Rz. 217

Die Rechtswirkungen der Hinzuziehung bzw. Beiladung bestehen aus einer formellen und einer materiellen Wirkung. Die formelle Wirkung besteht darin, dass gegenüber dem Hinzugezogenen bzw. Beigeladenen die Bestandskraft und, wenn die Voraussetzungen vorliegen, auch die Festsetzungsfrist durchbrochen werden können.

 

Rz. 218

Die materielle Wirkung der Hinzuziehung bzw. Beiladung ergibt sich aus § 360 AO, § 60 FGO. Danach ist die Entscheidung in dem Verfahren, zu dem der Dritte hinzugezogen bzw. beigeladen wurde, diesem gegenüber bindend. Der Dritte kann also später nicht mehr damit gehört werden, die Entscheidung in dem Verfahren, zu dem er hinzugezogen bzw. beigeladen wurde, sei unrichtig gewesen.[1] Die Entscheidung in diesem Verfahren ist dem Hinzugezogenen bzw. Beigeladenen, soweit er Beteiligter ist (vgl. Rz. 215), bekanntzugeben bzw. zuzustellen[2]; der Beigeladene als Beteiligter ist rechtsmittelbefugt.[3] Diese materielle Wirkung der Hinzuziehung bzw. Beiladung ist im Fall des § 174 Abs. 5 AO allerdings insoweit einzuschränken, als sich dies aus dem Wesen der Regelung des Abs. 5 ergibt.

 

Rz. 219

Aus der geschilderten Regelung der Wirkungen der Hinzuziehung bzw. Beiladung ergibt sich, dass der Hinzugezogene bzw. Beigeladene insoweit an die Entscheidung gebunden ist, als die Entscheidung für ihn rechtsbehelfs- bzw. rechtsmittelfähig bzw. rechtskräftig ist.[4] Bei der Hinzuziehung nach § 174 Abs. 5 AO ergibt sich nun die eigenartige Situation, dass der Dritte aufseiten der Finanzbehörde am Verfahren teilnimmt (vgl. Rz. 209). Im Verwaltungsverfahren und im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren hat die Behörde – als Herrin des Verfahrens – naturgemäß keine Rechtsbehelfsbefugnis; somit kann sie auch dem nach § 174 Abs. 5 AO Beigeladenen nicht zustehen. Insoweit kann eine materielle Bindung des Dritten nicht eintreten, da er keine rechtliche Einwirkungsmöglichkeit auf den Ausgang des Verfahrens hatte.

 

Rz. 220

Im Einzelnen bedeutet dies für die Hinzuziehung im Veranlagungsverfahren Folgendes (zur Zulässigkeit vgl. Rz. 209): Hat der Stpfl. einen Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzung gestellt und gibt die Finanzbehörde dem Antrag statt, hat der hinzugezogene Dritte keine Möglichkeit, den Änderungsbescheid anzufechten; eine eigenständige Rechtsbehelfsbefugnis für den Hinzugezogenen gibt es nicht. Die Änderung kann also keine materielle Wirkung gegen den Dritten haben. Die Rspr. nimmt eine materielle Bindung des Hinzugezogenen nur an, wenn die Änderung seinem Antrag entspricht oder er sonst zugestimmt hat.[5]

Wird der Änderungsantrag abgelehnt, hat der Hinzugezogene keinen Anlass, einen Rechtsbehelf einzulegen, da die Entscheidung seinem Interesse entspricht.

 

Rz. 221

Im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren ist der Hinzugezogene Beteiligter nach § 359; für eine materielle Bindung gegen den Hinzugezogenen ist zu unterscheiden, wie das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren beendet worden ist. Wird dem Rechtsbehelf stattgegeben und erfolgt eine schlichte Änderung nach § 172 Nr. 2a, ist diese für den Dritten nicht anfechtbar. Der Hinzugezogene ist daher nicht in einer Weise beteiligt worden, die ihm die Wahrung seiner Rechte ermöglicht; die Änderung der Steuerfestsetzung hat also materiell keine Bindungswirkung ihm gegenüber.[6] Wird dem Antrag des Stpfl. nicht durch schlichte Änderung, sondern durch Einspruchsentscheidung stattgegeben, steht dem Hinzugezogenen ein Klagerecht hiergegen zu, sodass die Einspruchsentscheidung materielle Bindungswirkung gegen den Hinzugezogenen entfaltet.[7]

 

Rz. 222

Im gerichtlichen Rechtsmittelverfahren tritt die materielle Wirkung ein, wenn das Verfahren durch eine der Rechtskraft fähige Entscheidung endet. Hiergegen stehen dem Beigeladenen die Rechtsmittel zu, die auch der Hauptbeteiligte, das FA, einlegen könnte; die Bindung des Dritten ist also gerechtfertigt.

Endet das Verfahren nicht mit einer rechtskraftfähigen Entscheidung, etwa weil das FA den Steuerbescheid antragsgemäß ändert, entfällt eine materielle Bindung des Beigeladenen, da keine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist. Auch hier nimmt die Rspr. eine materielle Bindung des Beigeladenen an, wenn die Erledigung des Rechtsstreits seinem Antrag entsprach oder er ihr sonst zugestimmt hat.[8]

 

Rz. 223

Hinzuweisen ist darauf, dass diese Einschränkungen in der Wirkung der Hinzuziehung bzw. Beiladung nur die materielle Wirkung betreffen; die formelle Wirkung tritt in jedem Fall nur durch den Akt der Hinzuziehung bzw. Beiladung ein.

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