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BSG Beschluss vom 09.07.1998 - B 4 RA 13/98 R, B 4 RA 28/98 B

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Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 22.01.1998; Aktenzeichen L 10 RA 1132/96)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Januar 1998 wird als unzulässig verworfen.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorstehend genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Revisions- und Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Zwischen den Parteien ist streitig, in welcher Höhe die Beklagte dem Kläger Kraftfahrzeughilfe zu gewähren hat.

Der am 27. November 1952 geborene Kläger ist seit 1972 querschnittsgelähmt und wegen seiner Behinderung sowie im Hinblick auf das Fehlen öffentlicher Verkehrsmittel für die Fahrt von seinem Wohnort zum Arbeitsplatz auf die Benutzung eines privaten Pkw angewiesen. Auf seinen Antrag vom 14. Dezember 1993 gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 16. Februar 1994 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 1994) eine finanzielle Hilfe zur Anschaffung eines Neuwagens in Höhe von voraussichtlich 1.900,00 DM und für behindertengerechte Zusatzausstattungen in Höhe von 4.485,85 DM. Sie berücksichtigte dabei das eigene Einkommen des Klägers abzüglich eines Betrages von 900,00 DM für zwei von ihm zu unterhaltende Angehörige, den auf 18.000,00 DM begrenzten Kaufpreis für das Kfz, den nach der „Schwacke”-Preisübersicht 9/93 zuzüglich eines Zuschlages in Höhe von 9,5 vH für Minderfahrleistung ermittelten Verkehrswert des Altwagens in Höhe von 11.223,75 DM sowie einen maßgeblichen Vomhundertsatz für die Zuschußhöhe von 28 %. Nach Vorlage der quittierten Rechnungen vom 6. Juli und 29. April 1994 (Kaufpreis 40.503,00 DM, Aus- und Einbau Handgerät 575,00 DM) sowie 25. April 1994 (Zusatzgerät mit Bowdenzug 1.126,91 DM) bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 12. August 1994 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 1995) einen Zuschuß für das Kfz in Höhe von 1.900,00 DM sowie für die Zusatzausstattungen in Höhe von 4.554,51 DM.

Mit seiner am 25. Oktober 1994 erhobenen Klage gegen die Bescheide vom 16. Februar und 28. September 1994 hat sich der Kläger weiterhin gegen die Wertfestsetzung für den Altwagen gewandt und die Berücksichtigung der Berechnungsgrundlagen nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Bewilligung begehrt. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 26. Februar 1996). Das Landessozialgericht (LSG) hat die angegriffenen Bescheide unter Zurückweisung der Berufung im übrigen abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Zugrundelegung eines Verkehrswertes für den Altwagen in Höhe von 8.500,00 DM einen höheren Zuschuß zu gewähren (Urteil vom 22. Januar 1998). Die Zulassung der Revision im Tenor dieser Entscheidung hat das Berufungsgericht in den Gründen dahingehend erläutert, daß diese „wegen der Abweichung zu dem von der Beklagten vorgelegten Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 18. November 1996 – L 4 An 21/96 – bezüglich der Ermittlung des Verkehrswertes” veranlaßt gewesen sei.

Gegen dieses ihm am 30. Januar 1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25. Februar 1998 „Revision” und „gleichzeitig … hiermit Nichtzulassungsbeschwerde” eingelegt, „soweit die Revision nicht vollumfänglich zugelassen sein sollte”. Mit weiterem Schriftsatz vom 24. März 1998, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am Folgetag, hat der Kläger zur Begründung im wesentlichen folgendes ausgeführt: Er sei durch das angefochtene Urteil in zweifacher Hinsicht beschwert. Das LSG habe die Bemessungsgrenze gemäß § 5 Abs 1 Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) zu Unrecht mit 18.000,00 DM festgeschrieben und zudem unberücksichtigt gelassen, daß er zwischen Antragstellung und Ankauf des Fahrzeugs eine Einkommenseinbuße erlitten habe. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei in der Rechtsprechung (der Landessozialgerichte) anerkannt und mehrfach entschieden, daß querschnittsgelähmte Rollstuhlfahrer der in § 5 Abs 2 KfzHV getroffenen Regelung unterfielen. Über den vorliegenden Fall hinaus würde durch die Revision die Frage geklärt, daß sich querschnittsgelähmte Rollstuhlfahrer und andere gleichartig Schwerbehinderte aufgrund ihres erhöhten Platzbedarfs beim Einsteigen nicht auf die Bemessungsgrenze des § 5 Abs 1 KfzHV verweisen lassen müssen. Auch die zweite Frage, auf welchen Zeitpunkt im Rahmen des § 6 KfzHV abzustellen ist, sei von grundlegender Bedeutung. Eine oberstgerichtliche Entscheidung könne die durch das Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedingte Rechtsunsicherheit beseitigen und sei im übrigen – wie der vorliegende Fall zeige – von erheblicher praktischer Bedeutung. Die Revision sei daher zuzulassen. Er beantragt,

die mit Schriftsatz vom 28. Februar 1998 gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg – L 10 RA 1132/96 – eingelegte Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie beruft sich im wesentlichen auf die Begründung des angefochtenen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

II

Dem Vorbringen des Klägers ist noch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß er im Rahmen der Zulassung durch das LSG Revision und gegen deren sinngemäß erklärte Nichtzulassung im übrigen Beschwerde einlegen wollte. Hinsichtlich der Revision fehlt es indessen an der fristgerechten Stellung eines bestimmten Antrags und der erforderlichen Begründung, hinsichtlich der Nichtzulassungsbeschwerde an der Darlegung oder Bezeichnung eines Nichtzulassungsgrundes (§ 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Beide Rechtsmittel sind demgemäß – ohne mündliche Verhandlung und ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter – als unzulässig zu verwerfen (§ 169 Satz 2 und 3 SGG – bezüglich der Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend).

Die nur begrenzte Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht ergibt sich zwar nicht aus der Urteilsformel selbst, jedenfalls aber dem sonstigen Inhalt der angegriffenen Entscheidung, der zu ihrer Auslegung heranzuziehen ist (BSG in SozR Nr 42 zu § 162 SGG). Der Begründung der Zulassungsentscheidung kann dabei unzweifelhaft entnommen werden, daß das LSG die dritte Instanz innerhalb des einheitlichen Anspruchs auf höhere Kfz-Hilfe im streng prozessualen Sinn (§ 123 SGG) allein hinsichtlich des Problems der Ermittlung des Verkehrswertes für das Altfahrzeug (§ 5 Abs 3 KfzHV) im Rahmen der Bestimmung des Bemessungsbetrages eröffnen wollte. Da nämlich dieser Teil des Streitgegenstandes „teilbar” in dem Sinne ist, daß ihm ein bestimmter, abgrenzbarer Lebenssachverhalt zugrunde liegt (BSG in SozR 1500 § 164 Nr 22), und die Revision nach § 160 Abs 2 SGG „nur zuzulassen ist”, wenn ein Revisionsgrund vorliegt, handelt es sich ersichtlich um eine Beschränkung der Rechtsmittelzulassung. Eine – unwirksame (BSG in SozR Nr 70 zu § 162 SGG) – Beschränkung auf die Entscheidung einer bestimmten Rechtsfrage scheidet demgegenüber aus (vgl insgesamt Senat in SozR 3-5050 § 15 FRG Nr 5).

Bezüglich der in diesem Umfang statthaften Revision hat der Kläger indessen über die Einlegung des Rechtsmittels hinaus keinerlei Ausführungen gemacht. Weder hat er innerhalb der bis zum 30. März 1998 laufenden Begründungsfrist dessen Ziel deutlich gemacht, dh einen bestimmten Antrag gestellt, noch hat er auch nur ansatzweise die erforderliche Begründung gegeben (§ 160a Abs 2 Satz 1 und 3 SGG). Hierzu hätte nach der ständigen Rechtsprechung des BSG sorgfältig sowie nach Umfang und Zweck zweifelsfrei (BSG Urteil vom 4. Oktober 1988 – 4/11a RA 56/87 = SozSich 1989, 190; Urteil vom 26. Mai 1987 – 4a RJ 61/86 = NZA 1987, 716; SozR 3-5555 § 15 Nr 1 und 3-2500 § 106 Nr 12 jeweils mwN) mit rechtlichen Erwägungen und in Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung dargelegt werden müssen, weshalb eine Vorschrift des materiellen Rechts vom LSG nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (vgl bereits BSG SozR 1500 § 164 Nr 12). Die Angabe der verletzten Rechtsnorm ist insofern notwendig (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG), aber nicht hinreichend. Hat das Urteil über mehrere selbständige „Streitgegenstände” (im vorstehend zugrunde gelegten untechnischen Sinn) zu entscheiden, muß die Begründung im geschilderten Umfang für jeden von ihnen gegeben werden (BSGE 65, 8, 11).

Ebenfalls unzulässig ist die darüber hinausgehende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im übrigen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger mit der Umschreibung der beiden angesprochenen Problemkreise überhaupt eine Rechtsfrage hinreichend bestimmt benannt oder nur Elemente auf dem Weg zu der seiner Auffassung nach „richtigerweise” zu treffenden Entscheidung skizziert hat. Jedenfalls fehlt es hinsichtlich der Frage, welcher Zeitpunkt für die Bestimmung des Einkommens im Rahmen der Festlegung des Vomhundertsatzes nach § 6 KfzHV maßgeblich ist, bereits an der erforderlichen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Insofern wäre insbesondere auszuführen gewesen, warum trotz der Entscheidung des Senats vom 19. Dezember 1991 im Rechtsstreit 4/1 RA 85/90 (SozR 3-5765 § 6 Nr 1), die ausdrücklich vom „letzten Gehaltsabrechnungszeitraum vor der Stellung des Rehabilitationsantrages” ausgeht (S 2) und auch allen nachfolgenden Ausführungen allein diesen Zeitraum zugrunde legt, noch weiterer Entscheidungsbedarf besteht oder (zB nach gewichtiger Kritik in Rechtsprechung und/oder Fachliteratur) wieder entstanden ist. An einer derartigen Auseinandersetzung mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung fehlt es indessen vollständig.

Bezüglich aller angesprochenen Komplexe mangelt es darüber hinaus an Ausführungen zur sog Klärungsfähigkeit. Hierzu hätte aufgezeigt werden müssen, daß bei Zulassung der Revision notwendig über die angesprochenen Fragen zu entscheiden wäre, sie also im konkreten Fall entscheidungserheblich sind. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache dient nämlich der Wahrung und einheitlichen Fortbildung des Rechts (BVerfG in SozR 1500 § 160a Nrn 44 und 48; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX 5.2.2, S 336, Rz 58), nicht hingegen der lediglich abstrakten Klärung von Rechtsfragen (vgl BFH vom 28. April 1972 – III B 40/712, BFHE 105, 335): nur im Rahmen der tragenden Entscheidung von entscheidungserheblichen Rechtsfragen im konkreten Streitfall ist die angestrebte Entscheidung geeignet, in künftigen Revisionsverfahren die Rechtseinheit zu wahren oder zu sichern oder die Fortbildung des Rechts zu fördern (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 7 und 31).

Die Darlegungslast für die Klärungsfähigkeit und Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Fragen trägt nach Sinn und Zweck der Nichtzulassungsbeschwerde der Beschwerdeführer. Er muß im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und dabei insbesondere den Schritt darstellen, der die Entscheidung der von ihm als grundsätzlich angesehenen Rechtsfragen notwendig macht (BSG in SozR 1500 § 160a Nr 31).

Diesem Erfordernis ist vorliegend schon deshalb nicht genügt, weil es an einer Darstellung der nach Auffassung des Beschwerdeführers für die Revisionsentscheidung maßgeblichen und vom LSG festgestellten Tatsachen fehlt. Diese wären für die Darlegung der Klärungsfähigkeit erforderlich gewesen, weil nur so der Senat in die Lage versetzt worden wäre, die Entscheidungserheblichkeit der angesprochenen Problemkreise zu beurteilen. Es ist indessen nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, sich im Zusammenhang mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Tatsachen, aus denen sich die – faktische – Unausweichlichkeit ergibt, die aufgeworfenen Fragen zu beantworten, selbst aus der angefochtenen Entscheidung herauszusuchen. Der Beschwerdeführer hat hingegen die Frage der Klärungsfähigkeit nicht einmal angesprochen.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer (hinsichtlich der Nichtzulassungsbeschwerde entsprechenden) Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175581

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