Wachstumschancengesetz endlich beschlossen

Das Wachstumschancengesetz wurde am 22. März 2024 nach langem Hin und Her vom Bundesrat verabschiedet. Es enthält zahlreiche Änderungen in verschiedenen Steuergesetzen. Mit dabei sind auch wichtige lohnsteuerliche Änderungen. 

Zunächst hatte der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung am 17. November 2023 das "Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness", kurz Wachstumschancengesetz, in der Fassung der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses beschlossen (Drucksache 2093/41).

Am 24. November 2023 hatte der Bundesrat vorerst seine Zustimmung verweigert und den sogenannten Vermittlungsausschuss angerufen mit dem Ziel, das Gesetz grundlegend zu überarbeiten (Drucksache 588/23, Beschluss). Dabei ging es insbesondere um die Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte.

Wachstumschancengesetz: Nach langer Unklarheit erfolgte die Zustimmung

Am 21. Februar 2024 hatte der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zum Wachstumschancengesetz getagt. Auch der Vermittlungsausschuss konnte den Streit nicht vollständig lösen. Zwar hat er mit den Stimmen der die Bundesregierung bildenden Parteien einen Kompromissvorschlag angenommen, jedoch hatten CDU/CSU zumindest vorerst nicht zugestimmt.

In der Bundesratssitzung vom 22. März 2024 stimmte der Bundesrat nun endgültig für das Gesetz bzw. für das Vermittlungsergebnis. Damit sind die folgenden Maßnahmen/Änderungen relevant.

Keine Anhebung der Verpflegungspauschalen nach § 9 Abs. 4a EStG

Die vom Arbeitgeber steuerfrei erstattbaren oder alternativ als Werbungskosten abzugsfähigen inländischen Verpflegungspauschalen sollten ab 2024 angehoben werden. Darauf wird nun verzichtet. Es gelten also weiterhin die bekannten Pauschalen von 14 bzw. 28 Euro im Inland.

Nur die gesetzliche Pauschale für Arbeitnehmende, die ihre berufliche Tätigkeit vorwiegend auf Kraftfahrzeugen ausüben und auch dort übernachten (etwa Berufskraftfahrer), soll von 8 Euro je Kalendertag ab 2024 auf 9 Euro je Kalendertag angehoben werden (§ 9 Abs. 1 Nr. 5b EStG).

Keine Anhebung des Freibetrags für Betriebsveranstaltungen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 3

Soweit Zuwendungen des Arbeitsgebers an seine Arbeitnehmenden und deren Begleitpersonen anlässlich von Betriebsveranstaltungen den unveränderten Betrag von 110 Euro je Betriebsveranstaltung und Teilnehmenden nicht übersteigen, bleiben sie lohnsteuerunbelastet. Auf die geplante Anhebung des Freibetrags wird verzichtet.

Wachstumschancengesetz: Versorgungsfreibetrag bei Pensionen und Betriebsrenten nach § 19 Abs. 2 Satz 3 EStG

Steuerfrei bleibt nach § 19 Absatz 2 EStG bei Versorgungsbezügen (Betriebsrenten oder Versorgung von Ruhestandsbeamten) ein nach einem Prozentsatz ermittelter und auf einen Höchstbetrag begrenzter Versorgungsfreibetrag sowie ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag (Freibeträge für Versorgungsbezüge). Beide Regelungen werden jährlich abgeschmolzen. Bereits beginnend mit dem Jahr 2023 soll der anzuwendende Prozentwert zur Bemessung des Versorgungsfreibetrages nicht mehr in jährlichen Schritten von 0,8 Prozentpunkten, sondern nur noch in jährlichen Schritten von 0,4 Prozentpunkten verringert werden. Der Höchstbetrag soll ab dem Jahr 2023 um jährlich 30 Euro (statt 60 Euro) und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag um jährlich 9 Euro (statt 18 Euro) sinken.

Um zusätzlichen Aufwand für die Arbeitgeber zu vermeiden, soll die rückwirkende Erhöhung der vorstehenden Beträge jedoch erst im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer gewährt werden. Damit erfolgt eine Berücksichtigung bei der Lohnsteuer nach aktualisierter Planung erst ab dem Jahre 2025.

Hintergrund: Die Änderungen stehen im Zusammenhang mit Änderungen bei der Rentenbesteuerung: Ab dem Jahr 2023 soll der Anstieg des Besteuerungsanteils für jeden neuen Renteneintrittsjahrgang auf einen halben Prozentpunkt (statt bisher ein Prozentpunkt) jährlich reduziert werden.

Altersentlastungsbetrag nach § 24a Satz 5 EStG

Der Altersentlastungsbetrag ist ein Steuerfreibetrag, der bei Bezug bestimmter Einkünfte gewährt wird, wenn der oder die Betroffene vor dem Beginn des Kalenderjahres das 64. Lebensjahr vollendet hat (§ 24a EStG). Begünstigte Einkünfte sind unter anderem aktive Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Der verlangsamte Anstieg des Besteuerungsanteils soll auch im Bereich des Altersentlastungsbetrags nachvollzogen werden. Mit der Anpassung soll ab dem Jahr 2023 der anzuwendende Prozentsatz nicht mehr in jährlichen Schritten von 0,8 Prozentpunkten, sondern von 0,4 Prozentpunkten verringert werden. Der Höchstbetrag soll beginnend ab 2023 um jährlich 19 Euro anstatt bisher 38 Euro sinken.

Um zusätzlichen Aufwand für die Arbeitgeber zu vermeiden, soll auch hier die rückwirkende Erhöhung der vorstehenden Beträge für das Jahr 2023 und 2024 erst im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer gewährt werden. Damit erfolgt eine Berücksichtigung bei der Lohnsteuer nach aktualisierter Planung erst ab dem Jahre 2025.

Fünftelungsregelung bei der Lohnsteuer nach § 39b Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG

Derzeit kann die Tarifermäßigung (§ 34 Abs. 1 EStG) für bestimmte Arbeitslöhne (insbesondere Abfindungen und Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten wie etwa Jubiläumszuwendungen) bereits bei der Berechnung der Lohnsteuer berücksichtigt werden. Da dieses Verfahren für Arbeitgeber kompliziert ist (weil beispielsweise festgestellt werden muss, ob eine Zusammenballung von Einkünften vorliegt), soll es für den Lohnsteuerabzug gestrichen werden. Auch hier ist allerdings eine Verschiebung erfolgt, so dass die Änderung erstmalig für den Lohnsteuerabzug 2025 greifen soll.

Die Tarifermäßigung sollen Arbeitnehmende aber auch in den kommenden Jahren weiterhin im Veranlagungsverfahren geltend machen können, sodass für die Beschäftigten letztlich kein Nachteil besteht. Für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmende mit tarifermäßigt zu besteuerndem Arbeitslohn soll eine Antragsveranlagung ermöglicht werden (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. d EStG).

(Hybrid-)Elektro-Firmenwagen nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG

Bei der Anwendung der 1-Prozent-Regelung ist bei der privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs, das keine CO2-Emissionen hat (reine Elektrofahrzeuge inkl. Brennstoffzellenfahrzeuge) nur ein Viertel der Bemessungsgrundlage (Bruttolistenpreis) anzusetzen. Dies gilt bislang jedoch nur, wenn der Bruttolistenpreis des Kraftfahrzeugs nicht mehr als 60.000 Euro beträgt.

Zur Steigerung der Nachfrage und um die gestiegenen Anschaffungskosten abzubilden, soll der bestehende Höchstbetrag auch nach dem Vermittlungsergebnis bereits für nach dem 31. Dezember 2023 angeschaffte Fahrzeuge auf 70.000 Euro angehoben werden. Das gilt entsprechend bei der Überlassung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs an Arbeitnehmende (§ 8 Absatz 2 Satz 2, 3 und 5 EStG).

Liegt der Bruttolistenpreis eines Elektrofahrzeugs über der Preisgrenze oder handelt es sich um ein extern aufladbares Elektro-Hybridfahrzeug kommt eine Halbierung der Bemessungsgrundlage in Betracht. Die Förderung von Hybridfahrzeugen erfolgt nur, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Die Halbierung greift, wenn das Kraftfahrzeug eine Kohlendioxid-Emission von höchstens 50 Gramm je gefahrenem Kilometer hat. Alternativ genügt aktuell eine elektrische Reichweite von 60 km. Bei einer Zulassung ab 1. Januar 2025 sind mindestens 80 Kilometer Reichweite erforderlich.

Beiträge für eine Gruppenunfallversicherung nach § 40b Abs. 3 EStG

Arbeitgeber können die Beiträge für eine Gruppenunfallversicherung mit einem Pauschsteuersatz von 20 Prozent erheben, wenn der steuerliche Durchschnittsbetrag ohne Versicherungssteuer bisher 100 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigt. Dieser Grenzbetrag soll ab dem Lohnsteuerabzug 2024 aufgehoben werden. Eine Pauschalbesteuerung ist damit zukünftig für Gruppenunfallversicherungsbeiträge unbeschränkt möglich.

Identifikationsnummer Lohnsteuerbescheinigung nach § 39 Abs. 3 EStG

Ab 2023 ist bei der Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung ausschließlich die Identifikationsnummer als Ordnungsmerkmal anzugeben. Die Verwendung der eTIN ist nicht mehr zulässig. Das führt in der Praxis zu Problemen.

Durch die Gesetzesänderung sollen deshalb in Ausnahmefällen die Finanzämter die Identifikationsnummer auf Anfrage an den Arbeitgeber übermitteln. Voraussetzung ist, dass dieser für betroffene Beschäftigte bereits eine Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2022 (mittels eTin) übermittelt hat und der Arbeitgeber zugleich versichert, dass das Dienstverhältnis über den 31. Dezember 2022 hinaus fortbestanden hat. Voraussetzung ist auch, dass der Arbeitnehmende seiner Verpflichtung, dem Arbeitgeber die Identifikationsnummer mitzuteilen, trotz Aufforderung nicht nachgekommen ist.

Tipp: Die Verwaltung hatte diese Regelung bereits im Vorgriff auf eine Gesetzesänderung bekannt gegeben und wendet sie an (BMF-Schreiben vom 22. Januar 2024 - IV C 5 - S 2295/21/10001:001). Zu Einzelheiten vgl. unsere News "Ausstellung der Lohnsteuerbescheinigungen für 2023 und 2024"

Steuerbefreiung für Qualifizierungsgeld nach § 3 Nr. 2 EStG

Für die berufliche Weiterbildung wird ab dem 1. April 2024 das sogenannte Qualifizierungsgeld eingeführt (§ 82a SGB III). Damit sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmende unterstützt werden, wenn der Verlust von Arbeitsplätzen durch den Strukturwandel droht, die Unternehmen ihre Mitarbeitenden aber durch die richtige Weiterbildung weiterbeschäftigen können. Entsprechend dem Kurzarbeitergeld soll das von der Agentur für Arbeit gewährte Qualifizierungsgeld steuerfrei sein (§ 3 Nr. 2 Buchst. a EStG), aber dem Progressionsvorbehalt unterliegen (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG). Die Weiterbildungskosten, die beim Qualifizierungsgeld vom Arbeitgeber zu tragen sind, sollen ebenfalls steuerfrei gestellt werden (§ 3 Nr. 19 Satz 1 Buchst. a EStG).

Download-Tipp: Qualifizierungsgeld

In diesem kostenlosen Haufe-Whitepaper erfahren Sie alles über die Voraussetzungen und Abgrenzungen des Qualifizierungsgeldes zu anderen Qualifizierungsmaßnahmen. Hier geht es zum Download.

Nationales Besteuerungsrecht für Grenzgänger im ausländischen Homeoffice nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG

Im Zusammenhang mit Homeoffice-Tätigkeiten bei sogenannten Grenzgängern soll die beschränkte Steuerpflicht ergänzt werden. Die nicht selbstständige Arbeit soll für Einkünfte nach dem 31. Dezember 2023 als im Inland ausgeübt oder verwertet gelten, soweit ein mit dem Ansässigkeitsstaat abgeschlossenes Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) oder eine bilaterale Vereinbarung für diese Tätigkeit Deutschland ein Besteuerungsrecht zuweist. Auswirkungen ergeben sich bisher im DBA mit Luxemburg. Dort gelten ab 2024 bei Grenzgängern bis zu 34 Homeoffice-Tage jährlich als unschädlich für die Zuordnung des Besteuerungsrechts (bisher 19 Tage). Wenn also der Arbeitgeber in Deutschland sitzt und der oder die Beschäftigte bis zu 34 Tage im luxemburgischen Homeoffice arbeitet, kann Deutschland das Besteuerungsrecht nach dem DBA in Kombination mit der geänderten Gesetzesregelung wahrnehmen. Für die Zukunft ist zu erwarten, dass weitere DBA ähnliche Regelungen bekommen und die Bedeutung der Gesetzesänderung zunimmt.

Quelle: Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz)- Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages (Bundesrats-Drucksache 588/23)

Das, allerdings nur schwer lesbare, Vermittlungsergebnis findet sich in der Beschlussempfehlung für den Bundestag, Drucksache 20/10410, sowie in der endgültigen Zustimmung des Bundesrats, Drucksache 87/24 (Beschluss).

Vorab verabschiedete Regelungen

Kurz vor dem Jahreswechsel hatte der Gesetzgeber einige steuerliche Änderungen vom streitigen Wachstumschancengesetz in das vor dem Abschluss stehende Gesetzgebungsverfahren zum Kreditzweitmarktförderungsgesetz verschoben, damit sie noch vor dem Jahreswechsel in Kraft treten konnten. Folgende Lohnsteueränderungen sind damit bereits beschlossene Sache:

Berücksichtigung von Pflegeversicherungsbeiträgen bei der LSt:

Zum 1. Juli 2023 war in der Pflegeversicherung eine Differenzierung nach der Kinderzahl eingeführt worden. Das hat Auswirkungen auf den Lohnsteuerabzug. Nach der Ende 2023 beschlossenen Änderung wird bei der Lohnsteuerberechnung die Reduzierung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung aufgrund der Kinderzahl ab 2024 berücksichtigt (§ 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Buchst. c EStG). Die Änderung ist erstmals anzuwenden auf laufenden Arbeitslohn, der für einen nach dem 31. Dezember 2023 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, und auf sonstige Bezüge, die nach dem 31. Dezember 2023 zufließen.

Der Beitragsabschlag für zu berücksichtigende Kinder soll damit bei der Aufstellung des (geänderten) Programmablaufplans für die maschinelle Berechnung für 2024 berücksichtigt werden. Ein entsprechender Entwurf des Bundesfinanzministeriums vom 29. Januar 2024 für die Anwendung ab April 2024 liegt vor (siehe dazu Beitrag "Neue Lohnsteuertabellen und Programmablaufpläne ab 2024").

Datenaustausch Kranken- und Pflegeversicherung:

Eigentlich sollte ab 2024 ein umfassender elektronischer Datenaustausch zwischen den Unternehmen der privaten Kranken- und Pflegeversicherung, der Finanzverwaltung und den Arbeitgebern eingeführt werden. Diese Umstellung ist auf 2026 verschoben und über entsprechende Anwendungsregelungen flankiert worden. Die bisher geltenden Regelungen sind bis zur Einführung des Datenaustauschs weiterhin anzuwenden.

Quelle: Gesetz zur Förderung geordneter Kreditzweitmärkte und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2167 über Kreditdienstleister und Kreditkäufer sowie zur Änderung weiterer finanzmarktrechtlicher Bestimmungen v. 22. Dezember 2023; BGBl 2023 I Nr. 411


Alle Infos rund um die aktuell geltenden Lohnsteuergesetze finden Sie auf unserer Lohnsteuer.


Schlagworte zum Thema:  Lohnsteuer, Gesetzgebung