Rz. 90

Steuerrechtlich sind unverzinsliche Verbindlichkeiten mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen.[1]

Ausgenommen von der Abzinsung in der Steuerbilanz sind

  • Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt,
  • Verbindlichkeiten, die verzinslich sind,
  • auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhende Verbindlichkeiten[2],
  • Verbindlichkeiten unter einer Auflage, nach der die Vorteile aus der Zinslosigkeit dem Schuldner nicht verbleiben,[3] z. B. Wohnungsbaudarlehen mit der Verpflichtung, an bestimmten Personenkreis zu vermieten.
 

Rz. 91

Verzinslich ist eine Verbindlichkeit, wenn ein Zinssatz von mehr als 0 % vereinbart ist. Eine Vereinbarung eines Zinssatzes nahe 0 % sollte im Einzelfall als missbräuchliche Gestaltung i. S. von § 42 AO zu beurteilen sein.[4] Diese Auffassung wurde in einer späteren Verwaltungsanweisung und Rechtsprechung nicht mehr vertreten.[5] Daher ist auch bei geringfügigster Verzinsung nahe 0 % eine Verpflichtung nicht als unverzinslich nach § 42 AO anzusehen. In Zeiten allgemeiner niedriger Verzinsung ist hier von geringen Anforderungen auszugehen.

Nach Auffassung des FG Hamburg bestehen ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Zinssatzes von 5,5 % für die Abzinsung von Verbindlichkeiten und sonstigen Rückstellungen in der Steuerbilanz.[6]

 

Rz. 92

Ist keine, auch nicht eine geringe Verzinsung vereinbart, ist die Verbindlichkeit abzuzinsen, wenn die Restlaufzeit 12 oder mehr Monate beträgt. Für die 12-Monats-Grenze ist die Restlaufzeit am Bilanzstichtag maßgebend.

 
Praxis-Beispiel

Das Geschäfts- und Wirtschaftsjahr des Unternehmers U stimmt mit dem Kalenderjahr überein. U hat im Januar 01 ein zinsloses Darlehen über 200.000 EUR aufgenommen, das am 31.12.03 zurückzuzahlen ist.

Buchung im Januar 01:

Bank

200.000 EUR

an Verbindlichkeit

200.000 EUR

Zum 31.12.01 ist die Verbindlichkeit in der Handelsbilanz und in der Steuerbilanz mit dem Erfüllungsbetrag von 200.000 EUR zu bilanzieren. Zum 31.12.01 ist das Darlehen in der Steuerbilanz auf den Barwert mit dem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Die Restlaufzeit bis zum 31.12.03 beträgt 2 Jahre.

Barwert:

 
K0 = Kn × 1  
(1 + i)n  

K0 = Barwert am Bilanzstichtag

Kn = Rückzahlungsbetrag

i = Zinssatz als Dezimalzahl

n = Laufzeit

Barwert bei einem Zinssatz von 5,5 %:

 
K0 = 200.000 × 1  
(1 + 0,055)2  

K0 = 200.000 EUR × 0,8984524

K0 = 179.690 EUR

Die Differenz zwischen dem Erfüllungsbetrag und dem Barwert ist die Abzinsung: 200.000 EUR – 179.690 EUR = 20.310 EUR. Es handelt sich in der steuerlichen Gewinnermittlung um Ertrag. U bucht:

Verbindlichkeit

20.310 EUR

an Zinsertrag

20.310 EUR

 

Rz. 93

Ist eine Verbindlichkeit zwar nicht verzinslich, stehen ihr aber andere wirtschaftliche Nachteile gegenüber, z. B. ist das Unternehmen zur unentgeltlichen Überlassung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens verpflichtet, ist die Verbindlichkeit nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt verzinslich.[7]

 

Rz. 94

So sind regelmäßig auch Ratenkäufe zu behandeln, wenn die insgesamt zu zahlenden Raten über dem üblichen Barzahlungspreis liegen. Als Erfüllungsbetrag der Verbindlichkeit und als Anschaffungskosten der gekauften Gegenstände ist der Barwert anzusetzen.[8]

[3] BMF, Schreiben v. 26.5.2005, BStBl 2005 I S. 699.
[6] FG Hamburg, Urteil v. 31.1.2019, 2 V 112/18, EFG 2019 S. 525 rkr.; das FG Hamburg hat Aussetzung der Vollziehung gewährt, bis das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit des steuerlichen Diskontierungszinssatzes von 5,5 % entschieden hat.
[7] BMF, Schreiben v. 26.5.2005, BStBl 2005 I S. 699.
[8] Schubert, in Grottel u. a., Beck'scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 253 Rz. 67.

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