Einen ersten Ansatz, die Einsatzzeiten für Umweltschutzbeauftragte zu ermitteln, wurde von Rainer von Kiparski und Matthias Hoffmann-Kamensky im Jahr 2000 veröffentlicht.[1] Auf dieser Grundlage erschien im Jahr 2003 vom Arbeitskreis Umweltschutz des Verbandes für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit e. V. (VDSI) eine VDSI-Information,[2] die auf einem ähnlichen Rechenmodell basierte.

Beide Arbeiten wurden als allgemeine Erkenntnisquelle für die Entwicklung der DIN SPEC 91424 herangezogen . Ihr Bekanntheitsgrad und ihre Praxisanwendungen waren aber begrenzt. Die rein interne VDSI-Verbandsinformation hatte keinerlei verbindliche Außenwirkung. Die Rechenmodelle passten besonders bei der Hochskalierung auf große Unternehmen bzw. Standorte nicht, da sich rechnerisch deutlich mehr Kapazität ergab als sich in der Praxis als notwendig erwiesen hat.

In einem Zeitraum von 18 Monaten (07/2019–12/2020) haben die im Vorwort des Regelwerks aufgeführten Verfasser, zu denen u. a. auch der Verband der Umweltbeauftragten (VBU) und der Verband für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit e. V. (VDSI) sowie die Autoren dieses Artikels gehörten, in einem temporären Konsortium unter Projektleitung des Deutschen Instituts für Normung e. V. (DIN) mittels des PAS-Verfahrens die DIN SPEC 91424 "Ermittlung der Einsatzzeiten von Betriebsbeauftragten im Bereich des Umweltschutzes und des Umweltmanagements" erarbeitet.

Das PAS-Verfahren ist nach folgenden Schritten abgelaufen:

  1. Bildung des Fach-Konsortiums
  2. Entwurfserstellung durch das Konsortium in mehreren Sitzungen, begleitet vom DIN (Sicherstellung der Wahrung der formalen Anforderungen an eine DIN SPEC)
  3. Ermittlung empirischer Beispieldaten durch Umfrage

    • Abfall, Gewässerschutz, Immission, Störfall sowie Auditor und Systembeauftragter
    • Mehrfachbeauftragungen (besonders in KMU)
  4. Abstimmung mit Stakeholdern (z. B. Umweltbundesamt – UBA)
  5. Finalisierung und Publikation am 4.12.2020 beim Beuth-Verlag

Die DIN SPEC 91424 ist für jeden Interessenten kostenlos auf der Internetseite des Beuth Verlags (www.beuth.de/de/technische-regel/din-spec-91424/331343176) verfügbar.

Dem Konsortium war es wichtig, dass ein Berechnungsvorschlag entwickelt wird, der für alle Unternehmensgrößen anwendbar ist. Zudem sollten Mehrfachbeauftragungen explizit berücksichtigt werden, da dies eine übliche Situation in kleineren Betrieben widerspiegelt. Eine Betrachtung der Aufwände zum Betreiben eines Managementsystems sollte ebenfalls integriert werden.

Außerdem wurde entschieden, dass vor der Erstellung der DIN SPEC eine Umfrage bei Betriebsbeauftragten stattfinden soll, um für die in der DIN SPEC definierten Zeitfaktoren "echte" Zahlen aus der Praxis zu erhalten. Entsprechende Fragebögen wurden entworfen und es wurde mehrfach abgestimmt. Die Umfrage im Zeitraum 12/2019–01/2022 erbrachte mit 500 Rückmeldungen ein gut verwertbares Ergebnis. Die über die Umfrage ermittelten Daten wurden in die DIN SPEC als Beispielwerte für die definierten Zeitfaktoren integriert.

 
Wichtig

Charakter und Rechtsverbindlichkeit einer DIN bzw. DIN SPEC

Bei einer DIN SPEC (nach dem PAS = Publicly Available Specification-Verfahren) ist statt eines für eine Norm notwendigen gesellschaftlichen Konsenses lediglich eine Übereinkunft unter den Verfassern erforderlich. Auch liegt die Verantwortung für deren Inhalt nicht wie bei einer Norm beim DIN, sondern bei den Verfassern selbst. Da sie jedoch unter der Anleitung des DIN (Deutsches Institut für Normung) erarbeitet wird, ist sichergestellt, dass sie keine Inhalte bereits bestehender Normen und Standards enthält und zu diesen auch nicht im Widerspruch steht. Mit ihrer Veröffentlichung durch das DIN ist eine gehobene Bedeutung und Relevanz verbunden.

Grundsätzlich handelt es sich bei den DIN-Normen um "private Regelwerke mit Empfehlungscharakter" (BGH VII ZR 45/06 v. 14.6.2007). Sie können daher angewendet, müssen aber nicht benutzt werden. Als solche können sie hinter dem Stand der Technik zurückbleiben, haben aber die Vermutung für sich, dass sie diesen abbilden. Diese Vermutung kann durch Sachverständigenbeweis widerlegt werden (BGH V ZR 182/12 v. 24.5.2013). Durch die Vermutungswirkung entfällt zunächst der Vorwurf eines schuldhaften Handelns des Verursachers (Beweis des ersten Anscheins).

Gelegentlich macht sich der Gesetzgeber das Vorhandensein zweckdienlicher Normen zunutze und legt die zwangsläufige Anwendung durch Gesetze oder Verordnungen fest. (siehe z. B. Erste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen – 1. BImSchV, Anlage 2 Ziffern u. a. 2.3, 3.2). Damit bekommen diese Normen dann verbindliche rechtliche Außenwirkung für jedermann im Anwendungsbereich der jeweiligen rechtlichen Vorschrift.

Auf DIN-Normen und Regelungen kann auch bei Ausschreibungen, Maschinenspezifikationen, Baubeschreibungen und technischen Festlegungen zurückgegriffen und die dort schriftlich fixierten Beschreibungen als Sol...

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