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BFH Urteil vom 15.05.1974 - I R 255/71

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Leitsatz (amtlich)

Geht ein Tankstellenverwalter (Pächter) von der Gewinnermittlung durch Überschußrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§ 5 EStG) über, bleiben bei der Ermittlung des Korrekturpostens Agenturbestände und die mit ihnen zusammenhängenden Herausgabe- und Abrechnungsverpflichtungen außer Ansatz.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3, § 5

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Tankstellenpächterin. Sie ermittelte ihren Gewinn bis einschließlich 1965 durch Einnahmenüberschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Ab 1. Januar 1966 ging sie zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 5 EStG über und wies in der Bilanz zum 1. Januar 1966 u. a. folgende Posten aus:

Aktivseite

Agenturbestände an Kraft- und Schmierstoffen 87 000 DM

eigene Waren und Materialbestand 5 500 DM

Forderungen aufgrund von Lieferungen und Leistungen 1 500 DM

diverse sonstige Forderungen 8 000 DM

Passivseite

Rückgabeverpflichtung Agenturbestände 95 000 DM

Inkasso Mineralölfirma 17 500 DM

diverse sonstige Verbindlichkeiten 3 200 DM.

Sie begehrte wegen des Wechsels für 1966 eine Gewinnkürzung von 13 700 DM, die sie aus den oben angeführten Passivposten abzüglich Aktivposten errechnete. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) war demgegenüber der Ansicht, daß eine Hinzurechnung von 11 800 DM vorzunehmen sei (ohne Berücksichtigung des Aktivpostens "Agenturbestände" und der Passivposten "Rückgabeverpflichtung" und "Inkasso").

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG hat ausgeführt: Die Klägerin verkaufe die Kraft- und Schmierstoffe im Namen und für Rechnung der Mineralölfirma. Die Agenturware und die Inkassogelder seien Fremdvermögensteile, die allenfalls als durchlaufende Posten erfaßt werden dürften, jedoch ohne Einfluß auf die Gewinnermittlung blieben. Eine Herausnahme der streitigen Posten aus der Bilanz führe entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dazu, daß sich der laufende Gewinn 1966 genau in dem Umfang ermäßige, in dem das FA den Hinzurechnungsbetrag erhöht habe. Die Differenz zwischen den Posten Rückgabeverpflichtung und Agenturbestände von 8 000 DM sei eine Geldschuld der Klägerin gegenüber der Mineralölfirma aus noch nicht abgerechneten Verkaufserlösen, der Posten Inkasso eine Geldschuld aus abgerechneten Verkaufserlösen. Da diesen Verbindlichkeiten auf der Aktivseite ein gleichgroßer Betrag innerhalb der Geldkonten gegenüberstehe, beeinflusse ihr Wegfall weder das Kapitalkonto noch den laufenden Gewinn 1966.

Die Klägerin hat Revision eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß bei dem Übergang von der Gewinnermittlung durch Überschußrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 § 5 EStG) der Gewinn des ersten Jahres mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG durch einen Zuschlag oder Abschlag zu korrigieren ist; der Unternehmer soll durch die Korrekturposten so gestellt werden, als ob er seit Beginn der Überschußrechnung seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt hätte (u. a. Urteile des BFH vom 28. Mai 1968 IV R 202/67, BFHE 92, 555, BStBl II 1968, 650; vom 3. Juli 1968 I 113/65, BFHE 93, 230, BStBl II 1968, 736; vom 7. Dezember 1971 VIII R 22/67, BFHE 104, 340, BStBl II 1972, 338; siehe auch Abschn. 19 EStR nebst Anlage 3). FA und FG haben die Korrekturposten zutreffend ermittelt. Zu Beginn der Überschußrechnung waren, worüber kein Streit besteht, weder Bestände noch Schulden vorhanden. Am Abschluß der Überschußrechnung steht die Bilanz zum 1. Januar 1966. Die in ihr enthaltenen Positionen Agenturware, Rückgabeverpflichtung und Inkasso sind nicht in die Gewinnkorrektur einzubeziehen, ohne daß entschieden werden müßte, ob sie bei dem Tankstellenverwalter überhaupt bilanzierungsfähig sind und wie die ihnen zugrunde liegenden Geschäftsvorfälle zu buchen sind.

Ein Tankstellenverwalter (Pächter), der Kraft- und Schmierstoffe im Namen und für Rechnung einer Mineralölfirma verkauft, wird aufgrund eines Handelsvertretervertrags tätig (Urteil des BGH vom 9. Juni 1969 VII ZR 49/67, Neue Juristische Wochenschrift 1969 S. 1662). Die ihm zum Verkauf überlassenen Kraft- und Schmierstoffe bleiben Eigentum der Mineralölfirma, bis er es als Vertreter der Mineralölfirma an die Abnehmer überträgt. Der Verwalter erlangt an ihnen auch kein wirtschftliches Eigentum, weil der Eigentümerherausgabeanspruch der Mineralölfirma wirtschaftliche Bedeutung behält (dazu BFH-Urteil vom 26. Januar 1970 IV R 144/66, BFHE 97, 466, BStBl II 1970, 264, unter C III 1); das zeigt sich insbesondere in dem Falle einer Auflösung des Vertragsverhältnisses (z. B. im Konkurs des Verwalters). Da der Handelsvertretervertrag ein Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675 BGB ist (Schröder bei Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl., 1973, § 86 Tz. 35), ist der Tankstellenverwalter verpflichtet, der Mineralölfirma alles, was er zur Ausführung des Auftrags und aus der Geschäftsbesorgung erhält, herauszugeben (§ 667 BGB). Dazu gehören die Waren, die er nicht verkauft, oder die ihm von Käufern zurückgegeben werden, sowie der Kaufpreis, den er von den Käufern einzieht (Schröder, a. a. O.). Darf der Verwalter die Kaufpreisgelder seinem Kassenbestand hinzufügen oder auf seine Konten überweisen lassen, wird er zwar insoweit verfügungsbefugt, bleibt aber doch (schuldrechtlich) verpflichtet, den Gegenwert herauszugeben.

Hieraus folgt: Die Übernahme der Kraft- und Schmierstoffe durch den Verwalter, deren Veräußerung, die Vereinnahmung der Kaufpreisgelder durch den Verwalter und deren Weiterleitung an die Mineralölfirma, berühren weder die Gewinnermittlung durch Überschußrechnung noch die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich. Bei der Gewinnermittlung durch Überschußrechnung liegen durchlaufende Posten vor, die als Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben ausscheiden (§ 4 Abs. 3 Satz 2 EStG), und auch bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich hat die Ausführung von Fremdgeschäften keine Auswirkung auf das Betriebsvermögen und den Gewinn. Es bedarf insoweit beim Wechsel der Gewinnermittlungsart keiner Korrektur. Bilanzierte Agenturbestände, Rückgabeverpflichtungen und Abführungsverpflichtungen aus abgerechneten und nicht abgerechneten Verkäufen sind außer Ansatz zu lassen.

Um derartige Posten handelt es sich hier. Die Agenturbestände in Höhe von 87 000 DM gehören der Mineralölfirma. Der Passivposten "Inkasso Mineralölfirma" in Höhe von 17 500 DM entspricht der Abführungsverpflichtung der Klägerin aus abgerechneten Verkäufen. Der Passivposten "Rückgabeverpflichtung Agenturbestände" = 95 000 DM weist in Höhe von 87 000 DM die Verpflichtung zur Rückgabe der vorhandenen Kraft- und Schmierstoffe (= aktivierte Bestände) und in Höhe von 8 000 DM die Abführungsverpflichtung aus noch nicht abgerechneten Verkäufen aus.

Dennoch muß die Vorentscheidung aufgehoben werden, weil möglicherweise der laufende Gewinn 1966 zu hoch angesetzt worden ist. Das FG ist davon ausgegangen, daß die Klägerin an den Kaufpreisgeldern Verfügungsbefugnis erlangt, die Kaufpreisgelder also in ihrem Kassenbestand vereinnahmt habe oder auf ihre Konten habe überweisen lassen. Dieser Annahme steht entgegen, daß die Abführungsverpflichtungen aus abgerechneten und nicht abgerechneten Verkäufen am 1. Januar 1966 = 25 500 DM (17 500 DM + 8 000) betrugen, während Kassenbestand, Bank- und Postscheckkonto am 1. Januar 1966 zusammengerechnet nur 25 450 DM ergeben. Es ist daher nicht auszuschließen, daß die Klägerin die Kaufpreisgelder ganz oder teilweise getrennt von ihren Beständen gehalten hat und daß insoweit schon aus diesem Grunde eine Passivierung der entsprechenden Abführungsverpflichtung entfallen müßte. In diesem Falle würde sich - wie die Klägerin hilfsweise geltend gemacht hat - ohne Veränderung des Korrekturpostens der laufende Gewinn 1966 infolge Anhebung des Anfangsvermögens ermäßigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70933

BStBl II 1974, 518

BFHE 1974, 381

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