Leitsatz

  1. Installation einer Videoanlage im gemeinschaftlichen Klingeltableau unter Einschränkungen zulässig bzw. duldungspflichtig
  2. Mögliches Manipulationsrisiko nachträglicher Konfigurationsänderung des Kameraauges stellt noch keine Beeinträchtigung anderer Eigentümer dar
 

Normenkette

§§ 14 Nr. 1, 22 Abs. 1 WEG

 

Kommentar

  1. Der nachträgliche Einbau einer Videoanlage im Bereich des gemeinschaftlichen Klingeltableaus am Hauseingang kann als bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums gemäß § 22 Abs. 1 WEG unter den Voraussetzungen zu Recht gefordert werden, dass

    • die Kamera nur durch Betätigung der Klingel aktiviert wird,
    • eine Bildübertragung allein in die betreffende Wohnung erfolgt,
    • die Bildübertragung nach spätestens einer Minute unterbrochen wird und
    • die Anlage nicht das dauerhafte Aufzeichnen von Bildern ermöglicht.
  2. Wenn diese Einschränkungen erfüllt werden, kann nicht von konkreten und objektiven Beeinträchtigungen anderer Eigentümer im Sinne des § 14 WEG nach Verkehrsanschauung ausgegangen werden. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls lag vorliegend keine Persönlichkeitsrechtsverletzung anderer Personen vor (vgl. auch BGH, Urteil v. 25.4.1995, NJW 1995 S. 1955). Die zufällige Einbeziehung anderer Personen in die Bildübertragung ist nicht als Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG zu werten (vgl. auch OLG Köln, ZMR 2008 S. 559, 560; BayObLG, NZM 2005 S. 107, 108; KG, NZM 2002 S. 702, 703). Auch etwaige psychologische Wirkungen auf Dritte als subjektive Wertungen begründen keine Nachteilswirkung nach objektiven Kriterien (BVerfG, NJW 2010 S. 220, 221). Bei Dritten besteht hier nicht der Eindruck einer ununterbrochenen Videoüberwachung, zumal solche Anlagen immer häufiger zur regelmäßigen Ausstattung moderner Häuser mit zeitlich begrenzter optischer Erkennung von Besuchern gehört.
  3. Auch § 6b BDSG – der im Rahmen des § 14 WEG zu berücksichtigen ist – steht diesem Ergebnis nicht entgegen (h.M.). Videoüberwachung ist grundsätzlich in öffentlich zugänglichen Räumen zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung des Hausrechts erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen Betroffener überwiegen (vgl. auch Simitis/Bizer, BDSG, 5. Aufl., § 6 Rn. 34, 41). Zum Zweck einer Identifizierung von Besuchern und zur Einlasskontrolle sind solche Anlagen üblich und auch zulässig.
  4. Ob die Nutzung einer solchen Videoklingelanlage zur dauerhaften Bildaufzeichnung das Maß des zu einer optischen Identifizierung eines an der Haustür klingelnden Besuchers und zur Wahrung des Hausrechts Erforderlichen übersteigt, bedurfte keiner Entscheidung. Nicht zu folgen ist jedoch der Auffassung des Berufungsgerichts, dass bereits von einem unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der übrigen Eigentümer auszugehen ist, wenn jedwede Manipulation oder Möglichkeit zum anderweitigen Betrieb der Anlage von vornherein ausgeschlossen ist. Allein die fernliegende, mehr oder weniger theoretische Möglichkeit, durch manipulative Eingriffe die Konfiguration der Anlage so zu ändern, dass die Kamera unabhängig von einem Klingeln aktiviert werden kann, rechtfertigt nicht die Annahme einer über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinausgehenden Beeinträchtigung. Das bloße Risiko einer Beeinträchtigung ist noch keine Beeinträchtigung! Von einem Nachteil ist erst auszugehen, wenn durch eine solche Anlage die Beeinträchtigung eines anderen Eigentümers hinreichend wahrscheinlich ist (Merle in Bärmann, 11. Aufl. § 22 Rn. 174; vgl. auch BGH, Urteil v. 16.3.2010, NJW 2010 S. 1533, 1534). Hiervon war vorliegend nicht auszugehen.
 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 8.4.2011, V ZR 210/10

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