1 Einführung

Im Fall einer Arbeitsunfähigkeit trifft den Arbeitnehmer stets eine Anzeigepflicht gegenüber dem Arbeitgeber.

 
Hinweis

Anzeigepflicht

§ 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG normiert die arbeitnehmerseitige Verpflichtung, die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen, sog. Anzeigepflicht.

Je nach Dauer der Arbeitsunfähigkeit sowie der Anweisung durch den Arbeitgeber besteht zudem eine sog. Nachweispflicht durch den Arbeitnehmer.

 
Hinweis

Nachweispflicht

Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Tage an, sind Arbeitnehmer verpflichtet, eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber kann die Vorlage einer AU-Bescheinigung (jederzeit) früher verlangen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen.

Die Nachweispflicht ist für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer mit der Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen entfallen.

Legt der Arbeitnehmer keine AU-Bescheinigung vor, so kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung bis zur Vorlage verweigern[1], es sei denn der Arbeitnehmer hat die Nichtvorlage nicht zu vertreten.

Ist der Arbeitnehmer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, muss die ärztliche Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten, dass der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird.

2 Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Im Fall von Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers, ist er dahingehend gegenüber seinem Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Er hat seine Arbeitsunfähigkeit folglich gegenüber seinem Arbeitgeber nachzuweisen und im Zweifel zu beweisen. Denn grundsätzlich gilt im Arbeitsverhältnis das Prinzip "ohne Arbeit, kein Lohn". Ist der Arbeitnehmer jedoch arbeitsunfähig erkrankt, besteht für die Dauer von 6 Wochen regelmäßig ein gesetzlicher Entgeltfortzahlungsanspruch.[1]

 
Hinweis

Hoher Beweiswert der AU-Bescheinigung

In der Regel wird der Beweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit durch die Vorlage einer AU-Bescheinigung geführt. Der AU-Bescheinigung kommt laut Bundesarbeitsgericht regelmäßig ein sehr hoher Beweiswert zu.[2]

Der Beweis des ersten Anscheins spricht für die inhaltliche Richtigkeit des ärztlichen Attests.[3]

Der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann durch den Arbeitgeber jedoch erschüttert werden. Dies ist der Fall, wenn vom Arbeitgeber vorgetragene Tatsachen zu ernsthaften Zweifeln an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit Anlass geben.

Will der Arbeitgeber trotz Vorlage einer AU-Bescheinigung die Entgeltfortzahlung verweigern, weil er den Arbeitnehmer für arbeitsfähig hält, muss er Tatsachen vortragen, die den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern; nicht erforderlich ist jedoch, dass er die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers beweist. Es kommt folglich nicht zu einer Beweislastumkehr zulasten des Arbeitgebers.

Wie bei jeder tatsächlichen Vermutung genügt es, wenn zunächst Tatsachen vorgetragen werden, aus denen das Gericht den Schluss ziehen kann, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist, weil ernsthafte Zweifel an der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bestehen.[4]

Hiernach kommen z. B. folgende Fälle, die eine Erschütterung des Beweiswerts begründen können, in Betracht (wobei es stets einer Einzelfallbetrachtung bedarf):

  • Einreichung einer AU-Bescheinigung nach erfolgter Eigenkündigung des Arbeitnehmers, die exakt den Zeitraum vom Ausspruch der Eigenkündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist umfasst[5];
  • Ankündigung einer Erkrankung durch den Arbeitnehmer[6];
  • Arbeiten während der Arbeitsunfähigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen[7];
  • wiederholte Erkrankung von ausländischen Arbeitnehmern jeweils im Anschluss an den Heimaturlaub;
  • Erkrankung nach Ablehnung eines Urlaubsantrags im beantragten Urlaubszeitraum;
  • Erteilung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne Untersuchung oder nur nach telefonischer Rücksprache[8];
  • wiederholte gemeinsame und gleichzeitige Erkrankung von Ehegatten nach Urlaubsende;
  • unentschuldigte Nichtbefolgung einer Vorladung zur vertrauensärztlichen Untersuchung;
  • rückwirkende Datierung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung[9];
  • Umbuchung eines Urlaubsrückflugs vor Krankschreibung auf den Tag des Endes der Krankschreibung[10];
  • mit der Arbeitsunfähigkeit unvereinbare Arbeit außerhalb der Arbeitsstelle, z. B. in der eigenen Nebenerwerbslandwirtschaft oder beim Bau des eigenen Hauses;
  • Durchführung von beschwerlichen Reisen während der Arbeitsunfähigkeit;
  • strapaziöse sportliche Betätigungen während der Krankheit (z. B. Bungeespringen eines an einem Wirbelsäulenleiden erkrankten Arbeitnehmers);
  • mit einer Arbeitsunfähigkeit unvere...

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