Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei Zugangssicherungssystem

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Installation eines Zugangssicherungssystems, das bei der Präsentation von codierten Ausweiskarten den Ein- oder Ausgang zu Betriebsräumen freigibt, ohne festzuhalten, wer wann in welcher Richtung den Zugang benutzt, unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates.

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 17.08.1982; Aktenzeichen 7 TaBV 1/82)

ArbG Mannheim (Entscheidung vom 04.11.1981; Aktenzeichen 2 BV 10/81)

 

Gründe

A. Das B Institut - die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren - beabsichtigt, für die beiden Zugänge zu ihrem Betriebsgebäude ein elektronisches Zugangskontrollsystem einzuführen. Dieses arbeitet dergestalt, daß ein an den beiden Eingängen innen und außen unsichtbar angebrachter Sensor codierte Ausweiskarten, die in seine Nähe gehalten werden, liest, über eine Zentraleinheit daraufhin überprüft, ob diese Ausweiskarte zum Zutritt berechtigt, und bejahendenfalls die Tür öffnet. Daten darüber, wann wer das Gebäude durch welchen Eingang betritt oder verläßt, werden dabei nicht erfaßt. Jeder Arbeitnehmer des B Instituts soll eine solche codierte Ausweiskarte erhalten, wobei die Ausweiskarten numeriert sind und damit festgestellt werden kann, welche Ausweiskarte an welchen Arbeitnehmer ausgegeben worden ist.

Der Betriebsrat ist der Ansicht, daß die Einführung dieses Zugangssicherungssystems seiner Mitbestimmung unterliegt. Durch dieses System werde das Verhalten der Arbeitnehmer in bezug auf die betriebliche Ordnung geregelt und gestaltet. Er hat der Antragstellerin den Entwurf einer Betriebsvereinbarung vorgelegt, wonach u.a. geregelt werden soll, daß die Ausweiskarten keine Identifizierung des Kartenbesitzers beim Bedienen des Systems und keine Form einer Kontrolle über Zeitpunkt und Häufigkeit von Kommen und Gehen der Kartenbesitzer ermöglichen sollen. Außerdem sollen wegen des Zeitaufwandes zur Bedienung des Systems jedem Mitarbeiter arbeitstäglich drei Minuten der Sollarbeitszeit gutgeschrieben werden.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, daß dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nicht zusteht. Das Zugangssicherungssystem habe lediglich die Funktion eines Schlüssels zum Öffnen der Tür. Es erlaube keinerlei Kontrolle der Arbeitnehmer und diene allein der Sicherung der Zugänge des Betriebsgebäudes gegen den Zutritt Unbefugter. Die Antragstellerin hat daher im vorliegenden Verfahren beantragt

festzustellen, daß die ...geplante

Einrichtung und Benutzung der ...

Zugangskontrollsysteme des Typs Accos

114 nicht der Mitbestimmung des Be-

triebsrates unterliegt.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben dem Antrag stattgegeben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Abweisungsantrag weiter, während die Antragstellerin um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.

B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Installation des geplanten Zugangssicherungssystems verneint.

1. Das Landesarbeitsgericht hat ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates verneint, weil die vorgesehene Maßnahme nicht die betriebliche Ordnung im Sinne des Zusammenwirkens und Zusammenlebens der Arbeitnehmer betreffe und das auf diese Ordnung bezogene Verhalten der Arbeitnehmer regele. Sie bestimme lediglich, auf welche technische Weise der einzelne Arbeitnehmer den Betrieb betreten könne. Das sei eine Frage der arbeitstechnischen Einrichtung und Organisation des Betriebes und Ausfluß der Sachherrschaft des Arbeitgebers über die Betriebsmittel. Das von der Antragstellerin geplante System habe lediglich eine zu Schloß und Schlüssel analoge Funktion und sei nur eine bestimmte technische Form zum Öffnen der Eingangstüren.

Diese Würdigung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

2. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 24. März 1981 - 1 ABR 32/78 - (BAG 35, 150 = AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeits- sicherheit) ausgesprochen, daß mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG sowohl die Gestaltung der Ordnung des Betriebes durch die Schaffung allgemeingültiger verbindlicher Verhaltensregeln als auch jede Maßnahme des Arbeitgebers sei, durch die das Verhalten der Arbeitnehmer in bezug auf diese betriebliche Ordnung berührt werde. Gegenstand der Mitbestimmung sei die Gestaltung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer im Betrieb. Zweck des Mitbestimmungsrechtes sei es, den Arbeitnehmern eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gestaltung dieses betrieblichen Zusammenlebens zu gewähren. An dieser Rechtsprechung hat der Senat in zwei späteren Entscheidungen vom 24. November 1981 - 1 ABR 108/79 - (BAG 37, 112 = AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes) und vom 8. Dezember 1981 - 1 ABR 91/79 - (BAG 37, 212 = AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung) festgehalten. Der Senat hat dabei die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen, die das Ordnungsverhalten des Arbeitnehmers zum Gegenstand haben, unterschieden von denjenigen Maßnahmen, die das Arbeitsverhalten des Arbeitnehmers zum Gegenstand haben oder in sonstiger Weise lediglich das Verhältnis Arbeitnehmer/Arbeitgeber betreffen. Diese Entscheidungen haben in der Literatur weitgehend Zustimmung gefunden (Wiese, Anm. zu AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitssicherheit; Herschel, Anm. zu AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; Kraft, Anm. zu AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; kritisch hingegen Weiss in Anm. EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Ordnung Nr. 7). Auch in der Kommentarliteratur wird als Gegenstand des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG die Gestaltung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer (Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 87 Rz 29), die innere soziale Ordnung des Betriebes (Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 59; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 138), die Sicherung des Arbeitsablaufes und des reibungslosen Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer (Stege/Weinspach, BetrVG, 5. Aufl., § 87 Rz 43) und das Verhalten der Arbeitnehmer, soweit es die Ordnung des Betriebes berührt (Wiese, GK-BetrVG, 3. Bearbeitung § 87 Rz 95), verstanden.

3. Geht man davon aus, so betrifft die Installation des von der Antragstellerin geplanten Zugangssicherungssystems nicht die Ordnung des Betriebes im dargestellten Sinne. Weder wird damit geregelt, wer wann durch welchen Eingang das Betriebsgebäude betreten kann noch wird registriert und ausgewertet, wer wann durch welche Tür das Betriebsgebäude betritt oder verläßt. Einziger Zweck des Systems ist es, die beiden Zugänge zum Betriebsgebäude geschlossen halten zu können und ein Öffnen der Türen durch Präsentation der Ausweiskarte vor dem Sensor zu ermöglichen. Zutreffend weist daher das Landesarbeitsgericht darauf hin, daß der codierten Ausweiskarte lediglich die Funktion eines Schlüssels zum Öffnen der Tür zukommt. Wird eine von der Antragstellerin ausgegebene Ausweiskarte dem Sensor präsentiert, wird die Tür geöffnet, unabhängig davon, ob derjenige, der die Ausweiskarte präsentiert hat, dazu berechtigt ist oder nicht.

Daß mit der Einführung dieses Systems den Arbeitnehmern zur Pflicht gemacht wird, diese zumindest faktisch genötigt sind, die Ausweiskarte bei sich zu führen und diese sorgfältig aufzubewahren, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Den Arbeitnehmern wird damit zwar ein bestimmtes Verhalten abverlangt, dieses hat aber keinen Bezug zur betrieblichen Ordnung. Soweit die Arbeitnehmer zur sorgfältigen Aufbewahrung der Ausweiskarte und im Falle des Verlustes möglicherweise zum Schadenersatz verpflichtet sind, ergibt sich diese Verpflichtung unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag und betrifft lediglich das Verhältnis des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber als Eigentümer der Ausweiskarte.

4. Die Rechtsbeschwerde verweist darauf, daß nach allgemeiner Meinung Fragen des Betretens und Verlassens des Betriebes, Torkontrollen, die Einrichtung von Stechuhren, die Installation von Kontrollsystemen, die Einführung von Passierscheinen und Betriebs- bzw. Werksausweisen dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliegen (Fitting/Auffarth/Kaiser, aa0, Rz 34; Dietz/Richardi, aa0, Rz 140; Galperin/Löwisch, aa0, Rz 59 a und 65 a; Wiese, aa0, Rz 108; Kammann/Hess/Schlochauer, BetrVG, § 87 Rz 46; Stege/Weinspach, aa0, Rz 44; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 87 Rz 43). Gleiches müsse für das von der Antragstellerin geplante Zugangssicherungssystem gelten. Eine betriebliche Zugangskontrolle diene der allgemeinen Ordnung des Betriebes, indem es die Zugangsberechtigung kontrolliere und Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor dem Zutritt Unbefugter schütze.

Es kann dahingestellt bleiben, ob alle genannten Maßnahmen ohne weiteres dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates unterliegen oder ob deren Mitbestimmungspflichtigkeit von der jeweiligen Ausgestaltung im Einzelfalle abhängig ist. Das von der Antragstellerin geplante Zugangssicherungssystem ist mit den genannten Regelungen über das Betreten und Verlassen des Werksgeländes, mit Torkontrollen, mit der Einführung von Passierscheinen und Werksausweisen nicht vergleichbar. Wie bereits dargelegt, wird das Betreten und Verlassen des Betriebes durch dieses System oder in Verbindung damit nicht geregelt. Die Arbeitnehmer können nach wie vor das Betriebsgebäude durch die beiden Eingänge betreten und verlassen, ohne neuen zusätzlichen Regelungen unterworfen zu sein. Die an sie ausgegebene Ausweiskarte dient auch weder dem Ausweis des Karteninhabers noch dem Nachweis seiner Zugangsberechtigung. Durch das System wird auch nicht kontrolliert, wann wer das Gebäude durch welchen Zugang betritt oder verläßt. Daß das System trotzdem eine Sicherung gegen den Zutritt Unberechtigter bietet, liegt allein daran, daß bei einem Verlust der Ausweiskarte infolge deren Anonymität ein Finder nicht erkennen kann, zum Betreten welcher Gebäude die Ausweiskarte berechtigt. Gegen die absichtliche Weitergabe der Ausweiskarte an Unbefugte vermag das System nicht zu schützen.

Nach allem hat der Betriebsrat hinsichtlich der Einführung des von der Antragstellerin geplanten Zugangssicherungssystems Accos 114 kein Mitbestimmungsrecht (so ausdrücklich für ein solches System Stege/Weinspach, aa0, Rz 47; Schmidt-Dorrenbach/Goos, Beteiligungsrechte des Betriebsrates bei Personaldatensystemen, DB 1983 Beilage Nr. 11; anderer Ansicht offenbar Galperin/Löwisch, aa0, Rz 65 a).

Die Vorinstanzen haben daher dem Antrag der Antragstellerin zu Recht stattgegeben, so daß die Rechtsbeschwerde des Betriebsrates zurückgewiesen werden muß.

Dr. Kissel Dr. Seidensticker Matthes

Schneider Weinmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 437029

BB 1985, 121-121 (LT1)

DB 1984, 2097-2098 (LT1)

NJW 1984, 2431-2432 (LT1)

AiB 1984, 142-142 (T)

ARST 1984, 162-163 (LT1)

BlStSozArbR 1985, 117-117 (T)

SAE 1986, 20-21 (LT1)

WM IV 1984, 1587-1588 (LT1)

AP § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes (LT1), Nr 7

AR-Blattei, Betriebsverfassung XIVB Entsch 81 (LT1)

AR-Blattei, ES 530.14.2 Nr 81 (LT1)

EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Ordnung, Nr 10 (LT1)

RDV 1987, 17-18 (LT1)

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