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BGH Beschluss vom 24.03.1983 - VII ZB 28/82

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Leitsatz (amtlich)

Der im Grundbuch eingetragene Wohnungseigentümer hat die Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 16 Abs. 2 WEG auch dann zu tragen, wenn er das Wohnungseigentum veräußert hat, nicht mehr nutzt und für den Erwerber eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist.

 

Normenkette

WohnungseigentumsG § 16

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 29.09.1982; Aktenzeichen 3 W 229/82)

LG Düsseldorf (Urteil vom 01.07.1982; Aktenzeichen 25 T 289/82)

AG Düsseldorf (Urteil vom 11.03.1982; Aktenzeichen 30 II 59/81 WEG)

 

Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 1. Juli 1982 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts Düsseldorf vom 11. März 1982 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten beider Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 8.204,– DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Antragstellerin ist Verwalter der Wohnungseigentumsanlage R… Straße in D… Der Antragsgegner – früher Eigentümer der Gesamtanlage – ist Eigentümer der Wohnungen Nr. 18 und 23. Beide Wohnungen hat er verkauft und den Erwerbern zur Nutzung überlassen. Für die Erwerber ist im Grundbuch jeweils eine Auflassungsvormerkung eingetragen; die Umschreibung des Eigentums ist bisher unterblieben.

In der Eigentümerversammlung vom 8. Oktober 1981 beschlossen die Wohnungseigentümer, daß zur Sicherstellung der Bewirtschaftung jeder Miteigentümer spätestens zum 1. November 1981 eine einmalige, als Hausgeld anzurechnende Sonderumlage zu zahlen habe. Außerdem bevollmächtigten sie den Verwalter, für Rechnung der Gemeinschaft im eigenen Namen gegen Miteigentümer vorzugehen, die mit ihren Leistungen im Rückstand sind.

Für die Wohnungen Nr. 18 und 23 wurden das rückständige Hausgeld in Höhe von insgesamt 4.704,– DM sowie die Sonderumlage in Höhe von insgesamt 3.500,– DM nicht geleistet. Die Antragstellerin hat deshalb im Verfahren nach § 43 WEG beantragt, dem Antragsgegner aufzugeben, an sie 8.204,– DM nebst Zinsen zu bezahlen. Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben, das Landgericht hat ihn zurückgewiesen. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin möchte das Oberlandesgericht den Beschluß des Landgerichts aufheben und die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückweisen, weil dieser trotz der Veräußerung der Wohnungen als Wohnungseigentümer nach § 16 WG verpflichtet sei, den Kosten- und Lastenbeitrag für seine Wohnungen bis zur Eintragung der Erwerber im Grundbuch an die Gemeinschaft zu zahlen. An einer entsprechenden Entscheidung sieht es sich jedoch durch den Beschluß des BayObLG vom 10. Februar 1981 – BReg. 2 Z 12/80 – (WEM 1981, 37) gehindert. Es hat daher die sofortige weitere Beschwerde dem Bundesgerichtshof vorgelegt.

I.

Die Vorlage ist statthaft (§ 43 Abs. 1 WEG i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG). Der Antragstellerin können Hausgeld und Sonderumlage nur zugesprochen werden, wenn der Antragsgegner auch nach Veräußerung und Übergabe der Wohnungen an die Erwerber bis zur Umschreibung des Eigentums im Grundbuch weiterhin Lasten und Kosten gemäß § 16 Abs. 2 WEG tragen muß. Das Oberlandesgericht will das bejahen und setz sich damit in Widerspruch zu dem angeführten Beschluß des BayObLG, nach dessen Auffassung der (durch Auflassungsvormerkung gesicherte) Käufer der Eigentumswohnung als „werdender Wohnungseigentümer an” die Stelle des noch im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentümers tritt. Die Beurteilung des vorlegenden Gerichts, es könne über die sofortige weitere Beschwerde nicht ohne eine Stellungnahme zu der von ihm herausgestellten Rechtsfrage entscheiden, ist für den Senat, soweit die Zulässigkeit der Vorlage in Frage steht, bindend (BGHZ 75, 375, 377 m.w.N.; 78, 145, 147; 82, 261, 263).

II.

Der Senat tritt der Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts bei.

1. Gemäß § 16 Abs. 2 WEG ist jeder Wohnungseigentümer den anderen Wohnungseigentümern gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen. Wohnungseigentümer im Sinne dieser Vorschrift ist entweder der Erwerber, dem durch Auflassung und Eintragung in das Grundbuch gemäß §§ 5, 4 WEG Sondereigentum eingeräumt wurde, oder der Eigentümer des Grundstücks, der durch Teilungserklärung gemäß § 8 WEG Wohnungseigentum begründet hat (vgl. § 2 WEG).

2. Abweichend von der gesetzlichen Regelung werden in Rechtsprechung und Schrifttum als Wohnungseigentümer i. S. des § 16 Abs. 2 WEG auch die „werdenden” oder „faktischen” oder „wirtschaftlichen” Wohnungseigentümer angesehen, die das Sondereigentum aufgrund eines Erwerbsvertrags nach Übergabe und Inbesitznahme bereits nutzen, im Grundbuch aber noch nicht als Wohnungseigentümer eingetragen sind (vgl. OLG Frankfurt Rpfleger 1976, 253; OLG Karlsruhe OLGZ 1978, 177; OLG Köln OLGZ 1978, 151; OLG Stuttgart OLGZ 1979, 34; Palandt/Bassenge, BGB, 42. Aufl., § 16 WEG Anm. 5 b; Röll in MünchKomm, § 5 WEG Rdn. 57, § 16 WEG Rdn. 25; NJW 1976, 1472, 1476; 1985, 155, 154; Weitnauer, WEG, 6. Aufl., § 5 Rdn. 6 k, § 16 Rdn. 13 q). Nach dieser Auffassung sind die als faktisch in die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eingegliederten „wirtschaftlichen” Eigentümer (vgl. BayObLGZ 1981, 50, 54; Röll, NJW 1976, 1472, 1476) verpflichtet, sich an den gemeinschaftlichen Lasten und Kosten gemäß § 16 Abs. 2 WEG zu beteiligen. Ob daneben auch der weiterhin im Grundbuch als Wohnungseigentümer eingetragene Veräußerer – gegebenenfalls als Gesamtschuldner – Lasten und Kosten gemäß § 15 Abs. 2 WEG zu tragen hat, ist umstritten. Das BayObLG (WEM 1981, 37, 38) ist der Meinung, neben dem „werdenden” Wohnungseigentümer könne nicht zugleich auch der noch eingetragene Wohnungseigentümer für dieselbe Wohnung als Wohnungseigentümer behandelt werden, dem im Wege der gemeinschaftlichen Verwaltung Lasten auferlegt werden können. Demgegenüber nehmen Palandt/Bassenge (aaO) und (zweifelnd) Weitnauer (aaO § 16 Rdn. 13 q) gesamtschuldnerische Haftung des veräußernden Wohnungseigentümers für die bis zur Eigentumsumschreibung fälligen Beiträge für Lasten und Kosten an.

3. Der Senat hält den im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentümer für verpflichtet, bis zur Umschreibung des Eigentums zugunsten des Erwerbers die Lasten und Kosten gemäß § 16 Abs. 2 WEG zu tragen.

Dabei kann offenbleiben, inwieweit der im Grundbuch noch nicht eingetragene Erwerber des Wohnungseigentums nach der in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung zur „werdenden” Eigentümergemeinschaft (vgl. Senatsurteil BGHZ 44, 43, 44/45; BGH NJW 1974, 1140, 1141, jeweils m.w.N.; vgl. auch BayObLGZ 1974, 217, 219; 1981, 50, 54) in entsprechender Anwendung des § 16 Abs. 2 WEG für Lasten und Kosten aufzukommen hat. Eine solche Haftung des „werdenden” Eigentümers würde jedenfalls nicht die Haftung des im Grundbuch noch als Wohnungseigentümer eingetragenen Veräußerers beseitigen.

a) Die in § 16 Abs. 2 WEG geregelte Pflicht des Wohnungseigentümers, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums zu tragen, beruht auf dem mit dem Sondereigentum verbundenen Anteil des Wohnungseigentümers am gemeinschaftlichen Eigentum. Der Umfang dieser Pflicht richtet sich nach dem im Grundbuch eingetragenen Verhältnis der Miteigentumsanteile (§ 16 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 WEG).

Für die Verpflichtung des Wohnungseigentümers nach § 16 Abs. 2 WEG ist somit dieEintragung des Wohnungseigentümers im Grundbuch und seine Zugehörigkeit zur Wohnungseigentümergemeinschaft von ausschlaggebender Bedeutung. Solange der Wohnungseigentümerrechtlich der Wohnungseigentümergemeinschaft angehört, besteht seine Haftung nach § 16 Abs. 2 WEG fort. Diese rechtliche Zugehörigkeit wird mit der Verpflichtung des Wohnungseigentümers zur Veräußerung des Wohnungseigentums und der Besitzübertragung auf den Erwerber sowie der nachfolgenden Nutzung durch den Erwerber vor Umschreibung des Eigentums im Grundbuch nicht beendet. Entgegen der Auffassung des BayObLG (WEM 1981, 37, 38) steht der Veräußerer, solange er im Grundbuch eingetragen ist, jedenfallsrechtlich nicht außerhalb der Gemeinschaft.

Das mit der Besitzübertragung, also der „Übergabe” des Wohnungseigentums an den Erwerber und der damit verbundenen Nutzung durch den Erwerber verknüpftefaktische Ausscheiden des Veräußerers aus der Wohnungseigentümergemeinschaft kann seine Haftung nach § 16 Abs. 2 WEG ebenfalls nicht beseitigen. Ein Wegfall der Haftung des im Grundbuch noch eingetragenen Wohnungseigentümers würde dem tatsächlichen Übergang der Nutzung auf den Erwerber sowie der Begründung und dem Verlust „faktischen” Eigentums eine zu weittragende rechtliche Bedeutung beimessen und die Funktion des Grundbuchs mindern. Das im Gesetz nicht vorgesehene „faktische” Wohnungseigentum darf nicht ohne weiteres an die Stelle des im Grundbuch eingetragenen „wirklichen” Wohnungseigentums treten. Auch darf die Funktion des Grundbuchs, Auskunft über den Inhaber des Wohnungseigentums zu geben, nicht eingeschränkt, der Grundsatz, daß der Erwerb des Wohnungseigentums untrennbar mit der Eintragung im Grundbuch verbunden ist, nicht aufgegeben werden. Entgegen dem BayObLG kann deshalb nicht angenommen werden, daß an die Stelle des (noch) eingetragenen Wohnungseigentümers der „werdende” Wohnungseigentümer tritt.

b) Vor allem erfordert die Rechtssicherheit, daß der eingetragene Wohnungseigentümer, auch wenn er einen Veräußerungsvertrag geschlossen und die Nutzung des Wohnungseigentums dem Erwerber bereits überlassen hat, weiterhin verpflichtet bleibt, gemäß § 16 Abs. 2 WEG die Lasten und Kosten zu tragen.

Der Eintragung im Grundbuch können die anderen Wohnungseigentümer entnehmen, wer Wohnungseigentümer und damit Träger der mit dem Wohnungseigentum verbundenen Pflichten ist. Demgegenüber lassen sich der bei einer Veräußerung nach Ansicht des BayObLG an die Stelle des eingetragenen Wohnungseigentümers tretende „werdende” Wohnungseigentümer sowie der Umfang seiner Haftung unter Umständen nur schwer ermitteln. In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob für die Annahme eines „werdenden” Wohnungseigentümers dessen tatsächliche Eingliederung in die Wohnungseigentümergemeinschaft (vgl. KG NJW 1970, 550; Röll in MünchKomm, § 5 WEG Rdn. 57) bzw. die Inbesitznahme der Eigentumswohnung durch den Erwerber genügt (vgl. BayObLGZ 1974, 275, 282; OLG Stuttgart OLGZ 1979, 34; Palandt/Bassenge, aaO, Überblick 2 d bb vor § 1 WEG) oder ob zusätzlich eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen sein muß (so BayObLGZ 1974, 217, 219; 1981, 50, 54; OLG Frankfurt Rpfleger 1976, 253; vgl. auch OLG Köln OLGZ 1978, 151; Weitnauer, aaO § 5 Rdn. 6 k).

Ob der nach Ansicht des BayObLG zur Kostentragung verpflichtete „werdende” Wohnungseigentümer tatsächlich haftet, ist deshalb im Einzelfall mitunter nicht sicher festzustellen; die Durchsetzung des Anspruchs der Wohnungseigentümergemeinschaft wäre dann fraglich und möglicherweise gefährdet. Gleiches gilt, wenn der im Grundbuch noch nicht eingetragene Erwerber das Wohnungseigentum etwa nicht selbst nutzt, sondern die Nutzung einem Dritten überlassen hat. Schließlich würde sich die Geltendmachung des Anspruchs dann besonders schwierig gestalten, wenn der Erwerber das ihm aufgrund eines Erwerbsvertrags überlassene Wohnungseigentum nur vorübergehend genutzt hat und vor seiner Eintragung als Wohnungseigentümer wirksam vom Vertrag zurückgetreten ist. Auch aus diesen Gründen erscheint es angebracht, an der dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 WEG entsprechenden Haftung des im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentümers festzuhalten.

c) Dies ist auch sach- und interessengerecht. Dem im Grundbuch noch eingetragenen Wohnungseigentümer steht nach der Veräußerung gemäß § 16 Abs. 1 WEG weiterhin ein Anteil an den Nutzungen des gemeinschaftlichen Eigentums zu (vgl. Palandt/Bassenge, aaO § 16 WEG Anm. 5 b). Es ist daher nur billig, ihn gemäß § 16 Ab. 2 WEG auch nach der Veräußerung bis zur Eigentumsumschreibung für die Lasten und Kosten haften zu lassen. Dem veräußernden Wohnungseigentümer bleibt es unbenommen, durch entsprechende Ausgestaltung des Veräußerungsvertrags für die von ihm zu tragenden Lasten und Kosten beim Erwerber Rückgriff zu nehmen.

III.

Der Antragstellerin steht somit der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung des Hausgelds und der Sonderumlage gegen den Antragsgegner zu. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin ist deshalb der Beschluß des Landgerichts aufzuheben und der des Amtsgerichts wiederherzustellen.

Der Antragsgegner unterliegt in vollem Umfang. Nach § 47 WEG erscheint es daher billig, wenn er die gesamten Verfahrenskosten trägt.

 

Unterschriften

G, D, O, W, Q

 

Fundstellen

Haufe-Index 513515

BGHZ, 138

NJW 1983, 1615

DNotZ 1984, 32

JZ 1983, 618

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