Tz. 11

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Das Ruhen des Verfahrens tritt kraft Gesetzes ein, wenn der Einspruchsführer sich ausdrücklich auf eine Rechtsbehauptung stützt, wegen der ein Verfahren beim EuGH, beim BVerfG oder bei einem sonstigen obersten Bundesgericht anhängig ist. Dabei ist § 363 Abs. 2 Satz 2 AO nicht auf Musterprozesse beschränkt (so aber Birkenfeld in HHSp, § 363 AO Rz. 181, 187), sondern gibt jeder anhängigen Rechtsfrage die Wirkung, das Ruhen des Einspruchsverfahrens auslösen zu können, soweit der Einspruch sich auf sie stützt (Brandis in Tipke/Kruse, § 363 AO Rz. 13).

 

Tz. 12

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der Einspruchsführer muss sich zur Begründung seines Einspruchs auf das anhängige Verfahren berufen. Es genügt also nicht, dass über die Rechtsbehauptung, die der Einspruchsführer aufstellt, objektiv ein Verfahren anhängig ist. Vielmehr muss er sich ausdrücklich auf dieses Verfahren berufen, was bei der Vielzahl der anhängigen Verfahren nicht unproblematisch ist. Ein anderes Verständnis würde aber zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen, da wohl auch von der Finanzbehörde nicht zu erwarten ist, dass sie über den Stand der anhängigen Verfahren umfassend informiert ist (so auch Brandis in Tipke/Kruse, § 363 AO Rz. 14; Birkenfeld in HHSp, § 363 AO Rz. 181 f.). Fehlt es an einer Berufung auf das Verfahren, kommt eine Aussetzung nach § 363 Abs. 1 AO oder ein Ruhen nach § 363 Abs. 1 Satz 2 AO in Betracht. Die Verfahrensruhe endet mit der Entscheidung des anhängigen Verfahrens, auf das sich der Einspruchsführer berufen hat. Durch die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung setzt sich die Zwangsruhe nicht automatisch fort. Der Einspruchsführer muss seinen Einspruch nun vielmehr auch auf die Verfassungsbeschwerde erstrecken (BFH v. 30.09.2010, III R 39/08, BStBl II 2011, 11; Birkenfeld in HHSp, § 363 AO Rz. 184).

 

Tz. 13

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Zwangsruhe tritt nicht ein, wenn die Steuer nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig festgesetzt wurde. Sie ist entbehrlich, weil der Vorläufigkeitsvermerk von einer Einspruchsentscheidung nicht berührt wird. Das Einspruchsverfahren ruht nur "insoweit", als das das anhängige Verfahren den Einspruchsbescheid beeinflussen kann. Hinsichtlich der nicht vom Ruhen des Verfahrens betroffenen Streitpunkte kann durch Erlass einer Teileinspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 2a AO) oder durch Teilabhilfebescheid entschieden werden (FG Nds v. 16.02.2010, 12 K 119/08, DStRE 2010, 1328; AEAO zu § 363, Nr. 3 Satz 2; Brandis in Tipke/Kruse, § 363 AO Rz. 16).

 

Tz. 14

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

vorläufig frei

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