notwendigen Betriebsvermögens in die Bilanz stellt keine Einlage i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 EStG i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG, sondern eine fehlerberichtigende Einbuchung dar. Das Wirtschaftsgut war auch ohne Aktivierung in der Bilanz Teil des Betriebsvermögens und kein Privatvermögen. Ein Ansatz mit dem Teilwert – wie bei Einlagen – scheidet deshalb aus. Es kommt somit nicht zu einer Nachholung, sondern zu einem endgültigen Verlust der auf die Jahre vor der berichtigenden Einbuchung entfallenden AfA-Beträge.[3]

 
Praxis-Beispiel

Abschreibung bei nachträglicher Bilanzierung

Einzelgewerbetreibender A hat ein im Jahr 01 angeschafftes und seither eigenbetrieblich genutztes Lagergebäude bisher nicht bilanziert. Die Veranlagungen der Jahre 01 bis 06 sind bestandskräftig und nach den Vorschriften der AO nicht mehr änderbar. Das Gebäude muss in die Bilanz zum 31.12.07 mit dem Wert eingestellt werden, mit dem es bei von Anfang an richtiger Bilanzierung zu Buche stehen würde. Das erfordert für die Ermittlung des Einbuchungswerts eine "Schattenrechnung", d. h. die Absetzung der bisher unberücksichtigt gebliebenen AfA-Beträge von den Gebäude-Anschaffungskosten. Die AfA für die Jahre 01 bis 06, die bisher nicht geltend gemacht wurde, ist dadurch steuerlich verloren.

Die Grundsätze dieser BFH-Rechtsprechung zum partiellen Verlust der AfA bei Nichtbilanzierung gelten auch bei der Einnahmenüberschussrechnung. Grund dafür ist wie erwähnt das Prinzip der Totalgewinngleichheit bei beiden Gewinnermittlungsarten. Eine "Nachholung" von AfA, die bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wegen der fehlenden Bilanzierung nicht möglich ist, ist auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu versagen. Damit der Steuerpflichtige, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt und irrtümlich keine AfA für ein Wirtschaftsgut des notwendigen Betriebsvermögens angesetzt hat, die Möglichkeit hat, die unterlassene AfA "nachzuholen", muss das Wirtschaftsgut als Betriebsvermögen "erfasst" sein. Eine solche "Erfassung" erfolgt bei der Einnahmenüberschussrechnung durch die Aufnahme des Wirtschaftsguts in das Anlagenverzeichnis i. S. d. § 4 Abs. 3 Satz 5 EStG. Fehlt es daran, darf die versäumte AfA auf ein zunächst nicht als Betriebsvermögen erfasstes Wirtschaftsgut auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht nachgeholt werden.[4]

 
Praxis-Beispiel

Unterlassene Erfassung als Betriebsvermögen bei Einnahmenüberschussrechnung

Ein freiberuflich tätiger Steuerpflichtiger ermittelt seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Er übt seine Praxis in einer ihm gehörenden Eigentumswohnung aus, die er Anfang 01 für 300.000 EUR erworben hat (Anteil Grund und Boden: 20 %). A hat die Eigentumswohnung rechtsirrtümlich als Privatvermögen behandelt. Die AfA nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG von 3 % von 240.000 EUR = 7.200 EUR für die zum notwendigen Betriebsvermögen gehörende Eigentumswohnung wurde in den Jahren 01 bis 04 nicht als Betriebsausgabe geltend gemacht. Die Eigentumswohnung wurde auch nicht in das Anlageverzeichnis nach § 4 Abs. 3 Satz 5 EStG aufgenommen. Die Veranlagungen 01 bis 04 sind bestandskräftig und nach den Vorschriften der AO nicht mehr änderbar. Anfang 05 verlegt A seine Praxis in gemietete Räume und ...

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