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BFH Beschluss vom 25.04.1978 - VIII B 64/76

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Leitsatz (amtlich)

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß der selbständige Berater für Datenverarbeitung keine freiberufliche, sondern eine gewerbliche Tätigkeit ausübt.

 

Normenkette

FGO § 69; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1 Abs. 1; UStG 1967 § 12 Abs. 2 Nr. 5

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist Berater für Datenverarbeitung. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) hielt die Tätigkeit des Antragstellers für gewerblich und erließ für 1968 entsprechende Bescheide über Einkommensteuer und Gewerbesteuer. Im Rechtsmittelverfahren hiergegen, in dem der Antragsteller geltend machte, seine Tätigkeit sei freiberuflich, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 27. Mai 1975 VIII R 199/73 (BFHE 116, 30, BStBl II 1975, 665), der Berater für Datenverarbeitung sei kein freiberuflich tätiger beratender Betriebswirt, seine Tätigkeit sei auch nicht der eines beratenden Betriebswirts ähnlich. Danach sei der Antragsteller nicht zur Inanspruchnahme des Freibetrags nach § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berechtigt, er unterliege mit seinem Betrieb auch der Gewerbesteuer nach § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV).

Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer für die Veranlagungszeiträume 1969 bis 1971 hielt das FA die Einkünfte des Antragstellers aus dessen Tätigkeit als Berater für Datenverarbeitung wiederum für Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die Umsätze daraus unterwarf es mit dem vollen Steuersatz der Umsatzsteuer. Die Einsprüche dagegen, mit denen der Antragsteller geltend machte, seine Tätigkeit sei als freiberuflich i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG anzusehen, blieben ohne Erfolg. Über seine Klagen beim Finanzgericht (FG) ist noch nicht entschieden.

Dem Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide im Umfange seines Abänderungsbegehrens gab das FG mit seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 21 (EFG 1977, 21) veröffentlichten Entscheidung unter ausdrücklicher Abweichung von dem BFH-Urteil VIII R 199/73 hinsichtlich der Beurteilung der materiellen Rechtslage statt und ließ wegen dieser Abweichung die Beschwerde zu.

Mit der Beschwerde macht das FA geltend, eine Aussetzung der Vollziehung sei nicht gerechtfertigt. Mit der Rechtsprechung des BFH sei davon auszugehen, daß der Berater für Datenverarbeitung nur auf dem Teilbereich eines betrieblichen Hauptbereichs berate.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Aussetzungsantrag abzulehnen.

Der Antragsteller hält die Beschwerde für unzulässig.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zulässig.

Die vom Antragsteller gegen die Zulassung der Beschwerde erhobenen Bedenken greifen nicht durch. Nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 28. November 1977 GrS 4/77 (BFHE 124, 130, BStBl II 1978, 229) ist eine vom FG nach Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlastG) i. V. m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Beschwerde gegen einen nach § 69 Abs. 3 FGO ergangenen Beschluß nicht deshalb unzulässig, weil sich die grundsätzliche Bedeutung auf die materielle Rechtsfrage bezieht, derentwegen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes geltend gemacht werden. Wie aus den Gründen dieses Beschlusses zu entnehmen ist, gelten die dafür maßgebenden Überlegungen auch für die Zulassung einer Beschwerde wegen Abweichung von einer Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Eine Divergenzbeschwerde ist danach auch dann zulässig, wenn sich die Abweichung nicht auf eine Auslegung des § 69 FGO, sondern auf eine materielle Rechtsfrage des angefochtenen Verwaltungsaktes bezieht.

Die Beschwerde ist auch begründet.

An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen keine eine Aussetzung der Vollziehung rechtfertigenden ernstlichen Zweifel i. S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO. Es fehlen insbesondere gewichtige Zweifel daran, daß der Antragsteller mit seiner Tätigkeit als Berater für Datenverarbeitung keine freiberufliche Tätigkeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübte. Es ist deshalb auch nicht ernstlich zweifelhaft, daß der Antragsteller bei der Einkommensteuer keinen Anspruch auf den Freibetrag für Freiberufler nach § 18 Abs. 4 EStG hat, er mit seinem Betrieb der Gewerbesteuerpflicht unterliegt (§ 2 Abs. 1 GewStG, § 1 Abs. 1 GewStDV) und bei der Umsatzsteuer keinen ermäßigten Steuersatz beanspruchen kann (§ 12 Abs. 2 Nr. 5 des Umsatzsteuergesetzes 1967 - UStG 1967 -).

Nach dem BFH-Urteil VIII R 199/73 sowie dem später ergangenen BFH-Urteil vom 28. Juli 1976 I R 63/75 (BFHE 120, 253, BStBl II 1977, 34) ist der Berater für Datenverarbeitung weder beratender Betriebswirt, noch ist seine Tätigkeit der eines beratenden Betriebswirts ähnlich. Maßgebend für die Beurteilung ist, daß dem Berufsbild eines beratenden Betriebswirts, wie es die Rechtsprechung auffaßt (vgl. dazu insbesondere BFH-Urteil vom 12. August 1965 IV 61/61, 100/61, 336/64 U, BFHE 83, 237, BStBl III 1965, 586; neuerdings Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 25. Oktober 1977 1 BvR 15/75, BStBl II 1978, 125, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1978 S. 65 - HFR 1978, 65 -), ein Beruf nur ähnlich ist, wenn er auf einer vergleichbar breiten fachlichen Vorbildung beruht und die Beratungstätigkeit sich auf einen vergleichbar breiten betrieblichen Bereich erstreckt, was bei dem Berater für Datenverarbeitung nicht der Fall ist. Wie im BFH-Urteil I R 63/75 im einzelnen ausgeführt wird, üben Berater für Datenverarbeitung Tätigkeiten, wie auch im Streitfall, unter weitergehender Spezialisierung jeweils nur auf einem Teilgebiet der betrieblichen Hauptbereiche aus, nämlich jenen von der Unternehmung durchgeführten Aufgaben, die programmierbar sind. Zur Erfüllung eines solchen Auftrags sind nur begrenzte betriebswirtschaftliche Kenntnisse erforderlich. Grundlage der Tätigkeit eines EDV-Beraters sind seine Kenntnisse über automatische Informationsverarbeitung, insbesondere über die Programmierung und Bedienung von Computern. Die dazu erforderlichen Tätigkeiten stellen keine umfassende betriebswirtschaftliche Beratung, wie sie vom beratenden Betriebswirt erwartet wird, dar.

Die vom Antragsteller gegen die Rechtsprechung des BFH erhobenen Bedenken können - auch soweit sie vom FG geteilt werden - nicht zu einer anderen Beurteilung führen, soweit es um die Frage nach der Ähnlichkeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zwischen den Berufstätigkeiten des EDV-Beraters und des beratenden Betriebswirts geht.

Aus den vom Antragsteller angeführten Literaturmeinungen aus jüngerer Zeit ergibt sich nichts, was die von der Rechtsprechung des BFH vorgenommene Bestimmung des Begriffs "beratender Betriebswirt" i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Frage stellen könnte. Wenn in Nachschlagewerken ausgeführt wird, daß zur Tätigkeit des Betriebsberaters oder des Unternehmensberaters auch die Beratung in Fragen der Datenverarbeitung gehöre, dann ist damit nicht gesagt, daß eine ausschließliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Datenverarbeitung genügt, um die berufstypische Tätigkeit des Betriebsberaters oder des Unternehmensberaters auszufüllen. Wenn außerdem als "betriebliche Hauptbereiche" bezeichnete Sachgebiete nur in einer Auswahl angegeben werden, dann zwingt dies auch nicht dazu, das Gebiet der Datenverarbeitung als einen sog. betrieblichen Hauptbereich anzusehen. Soweit schließlich in statistischen Verzeichnissen, in Erhebungen über Berufsgruppen oder in Nachschlagewerken bestimmte Berufe als freie Berufe oder freie Unternehmer bezeichnet werden, können daraus keine steuerrechtlichen Schlüsse gezogen werden. Abgesehen davon, daß dann Freiberuflichkeit eher i. S. von selbständiger Tätigkeit verstanden wird, ist für die steuerrechtliche Frage, wer Freiberufler i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist, davon auszugehen, daß es keinen einheitlichen Oberbegriff der freien Berufe gibt (vgl. BVerfG-Beschluß 1 BvR 15/75), es mithin also nur darauf ankommen kann, ob eine Berufstätigkeit in eine der sog. Katalogberufe des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG eingeordnet werden kann.

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob - etwa durch Vergleich mit anderen in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten Berufen als dem des beratenden Betriebswirts - eine andere Beurteilung geboten wäre, wenn eine Beratungstätigkeit auf der Grundlage und unter Einsatz von Kenntnissen ausgeübt wird, wie sie ein Diplominformatiker nach dem entsprechenden Studiengang erlangt hat. Im Streitfall fehlt es an den Voraussetzungen dafür.

Die Vorentscheidung, die von anderen Überlegungen ausging, war aufzuheben. Der Senat kann selbst entscheiden und lehnt den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide ab.

 

Fundstellen

BStBl II 1978, 458

BFHE 1979, 63

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