Kommentar zur Expo Real

Trotz kaum funktionierender Fahrkartenautomaten: Die Expo Real selbst war ein Erfolg. Schade nur, dass das zentrale Thema Energiesicherheit in Städten und Quartieren kein Ausstellerthema sein darf. Zeit, dass die Messe ihr diesbezügliches Konzept überdenkt.

1.900 Aussteller in sieben Hallen. Das sagt viel. Bei gutem Wetter draußen flanieren Messeteilnehmer, viele in Sneakers, immer weniger in Krawatte. Die diesjährige Expo erscheint wie eine logische Folge von der im vergangenen Jahr, als sich die Menschen freuten, überhaupt wieder kommen zu können. Vielleicht wird die Teilnehmerzahl sogar diejenige aus vergangenen Jahren überschritten haben, jedenfalls kam es mir so vor: Lange Zeit nicht mehr so viele Immobilienbegeisterte auf einem Haufen gesehen.

Kein Vergleich zu 2007: Die Messe lebt

Okay, Krise. Krisen. Aber kein Vergleich zu jener niedergeschlagenen Stimmung 2007. Mein Kollege Jörg Seifert und ich, wir wollen einen Expo-Nachbericht-Podcast aufnehmen, suchen nach Statements von Teilnehmern. Ich mache die Erfahrung, dass sich diese Statements oft in einen A- und einen B-Teil splitten lassen. Den A-Teil können wir senden, der B-Teil kommt dann, wenn das Mikro aus ist. Und der ist meistens pessimistischer, abwartender, negativer als der andere. Dass es die Amerikaner gewesen sein müssen, die die Pipelines zerstört haben, höre ich öfter. Und hinter vorgehaltener Hand auch Unverständnis darüber, dass wir über die Gaskrise so wenig mehr hören, hatte es doch noch vor ganz kurzer Zeit geheißen, ohne russisches Gas sei alles nichts.

Der großen Sorge davor, dass wir es zwar im Winter warm haben, aber keine Konzepte für danach bestehen und somit die Wirtschaft sehr stark leiden wird, weil der Staat den Gaspreisdeckel will (Karsten Schmidt, Ampeers Energy) steht eine wesentlich positivere Einschätzung von Frank Talmon L‘Armee (Semodu) gegenüber, der meint, durch den Absatz von Wärmepumpen und Holzöfen sei immerhin viel Druck aus dem Markt genommen worden. Und Christian Lieberknecht (GdW) ist sich ganz sicher, dass der Staat richtig handele, sonst würde die Wirtschaft jetzt schon abwandern.

Was nicht sein darf und was ist

Ich moderiere ein Panel über die 15-Minuten-Stadt und kriege von Diskussionsteilnehmern am Ende der Diskussion gesagt, man hätte heute viel besser über das Thema Energiesicherheit in Quartieren und Städten diskutieren sollen. Stimmt schon: Das Thema ist vielleicht das bestimmende Immobilienthema der Zeit. Aber Unternehmen, die sich mit Photovoltaik oder Energielösungen beschäftigen, dürfen auf der Expo Real nicht ausstellen. Der Messebeirat hat‘s beschlossen, vor langer Zeit, aus Gründen der besseren Definierbarkeit der Messe. Wie überholt ist diese Auffassung! Wie anachronistisch, dieses Thema außen vor zu lassen.

Modulares Bauen und Sanieren ist dafür omnipräsent. Hierzu gab es mehrere Diskussionen. Das einstige Schmuddelkind ist längst keines mehr. Modular erstellten Häusern sieht man ihre serielle Bauweise oft auch nicht an.  Anderes Trendthema natürlich: ESG! Immer mehr Städte wollen keine Versiegelung mehr und begegnen Entwicklern, die abreißen und neu bauen wollen, mit der Frage, ob man schon geprüft habe, die Immobilie vielleicht zu sanieren. Es bedarf keiner allzu großen prophetischen Gabe, um zu erkennen, dass das Thema Kreislaufwirtschaft künftig ganz oben auf der Agenda stehen wird.

Langfristige Wertstabilität statt kurzfristiger Rendite

Interessant ist die Erwartung etwa von Gero Bergmann (Bayern LB), der auf die Frage, ob Investoren nicht auf Rendite verzichten müssten, wenn zu sehr auf ESG-Kriterien geachtet würde, antwortete: "Es geht doch um Wertstabilität in der Zukunft. Darum, was wir jetzt tun müssen, um künftig keine Rendite zu verlieren." Es geht also um langfristige Rendite. Und wenn Investoren die wollen, dann müssen sie auf einen Teil der kurzfristigen möglicherweise verzichten.

Am Ende bin ich in der Bredouille. Ich will den Standort Deutschland nicht runterschreiben und mich auch nicht in billiger Polemik üben. Aber das Land macht strukturelle Probleme durch. Und damit meine ich nicht nur die Bahnkrise – Dauerbrennerthema auf der Expo.

Wie richtig ist es doch, dass im Bündnis für Bauen und Wohnen 35 Teilnehmer sitzen, die um gute Lösungen ringen, und wie schwierig macht diese Tatsache Praktikables. Wie wichtig ist es, Bauvorschriften endlich zu entrümpeln, und wie geradezu unmöglich scheint dieser Weg zu sein. Wie sehr wünsche ich mir jemanden, der den gordischen Knoten durchtrennt und das Thema endlich wirksam voranbringt. Doch wie schwer ist das denn. Auch DIN-Normen lassen sich noch viel schwerer abschaffen, als sie entstanden sind. Und das will schon was heißen. Keiner meiner Gesprächspartner, niemand von den Diskussionsteilnehmern auf der Bühne macht sich Hoffnung, dass wir eine solche Entrümpelung im Laufe unseres Lebens noch erreichen. Länderübergreifende Bauvorschriften – vergiss es!

Die Sache mit dem Fahrscheinautomaten

Und dann ist da noch die Sache mit dem U-Bahn-Fahrkartenautomaten. Ich hatte mir fahrlässigerweise keine Tickets gekauft morgens, als es noch leer war. Während ich in den vergangenen 15 Jahren nur Zeuge dieses allabendlichen Schauspiels war (ich hatte meine Fahrkarte ja schon), wurde ich jetzt Mitspieler. Wir standen zu hunderten in der Schlange an drei Maschinen bei der Messe München an, die so langsam reagierten, dass manch einer aufgab, das Risiko in Kauf nahm und schwarz fuhr.

Eine Blamage für das Münchner S-Bahn-Netz, insbesondere, wenn man bedenkt, wie elementar es ist, den ÖPNV zu fördern. Und, trotz einer spannenden Expo Real, eine Blamage für die Messe München, das über Jahre zu tolerieren.


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