Sachverhalt

In dem Verfahren ging es um die Berechnung des geschuldeten Mehrwertsteuerbetrags in der Voranmeldung. Die Fragen richteten sich auf die mathematisch zutreffende Ermittlung (Rundung) der Umsatzsteuerschuld für Lieferungen eines Lebensmittelsupermarkts, wenn über die vom Kunden gekauften Waren (die ggf. unterschiedlichen Steuersätzen unterliegen) in einer Gesamtrechnung abgerechnet wird. Fraglich war, ob das Unternehmen seine Steuerschuld pro verkauften Artikel zu berechnen hat und damit pro Artikel auf volle Cent zu runden ist (dies führte bei der Klägerin zu einer geringeren Steuerschuld), oder ob dies einmalig für den gesamten dem Kunden in Rechnung gestellten Betrag gilt (dies führte bei der Klägerin zu einer höheren Steuerschuld).

Das Vorlagegericht hatte dem EuGH zwei Fragen gestellt:

  1. Gilt in Bezug auf die Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen ausschließlich das nationale Recht, oder ist dies - insbesondere unter Berücksichtigung der Art. 22 Abs. 3, Art. 22 Abs. 5 und Art. 11 Teil A der 6. EG-Richtlinie (ab 1.1.2007: Art. 226, Art. 250 ff und Art. 73 ff. MwStSystRL) - eine Angelegenheit des Gemeinschaftsrechts?
  2. Wenn letzteres der Fall sein sollte: Folgt aus den genannten Richtlinienbestimmungen, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Rundung pro Artikel nach unten zuzulassen, auch wenn verschiedene Umsätze auf einer einzigen Rechnung aufgeführt werden und/oder in einer einzigen Anmeldung enthalten sind?

Mit der ersten Frage wollte das Gericht wissen, ob das Gemeinschaftsrecht die Rundung von Steuerbeträgen regelt. Mit der zweiten Frage wollte es erfahren, ob das Gemeinschaftsrecht eine spezifische Verpflichtung für die Mitgliedstaaten enthält, wonach diese den Unternehmern die Abrundung des Mehrwertsteuerbetrags pro verkauften Gegenstand gestatten müssen.

Die Klägerin berechnete die Mehrwertsteuer für die Verkäufe in ihren Supermärkten entsprechend ihrer üblichen Praxis, bei der sie sich auf den Gesamtbetrag des Kassenbons für die von einem Kunden gleichzeitig gekauften verschiedenen Waren stützte, und meldete die Mehrwertsteuer entsprechend an. Jeder der auf den Kassenbons ausgewiesenen Gesamtbeträge wurde mathematisch auf volle Eurocent gerundet. Bei dieser mathematischen Rundung wurden die Beträge, bei denen die dritte Dezimalstelle die Ziffer 5 oder eine höhere Ziffer war, auf den nächst höheren Betrag in vollen Eurocent aufgerundet und die Beträge, bei denen die dritte Dezimalstelle niedriger als die Ziffer 5 war, auf den nächst niedrigeren Betrag in vollen Eurocent abgerundet.

In zwei Filialen wendete die Klägerin eine andere Methode zur Berechnung der geschuldeten Umsatzsteuer an. Dabei ermittelte sie den Betrag dieser Steuer nicht pro Kassenbon, sondern getrennt für jeden einzelnen an den Kunden verkauften Gegenstand, wobei sie den so ermittelten Betrag zum nächst niedrigeren Betrag in vollen Eurocent abrundete. Die Klägerin hatte so errechnet, dass sie nach dieser abweichenden Methode der Abrundung pro Artikel im fraglichen Zeitraum 1.414 EUR weniger Steuern hätte zahlen müssen, als sie gemäß ihrer üblichen Praxis der Rundung pro Kassenbon angemeldet und tatsächlich entrichtet hatte.

Das Vorlagegericht hatte darauf hingewiesen, dass es nach niederländischem Recht bei der Berechnung der Mehrwertsteuer zulässig sei, die Steuer pro Lieferung eines Gegenstands oder pro Erbringung einer Dienstleistung mathematisch zu runden oder die Rundung auf den Gesamtbetrag einer Reihe von Lieferungen oder Dienstleistungen zusammen, also im Ausgangsverfahren pro Rechnungsbetrag laut Kassenbon, vorzunehmen. Diese beiden Methoden seien ab dem 1.7.2004 in Art. 5a des Uitvoeringsbesluit omzetbelasting (Durchführungsverordnung für die Umsatzsteuer) vorgesehen.

 

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck der angesprochenen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts geschlossen werden kann, dass das Gemeinschaftsrecht eine spezifische Rundungsmethode vorsieht. Deshalb bestimmen sich die Methode und die Regeln für die Rundung eines angemeldeten Steuerbetrags innerhalb der Grenzen des Gemeinschaftsrechts nach der Rechtsordnung der Mitgliedstaaten. Wird eine bestimmte Rundungsmethode durch die Mitgliedstaaten eingeführt oder zugelassen, müssen sie darauf achten, dass insbesondere die Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität eingehalten werden. Die Beachtung dieser in der Gemeinschaftsrechtsordnung anerkannten Grundsätze hat jedoch nicht zur Folge, dass die Frage der anzuwendenden spezifischen Rundungsmethode als solche unter das Gemeinschaftsrecht fällt.

Der EuGH führt weiter aus, dass das Gemeinschaftsrecht nach derzeitigem Stand keine spezifische Verpflichtung enthält, wonach die Mitgliedstaaten dem Unternehmer die Abrundung des Mehrwertsteuerbetrags pro gelieferten Gegenstand gestatten müssen. Nach dem Neutralitätsgrundsatz muss der von der Steuerverwaltung erhobene Mehrwertsteuerbetrag genau dem auf der Rechnung ausgewiesenen und vom Endverbrauch...

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