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BFH Beschluss vom 17.07.1975 - IV R 190/72

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Leitsatz (amtlich)

Der Grundsatz, daß der Streitwert im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung bei Streit um die Verteilung des Gewinns mit 25 v. H. des Teils des Gewinns zu bemessen ist, um dessen Verteilung gestritten wird (BFH-Beschluß vom 8. November 1973 IV B 6/72, BFHE 110, 487, BStBl II 1974, 138), gilt auch bei Verpflichtungsklagen gegen sog. negative Gewinnfeststellungsbescheide.

 

Normenkette

FGO § 140 Abs. 3

 

Tatbestand

Im Hauptsacheverfahren hatte der Kläger und Revisionskläger (Kläger) begehrt, für die Jahre 1962 bis 1964 eine einheitliche Gewinnfeststellung durchzuführen und die Einkünfte - zusammen 742 073 DM - je zur Hälfte seiner früheren Ehefrau, der Beigeladenen, und ihm zuzurechnen.

Nach Zurückweisung der Revision durch den angerufenen Senat beantragte der Prozeßbevollmächtigte der Beigeladenen, den Streitwert für das Revisionsverfahren festzusetzen, und verwies dabei auf den Beschluß der Vorinstanz vom 15. Januar 1975 IV 79/72, durch den der Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren in erster Instanz - ausdrücklich nicht auch für das Revisionsverfahren - auf 74 207 DM festgesetzt wurde. Das Finanzgericht (FG) hatte zur Begründung ausgeführt: Die steuerliche Auswirkung könne - ohne nähere, nicht gebotene - Ermittlungen nur geschätzt werden. Dabei seien die Grundsätze über die Streitwerte bei einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungen (siehe Beschluß des BFH vom 8. November 1973 IV B 6/72, BFHE 110, 487, BStBl II 1974, 138; für Ehegatten: Urteil vom 26. Juni 1962 I 227/61 U, BFHE 75, 380, BStBl III 1962, 404) nicht ohne weiteres anzuwenden. Denn im vorliegenden Verfahren gehe es um die Anfechtung eines negativen Feststellungsbescheides. Bei einem Erfolg der Klage wäre es nicht Aufgabe des Gerichts gewesen, die Gewinnfeststellung und -verteilung selbst vorzunehmen (BFH-Urteil vom 12. März 1970 IV 7/65, BFHE 99, 172, BStBl II 1970, 625). Daher bestimme das Gericht den Streitwert nach freiem Ermessen - auch unter Berücksichtigung der beträchtlichen Höhe der Einkünfte - auf 10 v. H. der angesetzten Einkünfte.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Streitwertfestsetzung ist zulässig.

Nach § 146 Abs. 1 Satz 2 FGO wird der Streitwert durch Beschluß des Gerichts festgesetzt, wenn ein Beteiligter dies beantragt oder das Gericht es für angemessen erachtet, sofern der Streitwert nicht bereits nach § 146 Abs. 1 Satz 1 FGO festgesetzt ist. Voraussetzung für einen Antrag auf Streitwertfestsetzung ist das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses (BFH-Beschluß vom 11. Dezember 1974 I B 46/74, BFHE 115, 1, BStBl II 1975, 385). Denn Bemessung und Festsetzung des Streitwerts sind grundsätzlich Teile des Kostenfestsetzungsbeschlusses und obliegen damit in erster Linie dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des FG (§ 147 Satz 1 FGO). Das Rechtsschutzinteresse ist hier als gegeben anzusehen, weil in Fällen der vorliegenden Art die Höhe des Streitwerts in der Rechtsprechung noch nicht entschieden ist und sich auch in der Praxis einheitliche Grundsätze über die Streitwertermittlung noch nicht gebildet haben, so daß bei einer Streitwertfestsetzung durch den Kostenfestsetzungsbeamten mit der Anrufung des Gerichts zu rechnen ist.

Das FG ist bei der Festsetzung des Streitwerts für die Vorinstanz zutreffend davon ausgegangen, daß die Grundsätze über die Bemessung des Streitwerts mit 10 v. H. des Streitigen Gewinnanteils, wenn nur um die Aufteilung des Gewinns zwischen Ehegatten gestritten wird, in diesem Fall nicht angewendet werden können. Der Kläger und die Beigeladene sind geschieden. Das sonst vorhandene beiderseitige Bestreben der Ehegatten, die sie wirtschaftlich als Gemeinschaft treffende Steuerlast insgesamt zu mindern, ist hier nicht gegeben.

Entgegen der Auffassung des FG hält es der angerufene Senat aber für gerechtfertigt, auch bei Streit um einen negativen Gewinnfeststellungsbescheid den üblichen Satz von 25 v. H. auf den Teil des Gewinns anzuwenden, dessen Verteilung mit dem Rechtsbehelf gegen den negativen Gewinnfeststellungsbescheid begehrt wird.

1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, den Streitwert im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung stets mit einem v. H.-Satz des streitigen Gewinns oder Gewinnanteils festzusetzen, im allgemeinen den Satz von 25 v. H. anzuwenden und nur in besonderen Ausnahmefällen von diesem Satz abzugehen (vgl. z. B. Beschluß vom 25. August 1966 IV 3/64, BFHE 86, 569, BStBl III 1966, 611; Urteil vom 12. März 1970 IV 4/64, BFHE 99, 11, BStBl II 1970, 547; Beschlüsse vom 8. November 1973 IV B 6/72 und IV B 90/70, BFHE 110, 487 und 491, BStBl II 1974, 138 und 140). Damit sollen einerseits die mutmaßlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen erfaßt werden, andererseits soll der Forderung nach einer Überschaubarkeit der Streitwertfeststellung Rechnung getragen werden, hinsichtlich des Erreichens der Revisionssumme ebenso wie hinsichtlich des zu erwartenden Kostenrisikos.

2. Bei jedem Rechtsbehelf gegen einen negativen Gewinnfeststellungsbescheid kann davon ausgegangen werden, daß der Steuerpflichtige mit dem erstrebten Gewinnfeststellungsbescheid, dessen Erlaß das FA abgelehnt hat, einen Teil des ihm zugerechneten Gewinns anderen oder einem anderen Steuerpflichtigen zurechnen lassen will. Obwohl der Rechtsstreit hier um die Voraussetzungen der einheitlichen Gewinnfeststellung als solcher, nämlich die Beteiligung mehrerer an den Einkünften geht, können sich einkommensteuerliche Auswirkungen für den Steuerpflichtigen nur hinsichtlich des zu verteilenden Gewinnanteils ergeben. Es ist deshalb gerechtfertigt, auch nur diesen Teil des Gewinns als Bemessungsgrundlage der Streitwertermittlung zugrunde zu legen.

3. Dem Umstand, daß der Streit um einen negativen Gewinnfeststellungsbescheid durch eine Verpflichtungsklage, nicht durch eine Anfechtungsklage wie bei einem Streit um die Gewinnhöhe, eröffnet wird (vgl. BFH-Urteil IV 7/65), ist für die Streitwertermittlung keine Bedeutung beizumessen. Eine Verpflichtungsklage ist nicht wie eine Untätigkeitsklage zu beurteilen. Während sich eine Untätigkeitsklage zunächst nur auf ein Tätigwerden des FA richtet, so daß ein geringerer Streitwert gerechtfertigt sein kann (vgl. BFH-Beschluß vom 30. August 1967 VI B 63/67, BFHE 90, 95, BStBl III 1967, 786), wird in dem durch eine Verpflichtungsklage eingeleiteten Verfahren gegen einen negativen Gewinnfeststellungsbescheid bereits endgültig entschieden, ob eine einheitliche Gewinnfeststellung durchzuführen ist oder nicht. Dem ist auch bei der Streitwertermittlung Rechnung zu tragen.

4. Der Streitwert eines negativen Gewinnfeststellungsverfahrens ist nicht anders zu bemessen als in den Fällen, bei denen in einem - positiven - Gewinnfeststellungsverfahren der Gewinn bereits auf mehrere Beteiligte aufgeteilt ist, ein Teil des Gewinns aber entgegen der Entscheidung des FA einem weiteren Beteiligten zugewiesen werden soll. So wie dort ist auch bei negativen Gewinnfeststellungsbescheiden der Teil des Gewinns als Bemessungsgrundlage für den Streitwert zu behandeln, um dessen Verteilung gestritten wird.

5. Der angerufene Senat hat bereits in dem Beschluß IV B 6/72 entschieden, daß der Streitwert stets mit 25 v. H. des Teils des Gewinns zu bemessen ist, um dessen Verteilung gestritten wird, wenn nicht die Höhe, sondern nur die Verteilung des Gewinns streitig ist. Diese Grundsätze sind auch in Verfahren gegen negative Gewinnfeststellungsbescheide anzuwenden.

In dem Beschluß IV B 6/72 wurde auch begründet, warum es nicht gerechtfertigt ist, in diesen Fällen den Regelsatz von 25 v. H. zu erhöhen oder zu unterschreiten. Auf diese Ausführungen wird Bezug genommen.

Bei Verfahren um einen negativen Gewinnfeststellungsbescheid, die für die Streitwertbemessung als Unterfälle der Verfahren um die Verteilung des Gewinns zu behandeln sind, ist in gleicher Weise eine Abweichung von dem Regelsatz von 25 v. H. nach oben oder unten nicht berechtigt. Wollte man darauf abstellen, ob der in dem angefochtenen negativen Gewinnfeststellungsbescheid zu beteiligende andere ein Angehöriger ist oder ein Fremder, ob er mit der erstrebten Gewinnverteilung einverstanden ist, so daß eine Verrechnung der einkommensteuerlichen Be- und Entlastung gerechtfertigt wäre, oder ob er nicht einverstanden ist, so daß die erstrebte Gewinnminderung nur bei dem einen Gesellschafter zu berücksichtigen wäre, und schließlich, ob er selbst bereits hohe Einkünfte hat, so daß möglicherweise die erstrebte Gewinnverteilung im Gesamtergebnis keinerlei einkommensteuerliche Auswirkungen hat, so würde das ein Eindringen in persönliche Verhältnisse und eine Einzelberechnung der einkommensteuerlichen Auswirkungen voraussetzen; das soll bei der Ermittlung des Streitwerts im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren gerade vermieden werden.

Danach ist auch bei Verfahren gegen negative Gewinnfeststellungsbescheide der Streitwert mit 25 v. H. des Gewinnanteils zu bemessen, um dessen Verteilung gestritten wird. Das sind im Streitfall 25 v. H. von 742 073 DM :2 =) 371 036 DM, mithin 92 759 DM.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71123

BStBl II 1975, 827

BFHE 1976, 320

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