Leitsatz

Ein Autofahrer muss jederzeit mit der verbreiteten und allgemein bekannten Disziplinlosigkeit von Radfahrern rechnen. Daher haftet dieser auch, wenn er einen Radfahrer anfährt, der in die falsche Richtung fährt.

 

Sachverhalt

Im Urteilsfall war die Klägerin auf dem Radweg einer Vorfahrtsstraße in falscher Richtung unterwegs. Der von links kommende Mercedes-Fahrer übersah die Radlerin, diese stürzte und brach sich den Fuß. Das Gericht sprach beiden Unfallbeteiligten eine Haftungsquote von 50 % zu. Zum einen legte es der Klägerin zur Last, dass diese gegen die falsche Richtung den Radweg befahren hatte, was einen Verstoß gegen § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO darstellt. Nach Ansicht der Richter hätte sie in Annäherung der Einmündung ihre Geschwindigkeit so drosseln müssen, dass sie ihr Rad sofort hätte bremsen können. Dadurch wäre nach den Feststellungen des Sachverständigen eine Kollision auch vermieden worden.

Zum anderen hatte der Beklagte aber unstreitig die Vorfahrt missachtet. Grundsätzlich haben sich Autofahrer auf Radfahrer, die den Radweg in falscher Richtung benutzen, einzustellen. Daher habe er vor Einfahren in den Bereich des deutlich ge­­machten Radwegs durch einen Blick nach rechts sicherstellen müssen, dass sich von dort kein Radfahrer nähert. Darüber hinaus war dem Beklagten die Betriebsgefahr seines Pkw anzurechnen, welche bei Radfahrern grundsätzlich nicht besteht. Ein überwiegender Verursachungsanteil von Radfahrern in ähnlich gelagerten Fällen wurde nur vereinzelt angenommen.

 

Hinweis

Nach § 7 StVG haftet der Fahrzeughalter bei einem Unfall allein deshalb, weil er durch das Halten eines Kfz eine Gefahrenquelle eröffnet. Bei mehreren an einem Unfall beteiligen Kfz haften hiernach sämtliche Kfz-Halter, nicht aber Fußgänger oder Fahrradfahrer. Das Gesetz lässt dem Kfz-Halter einen Ausweg aus der Haftung: War das Unfallereignis für den Fahrer unabwendbar oder beruhte es auf höherer Gewalt, ist die Ersatzpflicht gegenüber den weiteren Beteiligten ausgeschlossen (§§ 7 Abs. 2, 17 Abs. 3 StVG). Außerdem ist die Haftung ausgeschlossen, wenn ein Dritter das Fahrzeug ohne Wissen und Wollen des Fahrzeughalters nutzt und dem Fahrzeughalter die unrechtmäßige Nutzung nicht vorgeworfen werden kann. Für das Vorliegen dieser Umstände trägt der Halter die volle Beweislast.

 

Link zur Entscheidung

OLG Celle, Urteil v. 28.4.2010, 14 U 157/09.

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