Grundsätzlich ist die außerordentliche Kündigung eine fristlose Kündigung. Die soziale Auslauffrist soll in den Fällen dem Arbeitnehmer helfen, in denen zwar ein wichtiger Grund zur Kündigung vorliegt, aber die Weiterbeschäftigung aus sozialen Erwägungen noch vertretbar ist.

Die außerordentliche Kündigung beruht auf dem Vorliegen eines "wichtigen Grundes". Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist also unmöglich und dem Arbeitgeber ist ein Zuwarten bis zum Termin der ordentlichen Kündigung nicht zuzumuten. Dazu passt die Anwendung einer sozialen Auslauffrist auf den ersten Blick überhaupt nicht. Es ist dann an eine soziale Auslauffrist zu denken, wenn eine ordentliche Kündigung gar nicht möglich ist.

11.7.1 Tarifliche Unkündbarkeit

Für den öffentlichen Dienst (§ 34 Abs. 2 TVöD Tarifgebiet West) ist dieser Bereich immer noch einer der wichtigsten Anwendungsfälle der sozialen Auslauffrist.

Dabei wiederum wird dem Bereich der personenbedingten, krankheitsbedingten Kündigung die größte Relevanz zukommen. Bejaht vom LAG Rheinland-Pfalz für den Fall einer Alkoholkrankheit (ordentlich unkündbar + 70 MdE).[1]

Nur so kann der Wertungswiderspruch verhindert werden, dass sonst der tariflich unkündbare Arbeitnehmer allein wegen seines besonderen Schutzes benachteiligt würde. Ist dem Arbeitgeber wegen der "Unkündbarkeit" des Arbeitnehmers dessen Weiterbeschäftigung im Hinblick auf die weiter zu erwartenden Fehlzeiten bis zum Pensionsalter unzumutbar, wäre bei unterstellter Kündbarkeit nur eine fristgerechte Kündigung zulässig. Daher muss in diesen Fällen dem Beschäftigten eine der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist eingeräumt werden.

Nicht nur die dauerhafte Unmöglichkeit zur Erbringung der vertraglichen geschuldeten Leistungen kann ein Kündigungsgrund sein, sondern auch die begründete Erwartung zukünftig Entgeltfortzahlung für mehr als ein Drittel der jährlichen Arbeitstage leisten zu müssen.

So hat das BAG[2] mit Urteil vom 25.04.2018 bestätigt, dass die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB sein kann und auch bei einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer (hier ungelernter Krankenpfleger mit Kündigungsschutz nach § 34 Abs. 2 S. 1 TV-L) eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist wegen häufiger Kurzerkrankungen in Betracht kommen kann. Auf der 1. Stufe (negative Zukunftsprognose) ist zu prüfen, ob auch zukünftig mit erheblichen Fehlzeiten zu rechnen ist. Steht dies fest, können die zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als 6 Wochen auf der 2. Stufe (betriebliche Beeinträchtigung) herangezogen werden, wenn dadurch in ein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung entsteht. Dazu muss die Leistung (Arbeitsleistung) nicht vollständig entfallen. Bei einer voraussichtlichen Entgeltfortzahlung für mehr als 1/3 der Arbeitstage pro Jahr stellen die Entgeltfortzahlungskosten jedenfalls eine erhebliche betriebliche Beeinträchtigung dar. Auf der 3. Stufe (Interessenabwägung) ist auch unter Berücksichtigung langjähriger Betriebszugehörigkeit das Äquivalenzverhältnis bei derartigen Fehlzeiten nachhaltig gestört und jedenfalls den Interessen des Arbeitnehmers durch das Gewähren einer sozialen Auslauffrist Genüge getan.

Es sind Fälle denkbar, in denen es dem Sinn und Zweck des tariflichen Alterskündigungsschutzes widersprechen würde, dem altersgesicherten Arbeitnehmer eine der fiktiven Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist zu verweigern, wenn man einem vergleichbaren Arbeitnehmer ohne gesteigertem Kündigungsschutz bei (theoretisch) gleichem Kündigungssachverhalt – und Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – nur fristgerecht kündigen könnte.[3]

Daher kann auch bei der verhaltensbedingten Kündigung eine soziale Auslauffrist in Betracht kommen. Das BAG[4] hat bereits 2001 grundlegend entschieden, dass bei tariflich unkündbaren Beschäftigten gerade die lange Bindungsdauer (bis zur Altersrente) dazu führen kann, dass ein "an sich ordentlicher" Kündigungsgrund zu einem "wichtigen Grund" wird. Wirkt sich die Unkündbarkeit letztlich sogar zum Nachteil des Beschäftigten aus, muss im Wege der Interessensabwägung geprüft werden, ob nicht eine soziale Auslauffrist angemessen ist. Dabei ist zu prüfen, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung nicht bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist bei einer ordentlichen Kündigung zumutbar ist. Zugrunde zu legen ist die längste Kündigungsfrist des § 34 Abs. 1 TVöD – AT.

Die Gewährung der Auslauffrist hat das Hessische LAG für einen Flugbegleiter verneint, der aus dem Postfach eines Kollegen Post entwendet hat. Dabei wurde die Pflichtverletzung als so schwerwiegend angesehen, dass ohne vorherige Abmahnung ohne Frist gekündigt werden konnte. Auf die vom Arbeitgeber hilfsweise ausgesprochene außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist kam es nicht mehr an.[5]

Ebenso verweigerte das LAG Baden-Württemberg im Falle einer Verdachtskündigung wegen Bestechlichkeit die so...

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