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BFH Urteil vom 10.09.1991 - VIII R 26/87 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlung des gemeinen Werts von Betriebsgrundstücken bei Betriebsaufgabe

Leitsatz (NV)

Der gemeine Wert der im Rahmen einer Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) in das Privatvermögen überführten Grundstücke und Gebäude entspricht in der Regel dem Verkehrswert.

Dieser kann auf der Grundlage der Verordnung über die Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken in der Fassung vom 15. August 1972 (BGBl I, 1417) geschätzt werden.

Normenkette

EStG § 16 Abs. 3; WertV vom 15. August 1972 (BGBl I, 1417)

Verfahrensgang

FG des Saarlandes ()

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind die ehemaligen Kommanditisten einer KG. Komplementär der KG war Z, ein Bruder der Kläger. Z hatte seinen Mitunternehmeranteil von 35 v. H. an der KG mit Wirkung vom 1. Januar 1978 an den Kläger zu 1 entgeltlich veräußert. Danach haben die Kläger ebenfalls am 1. Januar 1978 die KG in der Weise liquidiert, daß sie die betrieblich genutzten Grundstücksteile in ihr Privatvermögen übertrugen, während die übrigen Wirtschaftsgüter an die X-GmbH entgeltlich veräußert wurden. Das Erlöschen der KG wurde am 6. April 1978 in das Handelsregister eingetragen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) wertete diesen Sachverhalt als Betriebsveräußerung im Jahre 1978. Er ermittelte zunächst einen Veräußerungsgewinn für das Streitjahr 1978 mit . . . DM, den er den Klägern entsprechend ihrer Beteiligung an der KG - Kläger zu 1 60 v. H., Klägerinnen zu 2 und 3 je 20 v. H. - zurechnete (Gewinnfeststellungsbescheid vom 16. Dezember 1981).

Der Veräußerungsgewinn (Aufgabegewinn) beruhte im wesentlichen auf der Aufdeckung stiller Reserven, die durch die Übernahme der betrieblich genutzten Grundstücksteile ins Privatvermögen der Kläger entstanden sind. Bei der Wertermittlung ging das FA von einem Gutachten des . . .bauamtes vom 9. April 1981 aus, das für die Grundstücke A-Straße zum Tag der Betriebsaufgabe 1. Januar 1978 einen Bodenwert pro Quadratmeter von . . . DM und für die Grundstücke in der B-Straße einen solchen von . . . DM auswies.

Gegen den Feststellungsbescheid vom 16. Dezember 1981 legten die Kläger Einsprüche ein. Sie meinten, die zu berücksichtigende Grundstücksfläche betrage statt 1 033 qm nur 870 qm. Außerdem sei bei der Ermittlung des Aufgabegewinns im Bereich A-Straße von einem Bodenwert von . . . DM/qm und im Bereich B-Straße von einem Bodenwert von . . . DM/qm auszugehen, wie ihn der Gutachterausschuß der Stadt . . . zum 1. Dezember 1977 festgesetzt habe.

Mit geändertem Gewinnfeststellungsbescheid 1978 vom 26. September 1983 wurde der Aufgabegewinn auf . . . DM herabgesetzt. Das FA ging nun ebenfalls von einer zu berücksichtigenden Gesamtgrundstücksfläche von 870 qm aus, hielt jedoch an den Bodenwerten des . . .bauamtes fest. Mit Einspruchsentscheidung vom 13. Mai 1985 wurden die Einsprüche im übrigen als unbegründet zurückgewiesen.

Die dagegen erhobene Klage, mit der die Kläger weiterhin auf der Grundlage der vom Gutachterausschuß festgesetzten Bodenwerte die Ermittlung des Aufgabegewinns begehrten, hatte Erfolg.

Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) aus, die Überführung der Betriebsgrundstücke in das Privatvermögen stelle eine Entnahme dar, für die nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Teilwert anzusetzen sei. Dabei habe die Teilwertermittlung auf der Basis der Werte des Gutachterausschusses zum Stichtag 1. Dezember 1977 zu erfolgen.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Das FA meint, bei der Teilwertermittlung der ins Privatvermögen überführten Betriebsgrundstücke sei im Streitfall von den vom . . .bauamt ermittelten Bodenwerten auszugehen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Ermittlung des streitigen Veräußerungsgewinns (Aufgabegewinns) im finanzgerichtlichen Urteil ist nicht frei von Rechtsfehlern.

1. Eine Aufgabe des Gewerbebetriebs i. S. des § 16 Abs. 3 EStG liegt vor, wenn aufgrund eines Entschlusses des Betriebsinhabers, den Betrieb aufzugeben, alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang entweder in das Privatvermögen überführt oder veräußert werden und dadurch der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Februar 1990 III R 173/86, BFHE 159, 505, BStBl II 1990, 497).

Im Streitfall liegt eine Betriebsaufgabe im vorstehenden Sinne vor, daß die KG am 1. Januar 1978 vollständig liquidiert wurde.

2. a) Der Aufgabegewinn ist nach § 16 Abs. 3 Sätze 2 und 3 i. V. m. Abs. 2 EStG zu ermitteln. Hiernach ist zunächst die Summe der Veräußerungserlöse der im Rahmen der Betriebsaufgabe veräußerten Wirtschaftsgüter sowie der gemeine Wert der nicht veräußerten, in das Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter zu ermitteln; dieser Betrag ist dem Buchwert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe gegenüberzustellen. Der Unterschied zwischen diesen Werten - abzüglich etwaiger Aufgabe- und Veräußerungskosten - ergibt den Aufgabegewinn (vgl. BFH-Urteil in BFHE 159, 505, BStBl II 1990, 497).

b) Der gemeine Wert der im Rahmen der Betriebsaufgabe in das Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter ist nach § 9 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu ermitteln (BFH-Urteil vom 27. Februar 1985 I R 235/80, BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456). Danach ist der Preis maßgebend, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der einzelnen Wirtschaftsgüter bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dies ist bei Grundstücken und Gebäuden regelmäßig der Verkehrswert (BFH-Urteil vom 13. Oktober 1983 I R 76/79, BFHE 140, 182, BStBl II 1984, 294). Dieser kann auf der Grundlage der Verordnung über die Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken in der Fassung vom 15. August 1972 (BGBl I, 1417) geschätzt werden. Welches Wertermittlungsverfahren (Vergleichswert-, Sachwert- oder Ertragswertverfahren) hierbei zugrunde zu legen ist, ergibt sich aus den Gegebenheiten des Einzelfalls (Urteil in BFHE 159, 505, BStBl II 1990, 497). Hat allerdings der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe die sichere Erwartung, seinen Grundbesitz zu einem über dem Verkehrswert liegenden Preis verkaufen zu können, so ist als gemeiner Wert der höhere Preis anzusetzen (BFH-Urteil in BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456).

3. Die Gewinnermittlung des FG entspricht nicht diesen Grundsätzen. Das FG ist bei der Ermittlung des Betriebsaufgabegewinns davon ausgegangen, daß der betrieblich genutzte Grundbesitz mit dem Teilwert zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe anzusetzen sei. Maßgebend ist jedoch der gemeine Wert nach § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG. Das finanzgerichtliche Urteil kann deshalb keinen Bestand haben.

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Der erkennende Senat ist mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen im finanzgerichtlichen Urteil zum gemeinen Wert des ehemals betrieblich genutzten Grundbesitzes zum 1. Januar 1978 nicht in der Lage, den Betriebsaufgabegewinn für die Kläger selbst festzustellen. Die vom FG bei der Teilwertermittlung des Grundbesitzes berücksichtigten Bodenwerte des Gutachterausschusses können nicht ohne weiteres bei der Ermittlung des gemeinen Werts der Betriebsgrundstücke zugrunde gelegt werden, zumal aus dem Schreiben des Gutachterausschusses vom 3. Februar 1982 nicht erkennbar ist, wie dieser Wert ermittelt wurde.Dies gilt gleichermaßen für die vom . . .bauamt im Gutachten vom 9. April 1981 angesetzten Bodenwerte. Die Sache ist deshalb an das FG zurückzuverweisen, das die erforderlichen Feststellungen nachholen wird. Bei der Ermittlung des gemeinen Werts, den die Betriebsgrundstücke zum Betriebsaufgabezeitpunkt hatten, kann ein Gutachten des Gutachterausschusses unter Heranziehung geeigneter Vergleichswerte aus der Kaufpreissammlung (§§ 192 f. des Baugesetzbuches, §§ 3 f. der Wertermittlungsverordnung) ein wichtiges Erkenntnismittel sein, ohne jedoch für das FG eine verbindliche Aussage darzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1989 IV R 201/85, BFH/NV 1990, 88, Rößler / Langer / Simon / Kleiber, Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten, 6. Aufl., S. 34).

Fundstellen

  • Haufe-Index 417984
  • BFH/NV 1992, 232

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