Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BGH Beschluss vom 29.09.2010 - 2 StR 371/10

Sie haben bereits ein Haufe Produkt? Hier anmelden
 

Entscheidungsstichwort (Thema)

unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

 

Leitsatz (amtlich)

a) Ein Protokoll, in dem weder vermerkt ist, dass eine Verständigung stattgefunden, noch dass eine solche nicht stattgefunden hat, ist widersprüchlich bzw. lückenhaft und verliert insoweit seine Beweiskraft.

b) Beruft sich ein Angeklagter auf die Unwirksamkeit eines von ihm erklärten Rechtsmittelverzichts wegen einer vorausgegangenen Verständigung und schweigt das Protokoll dazu, so muss der Beschwerdeführer, um dem Revisionsgericht eine Überprüfung im Freibeweisverfahren zu ermöglichen, im einzelnen darlegen, in welchem Verfahrensstadium, in welcher Form und mit welchem Inhalt die von ihm behauptete Verständigung zustande gekommen ist.

 

Normenkette

StPO § 273 Abs. 1a S. 3, § 302 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 10.02.2010)

 

Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 10. Februar 2010 wird als unzulässig verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Rz. 1

1. Das Landgericht hat den geständigen Angeklagten am 10. Februar 2010 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, von der drei Monate als vollstreckt gelten. Darüber hinaus hat es einen Geldbetrag in Höhe von 63.500 EUR für verfallen erklärt.

Rz. 2

Im Anschluss an die Urteilsverkündung haben der Angeklagte, sein Verteidiger und der Vertreter der Staatsanwaltschaft ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung auf Rechtsmittel verzichtet. Gleichwohl hat der Angeklagte mit Schriftsatz eines neuen Verteidigers am 16. Februar 2010 fristgerecht Revision eingelegt und zu deren Zulässigkeit ausgeführt, der am 10. Februar 2010 erklärte Rechtsmittelverzicht sei gemäß § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO unwirksam, weil dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen sei; dies werde er – was später aber nicht geschehen ist – noch im einzelnen erläutern.

Rz. 3

2. Die innerhalb der Wochenfrist eingelegte Revision ist unzulässig, weil der Angeklagte wirksam auf Rechtsmittel verzichtet hat. Zwar ist ein Verzicht nach § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO ausgeschlossen, wenn dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist. Eine solche ist hier jedoch nicht erwiesen:

Rz. 4

a) Weder in der Urteilsurkunde (dazu BGH NStZ-RR 2010, 151) noch im Hauptverhandlungsprotokoll findet sich gemäß den §§ 267 Abs. 3 Satz 5, 273 Abs. 1 Satz 2, Abs. 1a Satz 1 und 2 StPO die Feststellung, dass eine Verständigung im Laufe des Verfahrens stattgefunden habe. Andererseits fehlt im Hauptverhandlungsprotokoll auch das sogenannte Negativattest des § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO, dass eine Verständigung nicht stattgefunden habe. Entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts ist durch das völlige Schweigen des Protokolls das Fehlen einer Verständigung daher nicht bewiesen. Der nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO zwingend vorgeschriebene Vermerk, dass eine Verständigung nicht stattgefunden habe, gehört zu den wesentlichen Förmlichkeiten im Sinne des § 274 Satz 1 StPO (BGH NStZ-RR 2010, 213; a.M. Meyer-Goßner, StPO 53 Aufl. § 273 Rn. 12c). Ausweislich der Gesetzesmaterialien dient das sogenannte Negativattest dazu, mit höchst möglicher Gewissheit und auch in der Revision überprüfbar die Geschehnisse in der Hauptverhandlung zu dokumentieren und auszuschließen, dass „stillschweigend” ohne Beachtung der gesetzlichen Förmlichkeiten solche Verhaltensweisen stattgefunden haben (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/12310 S. 15; Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks. 16/11736 S. 13; vgl. auch Jahn/Müller NJW 2009, 2625, 2630). Diesem gesetzgeberischen Anliegen würde es widersprechen, § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO entgegen seinem klaren Wortlaut als überflüssige systemwidrige Ordnungsvorschrift ohne jeglichen Anwendungsbereich zu begreifen (so aber Meyer-Goßner aaO; dagegen Brand/Petermann NJW 2010, 268, 269).

Rz. 5

Enthält nach alledem das Protokoll weder den nach § 273 Abs. 1, Satz 2, Abs. 1a Satz 1 und 2 StPO zwingend vorgeschriebenen Vermerk, dass eine Verständigung gegebenenfalls tatsächlich stattgefunden habe, noch den ebenso zwingend vorgeschriebenen Vermerk nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO, dass eine Verständigung gegebenenfalls nicht stattgefunden habe, ist das Protokoll in diesem Punkt widersprüchlich bzw. lückenhaft und verliert insoweit seine Beweiskraft (so auch Peglau in Beck OK StPO, § 273 Rn. 21). Das Revisionsgericht kann dann im Wege des Freibeweisverfahrens zum Beispiel durch die Einholung dienstlicher Erklärungen der Prozessbeteiligten klären, ob dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist, die zur Unwirksamkeit des nachfolgend erklärten Rechtsmittelverzichts führen würde (vgl. Niemöller in Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren 2010 § 273 Rn. 30).

Rz. 6

b) Wenn ein Angeklagter sich – wie hier – bei Schweigen des Protokolls und der Urteilsurkunde zu einer Verständigung auf die Unwirksamkeit des von ihm erklärten Rechtsmittelverzichts gemäß § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO beruft, ist er gehalten konkret darzulegen, in welchem Verfahrensstadium, in welcher Form und mit welchem Inhalt die von ihm behauptete Verständigung zustande gekommen ist. Nur dann kann das Revisionsgericht beurteilen und gegebenenfalls im Freibeweisverfahren durch die Einholung dienstlicher Erklärungen überprüfen, ob eine dem Regelungsgehalt des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO unterfallende Verständigung erfolgt war.

Rz. 7

Allein die pauschale – und entgegen der Ankündigung der Revision auch nicht näher konkretisierte – Behauptung einer Verständigung gibt dem Senat hingegen keine Veranlassung, weitere Aufklärung im Freibeweisverfahren zu betreiben.

 

Unterschriften

Fischer, Appl, Schmitt, Krehl, Ott

 

Fundstellen

Haufe-Index 2541531

BGHSt 2011, 3

BGHSt

NJW 2010, 10

NJW 2011, 321

BGHR

EBE/BGH 2010

NStZ 2011, 232

ZAP 2011, 15

wistra 2011, 118

AnwBl 2011, 128

AO-StB 2011, 276

StV 2011, 340

StV 2011, 79

StraFo 2011, 97

Dieser Inhalt ist unter anderem im Steuer Office Gold enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • Anhang 2: Verwaltungsanweisungen / 2.38 Übergangsregelung für Förderbetriebsstätten (§ 38 BsGaV)
    1
  • Literaturauswertung ErbStG/BewG/GrSt (Stand: 31.7.2025) / 2.12 § 13b ErbStG (Begünstigtes Vermögen)
    1
  • Literaturauswertung EStG/KStG (Stand: 31.7.2025) / 2.29 § 17 EStG (Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften)
    1
  • Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, EStG § 2a ... / a) Vermeidung der Doppelbesteuerung durch DBA und nationale Vorschriften
    1
  • Schwarz/Pahlke/Keß, AO § 80 Bevollmächtigte und Beistände / 1.5 Unzulässigkeit der Vertretung
    1
  • Schwarz/Pahlke/Keß, AO § 193 Zulässigkeit einer Außenprüfung / 1.1 Inhalt
    1
  • Schwarz/Pahlke/Keß, AO § 369 Steuerstraftaten / 6.3 Objektiver Tatbestand
    1
  • Stenger/Loose, Bewertungsrecht - Kommentar zum BewG, Erb ... / E. Feststellungserklärung
    1
  • Amtshaftungsanspruch gegen die Finanzverwaltung / 5.2 Haftung der EU-Staaten für legislatives Unrecht
    0
  • Bilanzpolitik im HGB-Jahresabschluss / 3.4.2 Bilanzpolitik im Hinblick auf den Grundsatz der Bewertungsstetigkeit
    0
  • Cloer/Hagemann, AStG § 13 AStG Beteiligung an Kapitalanl ... / 2.3.1 REIT-Gesellschaft
    0
  • Compliance-Gefährdungsanalyse: Risiken identifizieren, G ... / 3 Risikofragebögen und Aktionsplan zur Risikominimierung
    0
  • Die Testamentsvollstreckung an einem Kommanditanteil (Er ... / 3. Insbesondere die Testamentsvollstreckung bei Vererbung eines Kommanditanteils an einen bereits an der KG beteiligten Gesellschafter
    0
  • Dötsch/Pung/Möhlenbrock (D/P/M), Die Körperschaftsteuer, ... / 3.3 Begünstigte Anteilsveräußerungen und vergleichbare Vorgänge (§ 8b Abs 2 S 1 bis 3 KStG)
    0
  • Dötsch/Pung/Möhlenbrock (D/P/M), Die Körperschaftsteuer, ... / Ausgewählte Literaturhinweise:
    0
  • Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach § 24b EStG ( ... / aa) Splitting-Verfahren/verwitweter Steuerpflichtiger
    0
  • Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG § 12 Bewertung / 2 Allgemeine Bewertungsvorschriften (§ 12 Abs. 1 ErbStG)
    0
  • Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG § 3 Erwerb von Todes wegen / 3 Erwerb durch Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ErbStG)
    0
  • Frotscher/Drüen, GewStG § 1 Steuerberechtigte / 1.2 Verfassungsrechtliche Grundlagen
    0
  • Frotscher/Drüen, KStG 2000, KStG § 31 Zuordnung der bei ... / 3.3.2 Zuordnung bei Verlustausgleich
    0
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Steuer Office Gold
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop

Produktempfehlung


Zum Thema Steuern
Haufe Shop: Wachstumschancengesetz
Wachstumschancengesetz
Bild: Haufe Shop

Das Wachstumschancengesetz ist die größte Steuerreform der letzten Jahre. Expert:innen von Ernst & Young stellen die Einzelmaßnahmen des Wachstumschancengesetz übersichtlich dar und erläutern, wo Beratungsbedarf besteht und welche Gestaltungsvarianten sich nach neuem Recht ergeben.


BGH 5 StR 419/10
BGH 5 StR 419/10

  Entscheidungsstichwort (Thema) Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung  Verfahrensgang LG Chemnitz (Urteil vom 04.08.2010)   Tenor Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 4. August 2010 wird ...

4 Wochen testen


Newsletter Steuern
Newsletter Steuern - BFH-Urteilsservice

Aktuelle Informationen zur neuesten BFH-Rechtsprechung frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Kurzkommentierungen
  • Praxishinweise
  • wöchentlich
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Bitte bestätigen Sie noch, dass Sie unsere AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptieren.
Haufe Fachmagazine
Themensuche
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z #
Zum Steuern Archiv
Haufe Group
Haufe People Operations Haufe Fachwissen Haufe HR-Software Haufe Digitale Personalakte Haufe Onlinetraining Smartsteuer Schäffer-Poeschel Lexware rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS Newsletter FAQ Mediadaten Presse Editorial Code of Conduct Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz Netiquette Sitemap Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt
Kontakt & Feedback AGB Cookie-Einstellungen Compliance Datenschutz Impressum
Haufe Steuern Shop
Steuern Software Komplettlösungen Steuern Kanzleimanagement Lösungen Steuern im Unternehmen Lösungen für die Steuererklärung Steuer-Kommentare Alle Steuern Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren