Rz. 6

Das Steuergeheimnis dient sowohl öffentlichen als auch privaten Interessen. Einerseits soll es die Erfüllung der Offenbarungs- und Mitwirkungspflichten des Stpfl. und anderer Verpflichteter stützen und damit der leichteren und gleichmäßigeren Durchführung der Besteuerung dienen. Der im Rechtsstaatsprinzip und Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes verankerten gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung kommt ein Rang zu, der über das fiskalische Interesse an der Sicherstellung des Steueraufkommens deutlich hinausgeht.[1] Die Finanzbehörden können nur dann mit einer weitgehenden Bereitschaft zur Erfüllung dieser Verpflichtungen rechnen, wenn ein weit verbreitetes Bewusstsein bei den Stpfl. gegeben ist, dass ihre Informationen nicht aus dem Bereich der mit den Steuern befassten Dienststellen hinaus dringen. Insofern besteht am Bestand und Funktionieren des Steuergeheimnisses ein starkes öffentliches Interesse. Das ist auch darin zum Ausdruck gekommen, dass nach § 355 Abs. 3 StGB bei vorsätzlicher Verletzung des Steuergeheimnisses außer dem Verletzten auch der Dienstvorgesetzte des Amtsträgers strafantragsberechtigt ist.

Andererseits soll gerade angesichts der umfangreichen und tiefgreifenden Mitwirkungspflichten[2] und Auskunftspflichten[3], Anzeige-, Erklärungs-, Vorlage- und Duldungspflichten das private Interesse der betroffenen Personen daran geschützt werden, dass sie betreffende Informationen nur für steuerliche Zwecke verwendet werden.[4] Dementsprechend wirkt das Steuergeheimnis auch bei Auskunftspflichten Dritter. Müssen etwa im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens Identitäten und Verhältnisse von Geschäftspartnern offenbart werden, so ist diese Auskunftspflicht gerade dadurch gerechtfertigt, dass diese Geschäftspartner durch die Weitergabe der Daten jenseits des Auskunftszwecks wegen des Schutzes durch das Steuergeheimnis nach § 30 AO – abgesehen von möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen – gerade nicht belastet werden.[5]

Anderenfalls dürfte bei einem Wegfall des Steuergeheimnisses die Forderung nach einem Zeugnisverweigerungsrecht für Stpfl. und auskunftspflichtige Dritte insgesamt kaum abzuwehren sein. Einem dadurch zwingend eintretenden Informationsausfall ließe sich auch nicht mit erweiterten Schätzungsberechtigungen[6] begegnen. Nur wenn das Verfahren – nicht zuletzt durch den Schutz der offenbarten Daten – als fair empfunden wird, kann auf die Bereitwilligkeit der Beteiligten, die für die Funktionsfähigkeit des Verfahrens notwendigen Mitwirkungshandlungen zu unternehmen, gesetzt werden.[7] Dabei geht der Schutz des Steuergeheimnisses über die vom Stpfl. oder anderen Personen mitgeteilten personenbezogenen Daten hinaus und umfasst alle im Besteuerungsverfahren erlangten und ihn oder eine andere Person betreffenden Kenntnisse der Amtsträger, womit dem jeweiligen Recht auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung getragen wird.[8] Dabei sind Daten Dritter, auch wenn sie in dem jeweiligen Steuerfall relevant sind, grundsätzlich auch gegenüber dem betroffenen Stpfl. geschützt.

Es bedarf in der Regel keiner Entscheidung, ob das öffentliche oder private Geheimhaltungsinteresse im Vordergrund steht.[9] Im Einzelfall genügt es, dass ein öffentliches oder ein privates Interesse an der Geheimhaltung besteht.[10] Immerhin sind Konfliktfälle denkbar, etwa, wenn der Stpfl. die Offenbarung seiner personenbezogenen Daten in Kauf nimmt, um – nach seiner Meinung – unrechtmäßiges Verwaltungshandeln publik zu machen. In aller Regel wird in diesen Fällen eine Entbindung der Steuerverwaltung von der Wahrung des Steuergeheimnisses durch den Stpfl. genügen, um auch seitens der Verwaltung Daten offenlegen zu dürfen bzw. zu können. Die Entbindungserklärung durch den Stpfl. wird regelmäßig notwendig uneingeschränkt zum Steuerfall erfolgen müssen, allerdings wird sie nur eingeschränkt hinsichtlich des Personenkreises, nämlich allein für die den Stpfl. selbst betreffenden Daten, wirken können.

 

Rz. 7

Prinzipieller Kritik am Steuergeheimnis wird zu Recht entgegengehalten, dass die Geheimhaltung von Offenbartem insbesondere auch deshalb gerechtfertigt ist, weil der Stpfl. grundsätzlich auch strafbare oder gegen die guten Sitten verstoßende steuerrelevante Handlungen offenbaren muss[11]

Angesichts der sukzessiven Einschränkung des Steuergeheimnisses durch zusätzliche Offenbarungs- und Verwertungsrechte und –pflichten der Finanzbehörden (vgl. Rz. 2) sowie des nemo-tenetur-Grundsatzes[12] ist allerdings zu mutmaßen, dass in einer ganzen Reihe von Fällen der verfolgte Zweck der leichteren Besteuerung zunehmend verfehlt wird, wegen weniger freimütiger Sachverhaltsoffenbarung durch den Stpfl.

Ob § 30 AO im Hinblick auf die durch das Steuergeheimnis bedienten öffentlichen und privaten Interessen auch anders gestaltet sein könnte, insbesondere eine Abstufung nach Gewicht und Schutzbedürftigkeit der einzelnen Informationen über die Verhältnisse der betroffenen Person erlauben könnte, sei dahingestellt. Praktisc...

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