Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BFH Urteil vom 11.11.2004 - V R 36/02 (NV) (veröffentlicht am 05.01.2005)

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen
 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten; Umsatzsteuer

 

Leitsatz (NV)

Ein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO kann nur dann vorliegen, wenn die gewählte Gestaltung nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zugrunde liegen, der Steuerumgehung dienen soll. Die Einschaltung einer Luxemburger Aktiengesellschaft durch deren Mehrheitsgesellschafter mit Inlandswohnsitz zum Warenvertrieb kann schon deshalb nicht zur Umgehung der Besteuerung führen, weil sich die Steuerbarkeit nach dem Ort richtet, an dem sich der Gegenstand der Lieferung zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (§ 3 Abs. 7 UStG) bzw. in Beförderungs-/Versendungsfällen nach dem Ort, an dem die Beförderung/Versendung beginnt (§ 3 Abs. 6 UStG). Der Vertrieb durch eine Luxemburger Gesellschaft kann daher nicht der Steuerumgehung dienen.

 

Normenkette

UStG 1980 § 3 Abs. 6-7; AO 1977 § 42

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes (Urteil vom 07.11.2000; Aktenzeichen 1 K 128/98; EFG 2001, 214)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der in den Streitjahren 1982 bis 1984 jeweils Einnahmen aus Provisionsvertretungen als selbständiger Handelsvertreter erklärte, meldete sich am 19. Dezember 1980 nach Luxemburg ab und wurde seither vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen als beschränkt steuerpflichtig behandelt. Schon 1977 hatte er in Luxemburg die B-AG gegründet. Der Kläger hielt 94 % der Anteile am Stammkapital der Gesellschaft. Er war gleichzeitig bei der B-AG angestellt und ihr Generalbevollmächtigter.

Nach dem Vortrag des Klägers war ursprünglich beabsichtigt, alle Geschäfte der B-AG von Luxemburg aus zu betreiben. Jedoch verlagerten sich die Aktivitäten der B-AG absatz- und zulieferbedingt zunehmend nach Deutschland, wo sie seit dem 1. Januar 1980 eine Niederlassung in S betrieb. Von dort aus erfolgte in den Streitjahren der Verkauf und Vertrieb von Bautenschutzmitteln.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der Niederlassung im Jahre 1987 kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die Filiale in S als Einzelfirma des Klägers zu behandeln sei, weil sich die geschäftliche Oberleitung in S befinde und nahezu die gesamten geschäftlichen Aktivitäten der B-AG, insbesondere die Rechnungslegung, der Zahlungsverkehr und die Buchhaltung, von S aus abgewickelt würden. Er behandelte die Filiale der B-AG als Einzelfirma des Klägers und ging ferner von einem Wohnsitz des Klägers im Inland aus. Die Feststellungen führten zu einer Änderung der Einkommen-, Umsatz-, Gewerbesteuermess- und Einheitswertbescheide; sämtliche Aktivitäten der B-AG wurden dem Kläger zugerechnet.

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage als unbegründet ab.

Zur Begründung führte es u.a. aus, der Umsatzsteuer unterlägen bestimmte Leistungen, soweit sie im Inland ausgeführt würden. Nach § 3a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) sei bei sonstigen Leistungen der Ort ausschlaggebend, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibe. Soweit das Unternehmen von einer Betriebsstätte aus betrieben werde, gelte die Betriebsstätte als Ort der sonstigen Leistung. Im Streitfall habe der Kläger im Inland einen Wohnsitz gehabt und das vom Kläger betriebene Unternehmen eine Betriebsstätte unterhalten. Sämtliche Aktivitäten der B-AG seien vom Kläger betrieben worden, und zwar überwiegend von der Wohnung in Saarbrücken aus. Die B-AG in Luxemburg habe vom Kläger lediglich Mittel erhalten, die sein Gehalt und die Verwaltungskosten abgedeckt hätten. Eigene Aktivitäten habe sie nicht entfaltet.

Das FA habe zu Recht sämtliche Aktivitäten der B-AG dem Kläger zugerechnet. Die rechtliche Grundlage für diese Zurechnung bilde § 42 der Abgabenordnung (AO 1977), weil die Einschaltung der AG als juristische Person ausländischen Rechts rechtsmissbräuchlich gewesen sei.

Der Kläger sei der eigentliche Betreiber des im Inland aktiven Unternehmens gewesen. Gewinne, Umsätze und Betriebsvermögen seien ihm zuzurechnen. Es finde auch eine Umqualifizierung der von ihm erzielten Lohneinkünfte statt.

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 214 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen und formellen Rechts.

Er beantragt, das FG-Urteil und die gegen ihn gerichteten streitbefangenen Steuerbescheide aufzuheben.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Der Rechtsstreit wurde beim Bundesfinanzhof (BFH) zunächst unter dem Az. I R 15/01 geführt. Die Sache wegen Umsatzsteuer 1982 bis 1984 wurde zur gesonderten Entscheidung abgetrennt und an den V. Senat abgegeben. Das Urteil des I. Senats vom 19. März 2002 führte betreffend die Einkommensteuer, die Gewerbesteuermessbeträge und die Einheitswerte des Betriebsvermögens zur Aufhebung der Vorentscheidung. Die Sache wurde wegen Einkommensteuer 1982 bis 1984 an das FG zurückverwiesen. Die Gewerbesteuermessbescheide 1982 und 1984 sowie die Bescheide über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1983 und zum 1. Januar 1984 wurden aufgehoben.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Der Kläger hat die streitigen Umsätze nicht ausgeführt. Eine Anwendung des § 42 AO 1977 kommt nicht in Betracht.

1. Der Umsatzsteuer unterliegen u.a. unter den im Gesetz näher bezeichneten Voraussetzungen Lieferungen und sonstige Leistungen gegen Entgelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980). Wer Leistender im Sinne des Umsatzsteuerrechts ist, ergibt sich aus den dem Leistungsaustausch zugrunde liegenden zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen. Leistender ist danach regelmäßig der zivilrechtlich zur Leistung Verpflichtete, der die Leistung auch tatsächlich erbracht hat (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Urteil vom 1. Februar 2001 V R 6/00, BFH/NV 2001, 941, m.w.N.).

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) hatte die B-AG, vertreten durch den Kläger als Generalbevollmächtigten, die entsprechenden Verträge mit den Kunden abgeschlossen. Sie hat die streitigen Leistungen im Wesentlichen von ihrer Niederlassung in S aus erbracht.

Sie hat die Tätigkeit auch selbständig ausgeübt; insbesondere fehlt es an Anhaltspunkten für eine Eingliederung der B-AG als Organgesellschaft in das Unternehmen des Klägers (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1980).

2. Die Umsätze können dem Kläger auch nicht auf der Grundlage des § 42 AO 1977 zugerechnet werden.

Nach § 42 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 kann das Steuergesetz nicht durch einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts umgangen werden. Eine Gestaltung ist dann rechtsmissbräuchlich, wenn sie, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen und ungewöhnlich ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Urteil vom 17. Dezember 2003 IX R 56/03, BFHE 205, 70, BStBl II 2004, 648, m.w.N.).

Ein Gestaltungsmissbrauch liegt jedoch nur dann vor, wenn die gewählte Gestaltung nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zugrunde liegen, der Steuerumgehung dienen soll (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Urteil vom 19. Mai 2004 III R 18/02, BFH/NV 2004, 1597, m.w.N.).

Im Streitfall war nach den maßgeblichen umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften durch die Einschaltung der Luxemburger B-AG eine Umgehung der Besteuerung der streitigen Umsätze nicht möglich.

Die Leistungen, die die B-AG erbracht hat, bestanden nach den Feststellungen in der Vorentscheidung im Verkauf und Vertrieb von Bautenschutzmitteln. Da es sich insoweit um Lieferungen handelt, bestimmt sich der Leistungsort nach § 3 Abs. 6, 7 UStG 1980. Maßgebend für die Steuerbarkeit ist der Ort, an dem sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (§ 3 Abs. 7 UStG 1980) bzw. in Beförderungs-/Versendungsfällen der Ort, an dem die Beförderung/Versendung beginnt (§ 3 Abs. 6 UStG 1980). Dass es sich bei der B-AG um eine Luxemburger Gesellschaft handelt, ist danach für die Besteuerung von ggf. im Inland ausgeführten Umsätzen nicht erheblich; deren Einschaltung konnte daher nicht der Steuerumgehung dienen.

 

Fundstellen

BFH/NV 2005, 392

HFR 2005, 203

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Produktempfehlung
haufe-product

    Meistgelesene Beiträge
    • Checkliste Jahresabschluss 2025 / 12.1.1 Prüfungsauftrag
      2
    • Steuer Check-up 2025 / 2.12.3 Grunderwerbsteuer auch bei Treuhandverhältnissen
      2
    • AO-Handbuch, Anhang zur amtlichen Handausgabe 2024
      1
    • Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, HGB ... / 2.2 Angaben zu den Posten des Konzernabschlusses
      1
    • Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, HGB ... / 4 Ausweis von Unterschiedsbeträgen aus der Erstkonsolidierung (Abs. 3)
      1
    • Eigenbelege: Der richtige Umgang mit Eigenbelegen und Er ... / 5 Ersatzbeleg/Notbeleg für nicht mehr vorhandene Belege
      1
    • Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen
      1
    • Geschenke / 5 Wertbestimmung
      1
    • Mietvertrag bei Angehörigen nach Grundstücksverkauf
      1
    • Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 12 Abs. 2 Nr. 7d [Zirku ... / 1.3 Kein Wahlrecht zwischen Steuerbefreiung und Steuerpflicht
      1
    • Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 22d Steuernummer und zu ... / 2 Steuernummer und USt-IdNr.
      1
    • Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 6a Innergemeinschaftlic ... / 4.8 Versagung der Steuerbefreiung bei Beteiligung an einer Steuerhinterziehung
      1
    Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Haufe Finance Office Premium
    Top-Themen
    Downloads
    Zum Haufe Shop
    Produktempfehlung


    Zum Thema Finance
    Haufe Shop: E-Rechnung wird zur Pflicht
    E-Rechnung_Whitepaper_3D
    Bild: Haufe Online Redaktion

    Die verpflichtende Einführung der E-Rechnung im B2B-Bereich zum 1.1.2025 stellt eine wesentliche Neuerung für viele Unternehmen dar.


    Umsatzsteuergesetz / § 3 Lieferung, sonstige Leistung
    Umsatzsteuergesetz / § 3 Lieferung, sonstige Leistung

      (1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).  (1a) ...

    4 Wochen testen


    Newsletter Finance
    Newsletter Steuern und Buchhaltung

    Aktuelle Informationen aus den Bereichen Steuern und Buchhaltung frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

    • Für Praktiker im Rechnungswesen
    • Buchhaltung und Lohnbuchhaltung
    • Alles rund um betriebliche Steuern
    Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
    Bitte bestätigen Sie noch, dass Sie unsere AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptieren.
    Haufe Fachmagazine
    Themensuche
    A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
    Zum Finance Archiv
    Haufe Group
    Haufe People Operations Haufe Fachwissen Haufe Onlinetraining Haufe HR-Software Haufe Digitale Personalakte Lexware rudolf.ai - Haufe meets AI
    Weiterführende Links
    RSS Newsletter FAQ Mediadaten Presse Editorial Code of Conduct Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz Netiquette Sitemap Buchautor:in werden bei Haufe
    Kontakt
    Kontakt & Feedback AGB Cookie-Einstellungen Compliance Datenschutz Impressum
    Haufe Rechnungswesen Shop
    Rechnungswesen Produkte Buchführung Software und Bücher Bilanzierung & Jahresabschluss Lösungen Produkte zu Kostenrechnung Produkte zur IFRS-Rechnungslegung Haufe Shop Buchwelt

      Weitere Produkte zum Thema:

      × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

      Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

      Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

      Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

      Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren