Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuweisung eines ungünstigeren Arbeitsplatzes aus Anlass der Wahl in den Betriebsrat
Leitsatz (amtlich)
Wird einem Arbeitnehmer aus Anlass der Wahl in den Betriebsrat ein räumlich ungünstigeres Büro (Großraumbüro statt Arbeitszimmer mit zwei Arbeitsplätzen) zugewiesen, liegt eine Benachteiligung im Sinne des § 78 Satz 2 BetrVG vor.
Normenkette
BetrVG § 78 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Aktenzeichen 3 Ga 27/10) |
Tenor
1. Der Verfügungsbeklagen wird aufgegeben, bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes von bis zu 25.000,00 EUR die Verfügungsklägerin bis auf Weiteres in dem Büro Raum 3.315 Platznummer 3.038 oder in einer vergleichbaren Räumlichkeit zu beschäftigen.
2. Die Verfügungsbeklagte trägt die gesamten Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Parteien streiten im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren über die Anweisung der Verfügungsbeklagten an die Verfügungsklägerin, zukünftig nicht mehr in einem Zweierbüro sondern in einem Großraumbüro zu arbeiten.
Die Verfügungsklägerin ist seit dem 01.04.2002 bei der Verfügungsbeklagten beschäftigt. Sie arbeitet als außertarifliche Angestellte mit der Funktion Teamleiterin Task Force in der Abteilung OPS Programme am Standort in B. Grundlage ist der schriftliche Arbeitsvertrag (Bl. 5 ff. d. A.).
Die Verfügungsklägerin hat ausweislich der Gehaltsabrechnung für den Monat Mai 2010 (Bl. 18 d. A.) ein monatliches Gehalt von 4.500,00 EUR, zudem geldwerte Vorteile aus einer PKW-Nutzung, aus denen sich ein monatliches Gesamteinkommen von 5.108,16 EUR ergibt.
Ihre Tätigkeit führte sie im Raum 3.315 mit dem Platz 3.038 aus.
Bei der Betriebsratswahl im Jahr 2010 wurde die Verfügungsklägerin in den Betriebsrat gewählt. Ihre Amtszeit begann am 17.03.2010. Im Betriebsrat bekleidet sie seither die Position der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden.
Am 31.05.2010 erhielt die Klägerin die Anweisung, mit Wirkung zum 11.06.2010 ihre Tätigkeit am Arbeitsplatz 3.050 auszuüben. Während es sich bei dem Arbeitsplatz 3.038 um einen Arbeitsplatz in einem Zweierbüro handelte, liegt der Arbeitsplatz 3.050 in einem Großraumbüro mit insgesamt 16 Arbeitsplätzen.
Das Zweierbüro wurde zugleich benutzt von einem Mitarbeiter der Beklagten, der als rechte Hand einem der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten zuarbeitet.
Die Verfügungsklägerin hat in der Zuweisung des neuen Arbeitsplatzes im Großraumbüro eine unzulässige Benachteiligung gesehen und sich auf § 78 BetrVG berufen.
Mit ihrem am 11.06.2010 bei Gericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat die Klägerin beantragt,
der Antragsgegnerin aufzugeben, bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgelds bis zu 25.000,00 EUR gegen die gesetzlichen Vertreter der Antragsgegnerin, die Antragstellerin entgegen der Weisung der Antragsgegnerin vom 31.05.2010 bis auf Weiteres in dem ihr zugewiesenen Büro Raum 3.315 Platznummer 3.038 zu beschäftigen.
Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,
die Verfügungsklage abzuweisen.
Sie hat sich darauf berufen, dass Interessens- und Vertrauenskonflikte bei der ursprünglichen Besetzung des Zweierbüros nach der Wahl der Verfügungsklägerin in dem Betriebsrat zu befürchten seien.
Durch Urteil vom 17.06.2010 hat das Arbeitsgericht die Verfügungsklage abgewiesen. Nach § 940 ZPO sei zum Erlass einer Regelungsverfügung erforderlich, dass sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile geboten sei. Wesentliche Nachteile seien bei summarischer Prüfung nicht anzunehmen. Ein gesteigertes Abwehrinteresse gegen die Umsetzung vom bisherigen Zweierbüro in ein Großraumbüro sei nicht vorgetragen. Die Umsetzung sei zudem nicht offenkundig rechtswidrig, da das berechtigte Interesse der Verfügungsbeklagten, enge Mitarbeiter der Leitungsebene, die auch Mitbestimmungsvorgänge bearbeiteten, nicht zusammen in einem Büro mit Mitgliedern des Betriebsrates unterzubringen.
Gegen dieses am 25.06.2010 zugestellte Urteil hat die Verfügungsklägerin durch am 13.07.2010 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung einlegen und begründen lassen.
Zur Begründung hat die Verfügungsklägerin geltend gemacht, die Arbeitsbedingungen in dem Großraumbüro hätten sich gegenüber ihrem bisherigen Arbeitsplatz erheblich verschlechtert. In diesem Büro werde viel telefoniert. Schallschutzmaßnahmen seien nicht vorhanden. Je nach Lautstärke des einzelnen Mitarbeiters könnten dessen Telefonate über den ganzen Raum hinweg mitgehört werden. Das Büro stehe jedermann offen. Besondere Zugangsbeschränkungen seien nicht vorhanden. In dem Büro sei im Übrigen ein Drucker und ein Kopierer aufgestellt. Diese Geräte dienten nicht nur den Mitarbeitern in dem Großraumbüro selbst, sondern würden auch von Mitarbeitern aus anderen Büros benutzt. Es herrsche ein ständiges Kommen und Gehen. Ein betriebsbedingter Grund für die Versetzung der Verfügungsklägerin aus dem ihr bisher zugewiesenen Zweierbüro in das Großraumbüro sei nicht ersichtlich. Der einzige Grund, warum die Klägerin dieses Büro zugewiesen bekommen habe, liege...