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BFH Urteil vom 31.01.1991 - IV R 31/90

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Chrombäderinhalt als Umlaufvermögen - Teilwert von know-how-gebundenen Umlaufgütern - strenges Niederstwertprinzip auch für Umlaufgüter

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Bemessung des Teilwerts von Wirtschaftsgütern ist unerheblich, ob deren Zusammensetzung und Nutzbarkeit von besonderen Kenntnissen und Fertigkeiten des Betriebsinhabers abhängt (Abweichung vom BFH-Urteil vom 9.Juni 1964 I 38/64, StRK, Einkommensteuergesetz, § 6 Abs.1 Nr.2, Rechtsspruch 154).

 

Orientierungssatz

1. Chrombäderinhalte (galvanische Bäder), die sich im Laufe des Produktionsprozesses (Verchromung) verzehren, gehören zu den Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens (vgl. BFH-Rechtsprechung).

2. Nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz gilt auch steuerrechtlich für Umlaufgüter das strenge Niederstwertprinzip, allerdings mit der Maßgabe, daß die Wirtschaftsgüter nicht niedriger als mit dem Teilwert angesetzt werden dürfen (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG 1981 § 5 Abs. 1, 5, § 6 Abs. 1 Nr. 2; HGB § 253 Abs. 3, § 266

 

Tatbestand

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer KG, war die Verchromung von Gegenständen. Dazu verwendete die Klägerin galvanische Bäder, in die die Gegenstände zur Verchromung getaucht wurden.

Aufgrund einer Außenprüfung setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die bisher nicht bilanzierten Bäderinhalte in der Bilanz als Umlaufvermögen mit einem Teilwert ―gleich den geschätzten Anschaffungskosten― von 50 000 DM an und stellte dementsprechend den Gewinn der Klägerin fest. Dabei ging das FA davon aus, daß die Bäderinhalte, die sich während des Verchromungsprozesses verzehren und deshalb zweimal im Jahr ersetzt werden müssen, am 31.Dezember 1983 (Streitjahr) zu rd. 50 v.H. verbraucht gewesen seien. Die Klägerin erstrebte den Ansatz eines Teilwerts von null DM.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und den Gewinn für das Jahr 1983 unter Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids 1983 vom 8.Oktober 1985 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.Januar 1987 unter Berücksichtigung eines Teilwerts von null DM für die Chrombäder ihres Betriebs niedriger festzustellen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Chrombäderinhalte, die sich im Laufe des Produktionsprozesses verzehrten, gehörten nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG zu den Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 9.Juni 1964 I 38/64, Steuerrechtsprechung in Karteiform ―StRK―, Einkommensteuergesetz, § 6 Abs.1 Nr.2, Rechtsspruch 154; vom 11.April 1986 III R 128/80, BFHE 146, 327, BStBl II 1986, 551, zur abweichenden Zuordnung von ―nicht zum Verbrauch bestimmten― Elektrolyten in einem Eloxalwerk, sowie vom 2.Dezember 1987 X R 19/81, BFHE 152, 108, BStBl II 1988, 502, allgemein zu den Anforderungen für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Umlaufvermögen).

2. Der Chrombäderinhalt war als Umlaufvermögen mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten (§ 6 Abs.1 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―). War der Teilwert niedriger ―beispielsweise wegen gesunkener Wiederbeschaffungspreise―, so mußte dieser angesetzt werden, da nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 Abs.1 EStG) auch steuerrechtlich für Umlaufgüter das strenge Niederstwertprinzip gilt (vgl. jetzt § 253 Abs.3 des Handelsgesetzbuches ―HGB―; BFH-Urteil vom 27.Oktober 1983 IV R 143/80, BFHE 139, 282, BStBl II 1984, 35), allerdings mit der Maßgabe, daß die Wirtschaftsgüter nicht niedriger als mit dem Teilwert angesetzt werden dürfen (§ 5 Abs.5 i.V.m. § 6 Abs.1 Nr.2 EStG; BFH-Urteil vom 17.August 1967 IV 73/63, BFHE 90, 319, BStBl II 1968, 79).

Für Umlaufgüter wird wie für Anlagegegenstände vermutet, daß ihr Teilwert im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung den Anschaffungs- oder Herstellungskosten entspricht. Für spätere Zeitpunkte wird für Umlaufgüter vermutet, daß der Teilwert gleich den Wiederbeschaffungskosten ist (BFH-Urteil vom 13.Oktober 1976 I R 79/74, BFHE 122, 37, BStBl II 1977, 540). Die Klägerin hat weder behauptet, daß die Wiederbeschaffungskosten gesunken seien noch daß eine Fehlkalkulation vorliege. Sie hat das Vorliegen eines niedrigeren Teilwerts ―von null DM― ausschließlich damit begründet, daß die Wirtschaftsgüter (Chrombäderinhalte) für einen gedachten Erwerber wertlos seien, weil dieser mangels der erforderlichen Spezialkenntnisse und Erfahrungen mit ihnen nichts anfangen könne. Mit dieser Argumentation verkennt die Klägerin den Teilwertbegriff.

Das Gesetz bestimmt den Teilwert als den Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut unter der weiteren Annahme ansetzen würde, daß dieser Betrieb fortgeführt wird (§ 6 Abs.1 Nr.1 Satz 3 EStG). Für die Bemessung des Teilwerts kommt es dabei nach ständiger Rechtsprechung nur auf die objektiven Verhältnisse des Betriebes, nicht aber auf die persönlichen Umstände, Absichten, Fähigkeiten oder Preisvorstellungen des jeweiligen konkreten Betriebsinhabers an (vgl. BFH-Urteile vom 17.Januar 1978 VIII R 31/75, BFHE 124, 441, BStBl II 1978, 335, und vom 7.Dezember 1978 I R 142/76, BFHE 128, 178, BStBl II 1979, 729). Hiernach kann entgegen der Auffassung der Klägerin bei der Bemessung des Teilwerts von Umlaufgütern nicht berücksichtigt werden, daß deren Zusammensetzung und Handhabung auf besonderen, höchstpersönlichen Kenntnissen des Betriebsinhabers beruht.

Allerdings hat der I.Senat des BFH in dem Urteil vom 9.Juni 1964 I 38/64 (a.a.O.) den Ansatz eines Teilwerts von null DM für gebrauchte galvanische Bäder gebilligt, weil Zusammensetzung und Nutzung der Badflüssigkeit auf besonderen Kenntnissen und Fähigkeiten des konkreten Betriebsinhabers beruhten, die im Falle eines Betriebsübergangs auf einen ―gedachten― Erwerber nicht auf diesen übergehen könnten und die deshalb zu den für die Höhe des Teilwerts maßgeblichen objektiven Verhältnissen zu rechnen seien. Der VIII.Senat des BFH hat in der Entscheidung in BFHE 124, 441, BStBl II 1978, 335 offengelassen, ob ein derartiges Know-how als geschäftswertbildender Faktor den Teilwert einzelner Wirtschaftsgüter beeinflussen könne. Im Schrifttum wird die Auffassung des I.Senats zum Teil mit der Begründung abgelehnt, sie überspanne die Annahme des Betriebserwerbs durch einen gedachten Erwerber (vgl. Blümich/Ehmke, Kommentar zum Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuergesetz, Anm.708 zu § 6 EStG), und verkenne, daß der Teilwertbegriff die Fortsetzung des Betriebs mit einem gleichermaßen qualifizierten Erwerber fingiere (vgl. Grieger, Betriebs-Berater ―BB― 1964, 1284; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, Anm.604 zu § 6 EStG). Der erkennende Senat hält diese Erwägung für zutreffend.

Die Vorschrift des § 6 Abs.1 EStG setzt voraus, daß der Teilwert nach Maßgabe des Kaufpreises bemessen wird, den ein gedachter, den Betrieb fortführender Erwerber zu zahlen bereit ist. Die Fiktion der Betriebsfortführung im Anschluß an den gedachten Erwerb erfordert denkgesetzlich, daß der ―gedachte― Erwerber als gleichermaßen qualifiziert angesehen wird wie der konkrete Betriebsinhaber. Denn die vom Gesetz zugrunde gelegte Annahme einer Veräußerung des Betriebs hat ausschließlich den Zweck, eine Bewertung der Wirtschaftsgüter unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für den lebenden Betrieb zu gewährleisten (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., Anm.580 zu § 6 EStG, m.w.N.). Für diesen alleinigen Zweck ist die Person des jeweiligen Betriebsinhabers unerheblich, so daß im Rahmen der Veräußerungsfiktion auch der konkrete Betriebsinhaber als gedachter Erwerber vorstellbar ist (vgl. Meincke in Littmann/Bitz/Meincke, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Anm.172 zu § 6). Die Veräußerungsfiktion soll allein der Beantwortung der Frage dienen, was ein Erwerber zum Bilanzstichtag für das jeweilige Wirtschaftsgut im Rahmen des Gesamtkaufpreises gezahlt hätte, wenn er sich in der Lage des Steuerpflichtigen befunden hätte. Damit ist der Einwand ausgeschlossen, daß ein gedachter Erwerber nicht über die besonderen Fähigkeiten verfügen könne, die zur Nutzung der Wirtschaftsgüter des Betriebs erforderlich wären.

Abgesehen davon, daß der Nachweis einer derart unerreichbaren Qualifikation des Erwerbers, wie sie die Klägerin behauptet, insbesondere im Rahmen gewerblicher Produktionsprozesse in der Regel nicht zu erbringen sein wird, wäre eine solche Annahme mit dem Zweck der Bewertung von Wirtschaftsgütern nach dem Teilwert unvereinbar und systemwidrig. Sie würde im Ergebnis zu Unterbewertungen aus personengebundenen Gründen und damit zu ungerechtfertigten und willkürlichen stillen Reserven führen, die u.a. gerade durch die Bewertung der Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert verhindert werden sollen (vgl. Blümich/Ehmke, a.a.O., Anm.604 zu § 6 EStG m.w.N.).

3. Da die Höhe des Teilwerts im übrigen auch aus der übereinstimmenden Sicht der Beteiligten keinen Anlaß zu rechtlichen Bedenken gibt, ist die Revision zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

Einer Vorlage an den Großen Senat nach § 11 Abs.3 FGO wegen der Abweichung von dem Urteil des I.Senats vom 9.Juni 1964 I 38/64 (a.a.O.) bedarf es nicht, weil jene Entscheidung nicht gemäß § 64 der Reichsabgabenordnung veröffentlicht worden ist (§ 184 Abs.2 Nr.5 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 63948

BFH/NV 1991, 54

BStBl II 1991, 627

BFHE 164, 232

BFHE 1992, 232

BB 1991, 1532

BB 1991, 1532-1533 (LT)

DB 1991, 1754-1755 (LT)

DStR 1991, 939 (KT)

HFR 1991, 649 (LT)

StE 1991, 254 (K)

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