Marktgespräch HR-Software Norbert Rautenberg Rexx Systems

Zwischen multinationalen Playern und finanzstarken Startups tun sich traditionsreiche und inhabergeführte HR-Softwarehersteller aus dem Mittelstand zunehmend schwer. Zuletzt entschieden sich einige Inhaber langjähriger Marktteilnehmer für den Verkauf, andere für einen Investoreneinstieg. Im Marktgespräch HR Tech erzählt Norbert Rautenberg, Gründer und CEO von Rexx Systems, warum er einen anderen Weg wählte.

Vor dreißig Jahren schrieb Norbert Rautenberg seine Diplomarbeit über eine Technologie, die der Unternehmer heute in seinen Produkten anbietet: Künstliche Intelligenz (KI). RAI, die Abkürzung steht für Rexx Artificial Intelligence, nennt das Unternehmen seine KI. Dabei handelt es sich um die Weiterentwicklung eines Chatbots, der HR-spezifische Fragestellungen beantworten kann. In der Basis-Version steht er bereits heute allen rund 3.000 Kunden des Hamburger HR-Softwareherstellers Rexx Systems zur Verfügung und deckt mit seinen Antworten das gesamte Wissen des Anbieters ab.

Künstliche Intelligenz für HR-spezifische Fragen


Noch spannender findet Rautenberg jedoch die Weiterentwicklung seines Bots, ein Projekt, das der Gründer und Inhaber des mittelständischen Softwarehauses selbst initiiert hat. In einer lizenzierten Version kann RAI nämlich auf die Inhalte und Intelligenz von ChatGPT zugreifen – und damit seinen Wissenshorizont deutlich erweitern. "Damit machen wir unseren Nutzern einen Großteil des Weltwissens zugänglich", sagt Rautenberg. Dass er dabei auf das Know-how eines amerikanischen Anbieters setzt, stört ihn nicht. Der Auswahlprozess hätte gezeigt, dass kein anderes System derzeit ähnlich leistungsfähig sei.

Für die gelegentlichen Aussetzer des Chatbots, die immer wieder zu Diskussionen über dessen Zuverlässigkeit sorgten, hat das Unternehmen einen Dienstleister mit der Qualitätssicherung beauftragt. Außerdem haben Anwender die Möglichkeit, über eine Mediathek eigene Inhalte als Trainingsdaten einzuspielen. So eignet sich RAI unternehmensspezifisches Wissen an und kann dieses bei Bedarf wiedergeben. Von dieser Individualisierung profitiere allerdings nur das Unternehmen, das die Daten einspielt, beteuert Rautenberg. Unternehmensinterna flössen nicht an andere Nutzer ab.

Rund ein Jahr hat die Entwicklungsabteilung an der Lösung gearbeitet. "Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit", sagt Rautenberg. Ihm sei wichtiger gewesen, eine leistungsfähige Anwendung an den Markt zu bringen, die den eigenen Ansprüchen genüge, als unter den Ersten zu sein, betont er. Schnelligkeit oder eben Langsamkeit, ist ein Thema auf das er immer wieder zu sprechen kommt. Rautenberg gründete Rexx Systems vor rund 24 Jahren. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen 175 Mitarbeitende und erwirtschaftete im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023 nach eigenen Angaben einen Umsatz von rund 50 Millionen Euro. Das entspräche einem Plus von 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit liegt der Mittelständler deutlich über dem durchschnittlichen Wachstum der 25 größten HR-Softwareanbieter  für diesen Zeitraum.

Wachstum rein aus eigener Kraft - und mit Geduld

Wer im Softwaremarkt erfolgreich sein will, braucht einen langen Atem, ist Rautenberg überzeugt. Er ist stolz darauf, das gesamte Wachstum aus eigenen Mitteln zu generieren. Manchem Gründer sei das schnelle Geld lieber. "Wenn es gut läuft und die ersten Angebote ins Haus flattern, kann man schon schwach werden", sagt Rautenberg. Er habe sich für einen anderen Weg entschieden. Das mag auch daran liegen, dass er sich stets mit seinem Produkt identifiziert hat. Auch nach mehr als zwei Jahrzehnten im Geschäft, verspüre er immer noch den Ehrgeiz eine der besten Lösungen am Markt anbieten zu wollen. Dafür mischt er sich auch in die Produktentwicklung ein. "Das macht mir Spaß", sagt er. Dort könne er seine Kreativität ausleben. Ein Chef, der nur noch im Elfenbeinturm säße, das sei nichts für ihn. "Dann wäre es vielleicht an der Zeit aufzuhören", sagt Rautenberg.

Die sieht er noch nicht gekommen. Der stockenden Gesamtwirtschaft in Deutschland zum Trotz, seien die Aussichten für sein Unternehmen gut. Rexx strebe auch im Geschäftsjahr 2024 ein Wachstum von 20 Prozent oder mehr an. Die Nachfrage, insbesondere nach HR-Gesamtlösungen, sogenannten Suiten, sei groß. Lediglich bei der Auftragsvergabe spüre man, dass viele Unternehmen derzeit auf Sparkurs führen. "Da brauchen wir eben etwas Geduld". Da ist sie wieder, die langfristige Perspektive. Doch die scheint sich auszahlen. Blickt man auf das Lösungsportfolio des Anbieters, wirkt dieses eher evolutionär als revolutionär – eine gewachsene Suite.

Cloud als Selbstverständlichkeit, während On-Premise weiterlebt

Rexx Systems begann als Recruiting-Anbieter und erweiterte seine Lösung anschließend sukzessive. Inzwischen gehören Module wie Bewerbermanagement, digitale Personalakte, Talent Management, Zeitwirtschaft, Learning und auch eine vorbereitende Lohnbuchhaltung – neben weiteren Anwendungen – zur Softwarelösung. Nichts also, was nicht auch andere Hersteller im Angebot hätten. Trotzdem scheint der Mittelständler mit seinen Produkten weiterhin einen Nerv zu treffen. "Unsere Stärke liegt in einer tiefen Integration der Module", behauptet Rautenberg. Das erspare mehrfache Datenhaltung uns sorge dafür, dass Daten besser genutzt werden könnten.

Während sich andere Mittelständler mit technologischen Umbrüchen wie dem Umstieg von On-Premise- auf Cloud-Anwendungen schwertaten, scheinen die Hamburger diese gut zu verkraften. Rund 80 Prozent des Umsatzes stamme aus dem Cloud-Geschäft, sagt Rautenberg. Tendenz steigend. Ein Verfallsdatum für seine On-Premise-Lösung will er dennoch nicht festlegen. Unternehmen mit besonderen Sicherheitsstandards oder auch öffentliche Auftraggeber würden weiterhin Bedarf anmelden. Und solange der besteht, ist Rautenberg pragmatisch.

Ohnehin sei der Umstieg in die Cloud für sein Unternehmen im Grunde keiner gewesen. Bereits im Jahr 2000 setzte der Hersteller auf sogenannte Application Service Providing-Lösungen, also browserbasierte Lösungen. "Wir waren schon Cloud-Anbieter, bevor es die Kategorie überhaupt gab", behauptet Rautenberg. Damals hätten häufiger Kunden angerufen und nach der Installations-CD verlangt, erinnert er sich und schmunzelt. Seither hat sein Unternehmen einen beträchtlichen Weg zurückgelegt. Wohin er in Zukunft führt, muss sich zeigen. Nur so viel ist sicher: Rautenberg wird dabei nichts überstürzen.


Zur Serie: Im "Marktgespräch HR Tech" spricht die Haufe Online Redaktion in regelmäßigen Abständen mit Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen etablierter Softwarehäuser sowie aufstrebender Startups und beleuchtet dabei die Entwicklungen und Trends im Markt für HR-Software.