Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst
Es lassen sich 2 Arten von Krisen unterscheiden, auf die Organisationen sich vorbereiten können und sollten. Da sind einmal die akuten Krisen. Dazu gehören alle plötzlich eintretenden Ereignisse, die zu einer Störung der Betriebsabläufe und der Produktion führen können. Zu den akuten Krisen gehören z. B.
- Naturkatastrophen, wie Erdbeben, Fluten, Hagelstürme u. Ä.,
- Finanzkrisen, z. B. Firmen- oder Bankenzusammenbrüche,
- Unfälle,
- Krankheitsepidemien, z. B. bei Ausfall eines großen Teils der Belegschaft,
- Diebstahl, Betrug, Wirtschaftsspionage,
- Insolvenz wichtiger Lieferanten oder Kunden.
In Abgrenzung zu den akuten Ereignissen gibt es auch schleichende Krisen. Schleichende Krisen haben eine längere Vorlaufzeit und wären schon im Vorwege erkennbar. Dennoch werden die Warnzeichen oft lange ignoriert, bis die Auswirkungen ein deutlich spürbares Maß erreicht haben.
Zu den schleichenden Krisen gehören z. B.
- steigender Konkurrenzdruck durch Globalisierung und Digitalisierung,
- Umstrukturierungen,
- technischer Wandel,
- demografischer Wandel,
- Fachkräftemangel,
- Fehlzeiten und Produktionsverluste durch krankheitsbedingte Ausfälle bei der Belegschaft, z. B. durch zunehmende AU-Zeiten wegen psychischer Störungen.
Akute Krisen sind selten. Sie erfordern ein schnelles Handeln in einer unerwarteten und unbekannten Situation. Schleichende Krisen stellen dagegen oft einen Dauerzustand dar, an den man sich so gewöhnt, dass die Schwelle zur akuten Krise oft nicht mehr rechtzeitig wahrgenommen wird. So kann aus einer schleichenden, vorhersehbaren und beherrschbaren Krise ein scheinbar akutes Notfallereignis werden. Gerade für schleichende Krisen ist ein präventives Vorgehen möglich und empfehlenswert. Bei akuten Notfällen ist nur noch ein Reagieren möglich.
Für das Abpuffern von schleichenden Krisen sollten mögliche Risiken für die Organisation zusammengetragen werden. Diese für das Unternehmen gefährlichen Situationen können dann in eine Matrix eingeordnet werden, je nachdem wie wahrscheinlich ihr Auftreten ist und wie groß ihre Auswirkung auf die Organisation wäre (Abb. 3).
Abb. 3: Bewertung von Krisenszenarien
Für die Ereignisse, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eintreten können und die eine starke Auswirkung auf die Organisation hätten, müssen dann als nächstes mögliche Warnsignale identifiziert werden. Für diese Warnsignale sollte jeweils ein Grenzwert festgelegt werden, ab dem es kritisch werden kann, sodass Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Diese Warnsignale können sehr unterschiedlich sein: Umsatzzahlen, Krankenstände, Krisen in Absatzländern, politische Änderungen, Innovationen im Markt, gesetzliche Veränderungen u. Ä.
Beobachtung der Warnsignale
Für die Beobachtung dieser Warnsignale müssen bestimmte Führungskräfte oder Mitarbeiter zuständig gemacht werden. Sie brauchen klare Vorgaben, ab wann sie auf die kritische Entwicklung aufmerksam machen sollen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass ihre Warnungen als Schwarzseherei oder Pessimismus missachtet werden.
Für zu erwartende Krisen mit einem hohen Schädigungspotenzial für die Organisation können dann jeweils passende Krisenpläne entwickelt werden. So hatten z. B. Betriebe, die bereits eine Planung für eine mögliche Grippe-Epidemie hatten, deutliche Vorteile beim Eintreten der COVID-19-Pandemie. Viele der bereits für den Fall einer Grippe-Epidemie geplanten Aktivitäten lassen sich auch auf andere Krankheiten übertragen. Unternehmen, die sich noch nie mit dem Fall einer Krankheitsepidemie in ihrem Land befasst hatten, mussten sowohl bei der Planung von Gegenmaßnahmen als auch bei der Schaffung von geeigneten neuen Strukturen unter großem Zeitdruck ganz neu beginnen.
Pandemieplanung
Für jedes Unternehmen und für jeden Betrieb sollte ein individueller Pandemieplan erstellt werden, da es sehr große betriebliche und regionale Unterschiede dabei gibt, wie sich eine Pandemie jeweils auswirkt. Viele Unternehmen und Verwaltungen verfügen bereits über eine Pandemieplanung für Grippewellen. Wenn sich eine Organisation bereits mit dem Thema Grippe befasst hat, ist der Schritt nicht mehr so groß, diese Planung auch an andere Erkrankungen anzupassen, wie z. B. SARS-CoV-2. Mögliche Probleme, die für ein spezielles Unternehmen durch massiven Personalausfall entstehen könnten, werden dann vorab reflektiert und mögliche Notfallpläne erarbeitet.
Nach der Corona-Pandemie sollten Organisationen nicht davon ausgehen, dass ab jetzt alles vorbei ist. Experten rechnen fest damit, dass auch Deutschland von weiteren Pandemien betroffen sein wird. Sinnvoll ist also, die Lehren aus der Corona-Zeit bewusst aufzuarbeiten, um sich dann auf zukünftige Krankheitswellen vorzubereiten.
Sie können bei der Pandemieplanung für eine Grippewelle von folgenden Eckpunkten ausgehen:
- Gerade die mittlere, im Berufsleben stehende Altersgruppe zwischen 20 und 45 Jahren wird von einer Pandemie besonders betroffen.
- Es ist davon auszugehen, dass Beschäftigte über mehrere Wochen fehlen.
- Eine Grippe-Pand...