Das wesentliche Kernelement der "neuen" Rentenbesteuerung ist der schrittweise Übergang zur nachgelagerten Besteuerung. Nachgelagerte Besteuerung bedeutet im Endergebnis, dass die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und ihr gleichgestellten Versicherungen bzw. berufsständischen Versorgungswerken zum Zeitpunkt der Zahlung von der Einkommensteuer freigestellt werden. Erst wenn die Steuerpflichtigen in Rente gehen, werden die daraus erzielten Altersbezüge voll besteuert.
Prinzipiell greifen die Gesetzesänderungen seit 1.1.2005, wegen langfristiger Übergangsregelungen treten die Abzugsfähigkeit bzw. Freistellung der Vorsorgeaufwendungen und die nachgelagerte Besteuerung von Renten schrittweise ein, und zwar über einen Zeitraum von 35 Jahren. Erst Renten, die nach dem 31.12.2039, also ab 2040 beginnen, müssen voll versteuert werden.
Bis einschließlich VZ 2004 wurde nur der im Rentenbetrag von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung usw. enthaltene (pauschalierte) Zinsanteil, d. h. der Ertragsanteil, besteuert. Jetzt wird nach Ablauf der Übergangszeit ab 2040 die gesamte Rente besteuert und damit die Rentenbesteuerung an die Besteuerung von Beamten- und Betriebspensionen angeglichen.
Der Übergang zur nachgelagerten Besteuerung erfolgt schrittweise. Grund: Bisher haben sich die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nur zum Teil steuermindernd ausgewirkt. Daher darf der Fiskus die Rente nicht sofort in voller Höhe versteuern (Verbot der Doppelbesteuerung/Überbesteuerung).[1]
Für die Zeit vom 1.1.2005 bis zum 31.12.2039 gibt es daher eine Übergangsregelung, die ab 2005 beginnend für jeden Rentnerjahrgang (Kohortenprinzip) einen prozentualen Besteuerungsanteil der Rente festlegt.[2] Die Differenz zwischen dem Besteuerungsanteil der Rente und dem Jahresbetrag der Rente ist der steuerfreie Teil der Rente, der sog. Rentenfreibetrag.[3] Die nachgelagerte Besteuerung gilt sowohl für Leistungen von inländischen als auch von ausländischen Versorgungsträgern.[4]
BFH-Entscheidungen zur Rentenbesteuerung
In 2 am 31.5.2021 veröffentlichten Urteilen hat der BFH zu der Frage der Doppelbesteuerung von Renten Stellung genommen. In einem der beiden Urteile[5] hat der BFH erstmals genaue Berechnungsparameter für die Ermittlung einer doppelten Besteuerung von Renten festgelegt. Zwar hatte die Revision des Klägers – der eine seit dem Jahr 2007 laufende Rente mit entsprechend hohem Rentenfreibetrag bezieht – keinen Erfolg. Allerdings ergibt sich auf der Grundlage der Berechnungsvorgaben des BFH, dass spätere Rentnerjahrgänge von einer doppelten Besteuerung ihrer Renten betroffen sein dürften.
In dem zweiten Urteil hat der BFH zahlreiche weitere Streitfragen zum Problem der sog. doppelten Rentenbesteuerung geklärt.[6] Er hat nicht nur über die Behandlung von Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente und Fragen der sog. Öffnungsklausel entschieden. Er hat auch klargestellt, dass es bei Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung (kurz: privaten Renten), die – anders als gesetzliche Altersrenten – lediglich mit dem jeweiligen Ertragsanteil besteuert werden, systembedingt keine Doppelbesteuerung geben kann.
Vorläufige Steuerfestsetzung für Besteuerung von Renten
Bund und Länder haben eine vorläufige Steuerfestsetzung wegen der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Renten beschlossen. Die Finanzbehörden werden angewiesen, den Vorläufigkeitsvermerk ab sofort im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten allen Steuerbescheiden ab 2005 beizufügen, in denen eine Leibrente oder eine andere Leistung aus der Basisversorgung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG erfasst wird.[7]
Eine mögliche Zuvielbelastung von Alterseinkünften muss nach der Rechtsprechung des BFH vom Steuerpflichtigen belegt werden. Steuerbescheide werden aber nicht von Amts wegen überprüft, sondern erst nach Vorlage der erforderlichen Dokumente, die es folglich aufzubewahren gilt.[8]
Nicht alle Renten vom Systemwechsel betroffen
Bestimmte Arten von Renten[9] werden auch weiterhin mit dem günstigen Ertragsanteil besteuert.[10] Unter die Ertragsanteilsbesteuerung fallen z. B. Renten aus einer "normalen" privaten Rentenversicherung, Renten aus Lebensversicherungen, die nicht die strengen Anforderungen der Neuregelung erfüllen, oder VBL-Renten unter bestimmten Voraussetzungen.[11]
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