Tax-Tech-Start-ups: Smartphone statt Steuerberater

Die Steuerberater-Branche muss sich wandeln, das ist unbestritten. Digitalisierung und Automatisierung bauen Veränderungsdruck auf. Start-ups haben die Nische entdeckt und befeuern die Entwicklung mit neuen Technologien und effizienten Geschäftsmodellen. Der Branche kann das bei der Transformation helfen, dem einzelnen Steuerberater nicht unbedingt.

Der Markteintritt von Felix1 war richtungsweisend. Als die Online-Steuerberatungsgesellschaft vor fünf Jahren von den Steuerberatern Marc Müller und Andreas Reichert gegründet wurde, war dies ein völlig neuer Weg, um mit Mandanten zusammenzuarbeiten. Das erklärte Ziel: Man möchte die einfachste Steuerberatung Deutschlands sein. Dazu werden die Vorzüge eines Online-Portals mit persönlicher Steuerberatung kombiniert: Jeder Mandant erhält seinen persönlichen Steuerberater, der als fester Ansprechpartner für die Erstellung aller Leistungen verantwortlich ist. Darüber hinaus ist ein zentraler Kundenservice verfügbar. Alle Prozesse rund um die Steuererklärung werden digital über die Online-Plattform abgewickelt. Mandanten können zwischen verschiedenen Produktpaketen wählen. Anhand des zu erwarteten Jahresumsatzes und der gewünschten Zusatzoptionen wird das Honorar für die Dienstleistungen berechnet. Wer zusätzlich telefonische Beratung benötigt, kann ein entsprechendes Paket hinzubuchen. Es gibt ein Tool für Archivierung, Datenaustausch und Mandantenkommunikation. Ein weiteres Tool dient der digitalen Buchhaltung und mit Hilfe einer Beleg-App können Mandanten ihre Belege abfotografieren und digital ins System übertragen. Sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen können die Lösung nutzen.

Felix1.de ist heute bundesweit mit mehr als 230 Steuerberatern an 90 Standorten vertreten. Als Teil der ETL-Gruppe, die in Deutschland mit über 840 Kanzleien zu den Marktführern zählt, kann die Steuerberatungsgesellschaft auf langjährige Erfahrungen und eine professionelle Infrastruktur zurückgreifen. Dazu gehören unter anderem ein eigenes Rechenzentrum in Deutschland, Weiterbildungen für Steuerberater oder auch Branchenspezialisierungen. Ein Beispiel, das zeigt, wie Digitalisierung in der Steuerberater-Branche aussehen kann.

Tax-Tech: Wachstumsmarkt Steuererklärung

Immer mehr Unternehmen entdecken die Steuererklärung als ein lukratives Geschäftsfeld für sich. Das Startup Wundertax aus Berlin beispielsweise wurde im Jahr 2016 gegründet. Hauptservice ist ein Online-Portal, mit dessen Hilfe Privatpersonen ihre Steuererklärung selbst erstellen können. Außerdem betreibt das Startup spezielle Steuerplattformen, unter anderem für Mitarbeiter der Bundeswehr, Polizei und Feuerwehr, Auszubildende und Studierende.


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Viele weitere Startups tummeln sich in diesem Bereich: Das Startup Mastertax bietet zum Beispiel eine Online-Steuererklärung für Studenten und Berufseinsteiger. Auch das im Jahr 2017 gegründete Unternehmen Studisteuer zielt mit seiner Online-Lösung „Steuerguru“ auf die Zielgruppe der Studenten ab. Und erst im vergangenen Jahr ging Steuerbot online. Das Besondere: Hier werden alle nötigen Angaben über einen automatisierten Chat abgefragt. Die Lösung ist mit künstlicher Intelligenz ausgestattet und soll sich im Chat wie ein realer Freund verhalten. Anhand der Antworten des Nutzers erstellt Steuerbot die vollständige Steuererklärung und kann sie elektronisch auch direkt an das Finanzamt senden. Zielgruppe sind hier Angestellte, Azubis, Studenten und Rentner. Steuerbot ist mittlerweile Teil der Haufe-Group Tochter smartsteuer. Smartsteuer ist Anbieter für Online-Steuererklärungen und hat 2010 selbst als Start-up begonnen.

Steuer-App mit 1,5 Millionen Downloads

Auch die Steuer-App Taxfix setzt auf einen Interviewmodus, um Nutzer Schritt für Schritt im Webbrowser oder auf dem Smartphone durch deine Steuererklärung zu führen. Seit der Gründung im Jahr 2016 hat sich das Berliner Startup stetig weiterentwickelt. Wie relevant eine solche Lösung für den Markt ist, verdeutlichen die Zahlen:  Bis dato wurde die App mehr als 1,5 Millionen Mal heruntergeladen. Täglich leitet das Unternehmen bis zu 3.300 Steuererklärungen an die Finanzämter weiter. Allerdings weisen die Macher auch darauf hin, dass die Applikation keinen Steuerberater ersetzt. Taxfix spricht den „normalen“ Arbeitnehmer mit einfachen Einkünften an. Sobald die Lösung komplexere Steuerfälle erkennt, wird automatisch die Kontaktaufnahme zu einem Steuerberater empfohlen. Aus diesem Grund nimmt das Startup mit seiner Lösung den Steuerberatern nicht nur Geschäft ab, sondern bietet ihnen auch aktiv eine Zusammenarbeit an, um neues Geschäft zu generieren. Ein zweischneidiges Schwert, von dem aber durchaus beide Seiten profitieren können.

„In den vergangenen drei, vier Jahren gab es einige interessante Gründungen im Segment TaxTech“, erläutert Alexander Hüsing, Chefredakteur des Online-Magazins deutsche-startups.de. Der Startup-Experte geht davon aus, dass sich in Deutschland momentan rund 50 Startups dem Thema „Steuern“ verschrieben haben. Das Segment sei vergleichsweise klein, aber innovativ. Zwei technologische Stoßrichtungen lassen sich beobachten: Online-Steuererklärungen und Online-Buchhaltung.

Bessere Prozesse für Unternehmen und Steuerberater

Während die Technologien für eine Online-Steuererklärung weitgehend ohne Steuerberater auskommen, setzt die Online-Buchhaltung auch auf eine Zusammenarbeit mit dem Steuerberater. In diesem Segment zählen Billomat, Candis, Fastbill oder Sevdesk zu den bekannten Newcomern. Die Funktionsbreite ihrer Angebote reicht von der Rechnungserstellung über Buchhaltung bis hin zu umfassenden Lösungen inklusive Bankabgleich und Kassenbuch. Viele dieser Lösungen ermöglichen es, Rollen und Zugriffsrechte zu vergeben. Dadurch kann sich zum Beispiel der Steuerberater in das Tool seines Mandanten einloggen, Buchungen einsehen und wenn nötig unmittelbar Korrekturen vornehmen. Auch können die Daten in vielen Fällen in die Kanzleisoftware des Steuerberaters exportiert oder über eine Schnittstelle direkt übertragen werden. Durch die digitale Übermittlung von Daten und Belegen können Online-Buchhaltungslösungen dazu beitragen, die Zusammenarbeit zwischen Steuerberater und Mandant zu verbessern. Pendelordner werden überflüssig, die Kanzleiprozesse effizienter.

Internationale Umsatzsteuer automatisiert abwickeln

Darüber hinaus agieren Startups im Markt, die spezielle B2B-Themen abdecken, so wie Smacc. Das vor vier Jahren gegründete Unternehmen bietet eine KI-unterstütze Rechnungseingangslösung und möchte Finanzprozesse durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz konsequent digitalisieren und automatisieren. Ein anderes Startup, Taxdoo, hat sich auf Online-Händler spezialisiert. Das Unternehmen bietet eine Plattform zur Automatisierung der internationalen Umsatzsteuer-Abwicklung. Dazu bezieht das Hamburger Umsatzsteuer-Startup vollautomatisch Daten aus Marktplätzen, Online-Shops oder ERP-Systemen und bereitet sie gemäß internationaler umsatzsteuerlicher Regularien auf. Alle relevanten Daten werden tagesaktuell bezogen und laufend überwacht. Im Anschluss werden sie durch ein internationales Umsatzsteuer-Netzwerk bei den jeweiligen Finanzbehörden eingereicht. Die Daten lassen sich nahtlos in die Finanzbuchhaltung überführen.

App statt Steuerberater: nur eine Frage der Zeit

Die Beispiele zeigen, wie vielfältig der Technologieeinsatz rund um das Thema Steuern sein kann. Und sie zeigen auch, wie sehr sich die Steuerberatungsbranche wandelt. In das vermeintliche Kerngebiet der Steuerberater – die Beratung – sind die Technologie-Anbieter bisher nicht vorgedrungen. Dies dürfte auch in Zukunft das Hoheitsgebiet „echter“ Berater bleiben. Doch die technologische Entwicklung zeigt deutlich, wie viele der bisherigen Tätigkeiten von Softwarelösungen übernommen werden können. „Viele Startups sind momentan noch auf die Zusammenarbeit mit Steuerberatern angewiesen, zum Beispiel wenn ihre Lösungen an Komplexitäts-Grenzen stoßen. Aber langfristig werden die neuen Startup-Technologien Steuerberater aus allen Tätigkeitsfeldern verdrängen, die sich mit Algorithmen abbilden lassen“, ist Experte Hüsing überzeugt. Darunter leiden könnten vor allem kleine Kanzleien. Doch wem es gelingt, die Möglichkeiten des Internets mit Fachkompetenz zu kombinieren hat gute Chancen, den Wandel zu meistern. „Dazu muss ein Umdenken stattfinden“, sagt Hüsing. Dass es funktionieren kann, hat die ETL-Gruppe mit felix1.de bereits gezeigt.

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