Rn 57

Die Schadensersatzklage nach § 826 BGB ist gegen jeden rechtskräftigen Titel und damit auch beim Vollstreckungsbescheid grds möglich (BGH NJW 05, 2991 [BGH 29.06.2005 - VIII ZR 299/04]). Da der auf den Mahnbescheid ergehende Vollstreckungsbescheid aufgrund des einseitigen Vortrags einer Partei und ohne eine Schlüssigkeitsprüfung erlassen wird (§ 699 I), hat man dem Vollstreckungsbescheid tw nur eine verminderte Rechtskraftwirkung zugestanden, da das bloße Schweigen des Schuldners ohne jede gerichtliche Prüfung nicht zu einer rechtskräftigen Feststellung gleicher Intensität wie beim streitigen Urt führen könne (Vollkommer NJW 91, 31 [BGH 03.07.1990 - XI ZR 302/89]; Stuttg NJW 85, 2272 [OLG Stuttgart 25.03.1985 - 6 W 14/85]). Teilweise hat man dem Vollstreckungsbescheid die Rechtskraftwirkung sogar vollständig abgesprochen (Köln NJW 86, 1350), was angesichts der Gleichstellung des Vollstreckungsbescheides mit dem Versäumnisurteil in § 700 I nicht überzeugt. Der BGH hat sich dieser Auffassung richtigerweise nicht angeschlossen, sondern dem Vollstreckungsbescheid stets volle materielle Rechtskraft beigemessen (BGHZ 101, 380, 382 = NJW 87, 3256; zust Prütting/Weth Rz 29 ff). Wegen der Besonderheiten des Verfahrens ist aber die Klage aus § 826 BGB unter erleichterten Voraussetzungen möglich. Wegen der fehlenden rechtlichen Überprüfung des Vorbringens des Antragsgegners auf Schlüssigkeit im Mahnverfahren reicht es aus, wenn der Vollstreckungsbescheid nach Auffassung des jetzt entscheidenden Gerichts aufgrund eines Rechtsfehlers materiell unrichtig ist (BGHZ 101, 380, 384 = NJW 87, 3256). Grds ist beim Vollstreckungsbescheid eine Sittenwidrigkeit dann zu bejahen, wenn der Gläubiger auf den Schuldner Druck ausgeübt hat, dass dieser keinen Widerspruch oder Einspruch einlegt oder diesen zurücknimmt, so dass eine gerichtliche Überprüfung der materiellen Rechtslage verhindert worden ist (Grunsky ZIP 86, 1361, 1373 f; Geißler NJW 87, 166, 171). Darüber hinaus können sich die eine Sittenwidrigkeit begründenden besonderen Umstände aber bereits aus der Wahl der Verfahrensart ergeben, etwa dann, wenn ein Gläubiger das Mahnverfahren wählt, obwohl er erkennen kann, dass bereits eine gerichtliche Schlüssigkeitsprüfung zur Ablehnung seines Klagebegehrens führen müsste (BGH NJW 93, 3204, 3205). Dies gilt allerdings nur, soweit es sich bei dem Schuldner nicht um eine geschäftserfahrene Person handelt (BGH ZIP 98, 1731, 1732). Entscheidend ist, ob die die Besonderheiten des Mahnverfahrens dazu geführt haben, dass der Gläubiger für einen materiell nicht gerechtfertigten Anspruch einen rechtskräftigen Vollstreckungstitel erwirken konnte. Dies ist bspw dann nicht der Fall, wenn der Kl einen gegen ihn erlassenen Vollstreckungsbescheid trotz anwaltlicher Beratung und Unterstützung hat rechtskräftig werden lassen (BGH NJW 87, 3259, 3260 [BGH 24.09.1987 - III ZR 264/86]).

 

Rn 58

Praktisch besonders relevant wurde die Klage aus § 826 BGB Mitte der achtziger Jahre, in zahlreichen Fällen in denen gegen Ratenkreditnehmer im Mahnverfahren ohne materiell-rechtliche Prüfung erlassene Vollstreckungsbescheide rechtskräftig geworden waren, obwohl sie der materiellen Rechtslage und der höchstrichterlichen Rspr zum Konsumentenkredit widersprachen und den Banken bekannt war, dass die Ratenkreditverträge infolge Zinswuchers sittenwidrig waren. Diese Fälle sind sehr stark zurückgegangen, seit § 688 II Nr 1 Forderungen von Unternehmern aus Darlehensverträgen vom Mahnverfahren ausnimmt, wenn der effektive Jahreszins den Basiszins des § 247 BGB um mehr als 12 Prozentpunkte überschreitet. Da diese Grenze recht hoch angesetzt ist, sind auch heute Klagen nach § 826 in diesem Bereich nicht ausgeschlossen. Zu übertragen sind die zum Missbrauch von Vollstreckungsbescheiden beim Ratenkredit entwickelten Grundsätze weiterhin auf Vollstreckungsbescheide, durch die Forderungen aus Partnerschaftsvermittlungsverträgen tituliert wurden (BGHZ 112, 122, 124 = NJW 90, 2550; Stuttg NJW 94, 330).

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