Leitsatz (amtlich)

Die Nachentrichtungspflicht aller ausgesetzten Tilgungsraten gem. Ziff. 3 der "Zusatzvereinbarung Lebensversicherungsbeitrag" bei der Vereinbarung einer Tigungsaussetzung zwischen der Bank und dem Darlehensnehmer für den Fall des Widerufs der Tilgungsaussetzung aufgrund von Rückständen mit den Lebensversicherungsraten stellt eine überraschende Klausel nach § 3 AGBG a.F. bzw. § 305c BGB dar.

Die bei Nichterbringung aller ehemals ausgesetzter Tilgungsleistungen vorgesehene Kündigungsmöglichkeit des Darlehens stellt eine unangemessene Benachteiligung des Kreditnehmers i.S.d. § 9 AGBG a.F. bzw. § 307 BGB dar.

Dies gilt zumindest dann, wenn dem Kreditnehmer nicht die Möglichkeit eröffnet wird, die Nachentrichtung der ausgesetzten Tilgung auch durch Verwertung der Lebensversicherung zu bewerkstelligen.

 

Normenkette

BGB §§ 305c, 307; AGBG § 3; AGBG a.F. § 9

 

Verfahrensgang

LG Gera (Urteil vom 17.08.2007; Aktenzeichen 3 O 401/07)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Gera vom 17.8.2007 - 3 O 401/07, abgeändert:

Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Peter Orth vom 28.7.1998 (Urk.-Rollen-Nr. 616/98) in Verbindung mit der notariellen Urkunde der Notarin Gebauer vom 8.12.1992 (Urk.-Rollen-Nr. 3044/92) wird für unzulässig erklärt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger verfolgt mit der von ihm erhobenen Vollstreckungsgegenklage das Ziel, die Zwangsvollstreckung aus den notariellen Urkunden vom 28.7.1998 und 8.12.1992 für unzulässig erklären zu lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatbestandlichen Feststellungen in dem angefochtenen erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Beklagten stehe aus dem streitgegenständlichen Darlehensverhältnis noch eine Forderung von mehr als 50.000 EUR zu, so dass eine Zwangsvollstreckung der Beklagten aus den streitgegenständlichen notariellen Urkunden auch nicht unzulässig sei.

Die Beklagte habe die Tilgungsaussetzung des Darlehens wirksam widerrufen, da der Kläger mit der Zahlung der Versicherungsprämien über mehrere Monate im Rückstand gewesen sei. Die Versicherungsprämien habe der Kläger jedenfalls in den Monaten Mai, Juni und Juli 2006 nicht rechtzeitig gezahlt. Damit habe der Kläger selbst den Grund für die infolgedessen nach den vertraglichen Vereinbarungen gegebenen Möglichkeit für einen Widerruf der Tilgungsaussetzung gesetzt. So sei nach Ziff. 3a) und b) der Zusatzvereinbarung zum Lebensversicherungsvertrag vom 12.8.1998 ein Recht der Beklagten zum Widerruf der Tilgungsaussetzung vorgesehen, sobald der Kläger als Darlehens- bzw. Versicherungsnehmer mit zwei aufeinanderfolgenden Versicherungsprämien in Rückstand gerate. Dabei sei dort zugleich auch darauf hingewiesen worden, dass im Fall der Tilgungsaussetzung die bisher ausgesetzten Tilgungsraten in einem Betrag nachentrichtet werden müssten und der Bank bei nicht fristgerechter Tilgungsleistung in Bezug auf den Darlehensvertrag ein außerordentliches Kündigungsrecht zustehe. Diese Vertragsbestimmungen stellten auch weder eine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar, noch verstießen diese gegen Treu und Glauben. Vielmehr seien diese Bedingungen als Ausdifferenzierung des grundsätzlich zugunsten des Darlehensgebers bestehenden Kündigungsrechtes bei nachhaltigem Verzug des Darlehensnehmers zu sehen. Dieses Recht ergebe sich aus den Vorschriften des § 314 Abs. 1 i.V.m. § 490 BGB für das neue Recht bzw. aus §§ 626, 554 analog BGB für das alte Recht vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform.

Auch wenn die Beklagte in den Vorjahren trotz Zahlungsproblemen an dem Darlehensverhältnis festgehalten habe, schließe dies ihr Kündigungsrecht nicht aus. Wie sich aus dem vorgelegten Schriftverkehr ergebe, habe sich die Beklagte bemüht, nach Lösungen zu suchen. Auch wenn sich der Kläger lange vertragstreu verhalten habe und dieser in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sei, sei dieser es gewesen, der es an der erforderlichen Mitwirkung habe fehlen lassen, um die Aufkündigung des Tilgungsersatzes und des Darlehensvertrages noch zu verhindern.

Da somit die Beklagte die Tilgungsaussetzung habe widerrufen dürfen und der Kläger die Versicherungsprämien bzw. den aufgelaufenen Rückstand nicht fristgerecht bezahlt habe, sei die Kündigung des Darlehensvertrages durch die Beklagte mit Schreiben vom 4.10.2006 wirksam und damit auch eine Vollstreckung der Beklagten aus den streitgegenständlichen notariellen Urkunden zulässig.

Gegen dieses, seinen Prozessbevollmächtigten am 24.8.2007 zugestellte Urteil ...

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