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BFH Urteil vom 08.09.1993 - I R 27/93 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Herstellung der Ausschüttungsbelastung

 

Leitsatz (NV)

1. Gehört es zum Gesellschaftszweck einer Kapitalgesellschaft Wohn- oder Geschäftsbauten zu errichten, und ist ihr beherrschender Gesellschaftergeschäftsführer Architekt, so bedarf es zur Vermeidung einer verdeckten Gewinnausschüttung oder einer anderen Ausschüttung klarer vertraglicher Abreden, wenn dieser berechtigt sein soll, der Kapitalgesellschaft außerhalb seiner Geschäftsführertätigkeit entgeltliche Architektenleistungen zu erbringen (Bestätigung BFH-Urteil vom 9. Februar 1983 I R 229/81, BFHE 138, 208, BStBl II 1983, 487).

2. Für den Zeitpunkt der Herstellung der Ausschüttungsbelastung ist nicht entscheidend, wann sich die Leistung an den Gesellschaftergeschäftsführer auf das Einkommen der Kapitalgesellschaft auswirkt.

3. Die Ausschüttungsbelastung ist auch für den Veranlagungszeitraum herzustellen, in dem die Kapitalgesellschaft zwar errichtet, aber noch nicht im Handelsregister eingetragen ist, die Eintragung aber tatsächlich folgt.

 

Normenkette

KStG § 8 Abs. 3 S. 2, § 27

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, wurde 1982 gegründet und 1983 ins Handelsregister eingetragen. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Errichtung von Wohn- und Geschäftsbauten sowie die Baubetreuung. Gesellschafter zu 90% und alleiniger von § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreiter Geschäftsführer der Klägerin war S. S betrieb daneben ein Architekturbüro.

Nach dem 1982 zwischen der Klägerin und S abgeschlossenen Dienstvertrag oblag S die gesamte kaufmännische und technische Leitung der Klägerin. S hatte nach § 1 letzter Satz des Dienstvertrags der Klägerin sein ganzes Wissen und Können zur Verfügung zu stellen. Gemäß § 2 Abs. 1 des Dienstvertrags war S berechtigt, Teile seines Tätigkeitsbereichs auf seine Kosten zu delegieren, soweit die Entwicklung der Gesellschaft dies zweckmäßig und notwendig erscheinen ließ, und gemäß § 2 Abs. 2 des Dienstvertrags neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer weitere leitende Funktionen zu übernehmen. Gemäß § 9 des Dienstvertrags waren mit der Tätigkeitsvergütung nach § 6 des Dienstvertrags alle Tätigkeiten des Geschäftsführers für die Gesellschaft abgegolten.

Die Klägerin zahlte an S Honorare in Höhe von 80000 DM (1982) und 216400 DM (1983) für Architektenleistungen. Sie aktivierte diese Zahlungen bei halbfertigen Arbeiten der jeweiligen Bauvorhaben.

Im Anschluß an eine Außenprüfung behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Honorare als verdeckte Gewinnausschüttungen gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und als andere Ausschüttungen i.S. des § 27 Abs. 3 KStG. Für die Honorarzahlungen stellte das FA in den Streitjahren 1982 und 1983 die Ausschüttungsbelastung her, woraus sich Körperschaftsteuererhöhungen in Höhe von 45000 DM (1982) und 121725 DM (1983) ergaben. Da die Klägerin die Honorarzahlungen aktiviert hatte, zog das FA die Rechtsfolgen aus § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG erst im Zeitpunkt der Veräußerung des jeweiligen Bauvorhabens. Dies führte dazu, daß das FA Honorare in Höhe von 30000 DM, die die Klägerin an S 1982 gezahlt hatte, nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG bei der Veräußerung des Bauvorhabens X 1983 ansetzte. Im übrigen fehlte es nach Auffassung des FA an der für die Anwendung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG notwendigen Vermögensminderung, da die Honorarzahlungen aktiviert waren. Das zu versteuernde Einkommen stellte das FA auf ./. 36886 DM (1982 und ./. 605490 DM (1983) und die Tarifbelastung jeweils auf 0 DM fest. Das verwendbare Eigenkapital stellte das FA zum 31. Dezember 1982 auf ./. 36886 DM (EK 02), zum 31. Dezember 1983 auf ./. 767376 DM (EK 02) und zum 31. Dezember 1984 auf ./. 1358338 DM (EK 02) fest.

Die Klage hatte insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) in den Honorarzahlungen für die Zeit vor Eintragung der Klägerin im Handelsregister eine Entnahme und keine zur Herstellung der Ausschüttungsbelastung vorauszusetzende andere Ausschüttung sah. Im übrigen vertrat es die Auffassung, daß bereits mit den Honorarzahlungen und nicht erst im Zeitpunkt des Verkaufs der Bauobjekte verdeckte Gewinnausschüttungen vorlägen, da die Klägerin diese zu Unrecht aktiviert habe. Dies führte dazu, daß das FG für 1982 keine Ausschüttungsbelastung herstellte und für 1982 das zu versteuernde Einkommen um 30000 DM niedriger feststellte. Dementsprechend änderte es auch die Feststellungen des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 1983 und 31. Dezember 1984, nachdem die Klägerin die Klage gegen die Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 1982 zurückgenommen hatte.

Mit der Revision beantragt das FA, unter Aufhebung des Urteils des FG die Klage abzuweisen. Es rügt Verletzung des § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 252 Abs. 1 Nr. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) i.V.m. § 8 Abs. 3 Satz 2 und § 27 Abs. 3 KStG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Für die Honorarzahlung 1982 ist die Ausschüttungsbelastung herzustellen, auch wenn die Klägerin erst 1983 im Handelsregister eingetragen wurde. Für den Zeitpunkt der Herstellung der Ausschüttungsbelastung ist nicht entscheidend, wann sich die Vermögensminderung auf das Einkommen der Kapitalgesellschaft auswirkte.

a) Die Honorarzahlungen sind (andere) Ausschüttungen i.S. des § 27 KStG.

Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 1 KStG ist eine Leistung einer Kapitalgesellschaft an ihren Anteilseigner in Erfüllung eines Gewinnverteilungsbeschlusses oder in Vollzug einer anderen Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 KStG (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Dezember 1987 I R 260/83, BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460). Eine andere Ausschüttung liegt vor, wenn die Leistung der Kapitalgesellschaft keine offene Gewinnausschüttung ist, jedoch durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist und bei der Kapitalgesellschaft abfließt (vgl. BFH-Urteil vom 31. Oktober 1990 I R 47/88, BFHE 162, 546, BStBl II 1991, 255 m.w.N.).

Die Leistung der Kapitalgesellschaft ist durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt, wenn sie bei der Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt worden wäre. Ist - wie im Streitfall - der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so ist eine andere Ausschüttung u.a. auch dann anzunehmen, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung fehlt. Für die Frage, ob der Leistung der Kapitalgesellschaft ein schuldrechtlicher oder ein gesellschaftlicher Anlaß zugrunde liegt, gilt insoweit nichts anderes als bei der verdeckten Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (vgl. z.B. BFH-Urteile vom14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795; vom 13. März 1991 I R 1/90, BFHE 164, 255, BStBl II 1991, 597; vom 11. Dezember 1991 I R 49/90, BFHE 166, 545, BStBl II 1992, 434).

Gehört es zum Gesellschaftszweck einer Kapitalgesellschaft, Wohn- oder Geschäftsbauten zu errichten und daher zu diesem Zweck auch Pläne zu fertigen und ist der beherrschende Gesellschafter selbst Architekt, so bedarf es im voraus getroffener klarer vertraglicher Abreden zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Gesellschafter, wenn dieser berechtigt sein soll, außerhalb seiner Tätigkeit als Geschäftsführer entgeltliche Architektenleistungen zu erbringen (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 1983 I R 229/81, BFHE 138, 208, BStBl II 1983, 487; vgl. auch BFH-Urteil vom 12. April 1989 I R 142-143/85, BFHE 156, 484, BStBl II 1989, 636). Das FG hat in einer revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Weise festgestellt, daß es an einer derartigen klaren und eindeutigen Vereinbarung fehlt. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß sich eine klare und eindeutige Begrenzung im Einzelfall aus dem Gesellschaftszweck der Kapitalgesellschaft ergeben kann. Da der Gesellschaftszweck der Klägerin aber mit Errichtung von Wohn- und Geschäftsbauten, sowie die Baubetreuung umrissen ist, gehörte es auch zu den Aufgaben des Geschäftsführers S, der Verfolgung dieses Zwecks dienende Architektenleistungen zu erbringen.

b) Für den Zeitpunkt der Herstellung der Ausschüttungsbelastung ist nicht entscheidend, wann sich die Honorarzahlungen vermögensmindernd auf das Einkommen der Kapitalgesellschaft auswirkten.

Ausschüttungszeitpunkt und damit Zeitpunkt für die Herstellung der Ausschüttungsbelastung ist derjenige, in dem die Ausschüttung bei der Kapitalgesellschaft abfließt (vgl. BFH-Urteil vom 31. Oktober 1990 I R 47/88, BFHE 162, 546, BStBl II 1991, 255 m.w.N.). Für den Zeitpunkt der Herstellung der Ausschüttungsbelastung ist daher unerheblich, wann sich der Abfluß einkommensmindernd auswirkt (vgl. BFH-Urteile vom 30. Mai 1990 I R 41/87, BFHE 161, 87, 90, BStBl II 1991, 588; BFHE 156, 484, BStBl II 1989, 636 m.w.N.). Häufig decken sich allerdings die Vermögensminderung einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und der Abfluß der (anderen) Ausschüttung i.S. des § 27 KStG (so auch BFH in BFHE 162, 546, BStBl II 1991, 255).

c) Die Ausschüttungsbelastung ist auch für die Veranlagungszeiträume herzustellen, in denen eine Kapitalgesellschaft zwar errichtet, aber noch nicht ins Handelsregister eingetragen ist, eine Eintragung aber tatsächlich folgt. Auf die Entscheidung des Senats vom 14. Oktober 1992 I R 17/92 (BFHE 169, 343, BStBl II 1993, 352) wird hingewiesen. Die Grundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung gelten nach der Rechtsprechung des Senats auch für Kapitalgesellschaften im Stadium der Gründung (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1982 I R 118/78, BFHE 137, 265, BStBl II 1983, 247; bestätigt durch Urteil vom 5. Oktober 1983 I R 237-238/80, nicht veröffentlicht). Hieran hält der Senat auch für die Streitjahre ab 1977 fest. Verdeckte Gewinnausschüttungen einer Vorgesellschaft sind Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. November 1980 VIII R 8/78, BFHE 132, 257, BStBl II 1981, 260; vgl. heute § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Es ist kein Grund ersichtlich, die wie Kapitalgesellschaften behandelten Vorgesellschaften vom Anrechnungsverfahren auszuschließen. Damit hat das FA auch für 1982 zu Recht die Ausschüttungsbelastung hergestellt, die mangels positiven Eigenkapitals (vgl. § 35 Abs. 1 KStG) zu einer Körperschaftsteuererhöhung in Höhe von 9/16 aus 80000 DM führt.

2. Das zu versteuernde Einkommen 1983 ist mit ./. 605490 DM festzustellen.

Die Honorarzahlungen an S sind verdeckte Gewinnausschüttungen gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, weil es an einer klaren, im voraus getroffenen Vereinbarung zwischen der Klägerin und S fehlt, daß die Geschäftsführertätigkeit nicht das Erbringen von Architektenleistungen erfaßt (vgl. BFH in BFHE 138, 208, BStBl II 1983, 487; BFHE 156, 484, BStBl II 1989, 636).

Für die Feststellung des zu versteuernden Einkommens 1983 kann offenbleiben, ob Zahlungen einer Kapitalgesellschaft an den beherrschenden Gesellschafter, die steuerlich allein deswegen als verdeckte Gewinnausschüttungen beurteilt werden, weil es an klaren und eindeutigen Vereinbarungen fehlt, im bilanzsteuerlichen Sinn Herstellungskosten sein können. Sollte, wovon das FG in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Senats (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1985 I R 9/81, BFH/NV 1986, 116; vgl. auch Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, 2. Aufl., S. 128), ausgeht, die streitigen Honorarzahlungen in Höhe von 30000 DM im Jahr 1982 nicht zu aktivieren sein, weil sie gesellschaftsrechtlich motiviert waren, so wäre der Buchwert der halbfertigen Arbeiten zum 1. Januar 1983 um 30000 DM niedriger, so daß sich nach § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 8 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStG beim Verkauf des Bauobjekts X 1983 ein um 30000 DM höherer Gewinn ergäbe als von der Klägerin erklärt. Sollte, wovon das FA ausgeht, die mangels klarer Abgrenzung der Geschäftsführeraufgaben als verdeckte Gewinnausschüttung zu behandelnde Honorarzahlung dem finalen Herstellungskostenbegriff entsprechen (vgl. hierzu heute § 255 Abs. 2 HGB; zur damaligen Definition vgl. z.B. Abschn. 33 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1981), so wäre die durch § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu korrigierende Vermögensminderung erst 1983 beim Verkauf des Objekts X eingetreten. Es kann offenbleiben, ob sich der Senat dieser rechtlichen Beurteilung des FA anschließen könnte. In jedem Fall entsprächen das zu versteuernde Einkommen 1983 dem vom FA festgestellten Betrag.

Das zu versteuernde Einkommen 1982 wurde vom FG nicht abweichend festgestellt. Das FG ist zwar in den Gründen seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß bei einer Vorgesellschaft die Feststellung des zu versteuernden Einkommens entfällt. Tatsächlich hat es aber die Feststellung des zu versteuernden Einkommens 1982 und der Tarifbelastung 1982 laut Tenor der Entscheidung weder aufgehoben noch geändert. Diese Feststellungen sind daher, da die Klägerin keine Revision eingelegt hat, bestandskräftig geworden.

3. Aus der Aufhebung des Urteils des FG in Sachen Körperschaftsteuerfestsetzung 1982 und Feststellung des zu versteuernden Einkommens 1983 folgt zugleich die Aufhebung des Urteils in Sachen Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 1983 und 31. Dezember 1984.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419450

BFH/NV 1994, 413

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