Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweislastfragen beim Auffahr-/Aufschiebeunfall

 

Normenkette

StVG § 7 Abs. 1, § 17 Abs. 3; StVG § 18 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 20.01.2006; Aktenzeichen 5 O 475/04)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Köln vom 20.1.2006 - 5 O 475/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Bezüglich des Tatbestandes wird auf die tatrichterlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Mit der Berufung rügen die Beklagten in erster Linie, dass das LG den Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt habe. Es sei nämlich dem Antrag der Beklagten auf ergänzende Anhörung des Sachverständigen dazu, ob dem Sachverständigen angesichts der von ihm festgestellten Geschwindigkeiten zum jeweiligen Kollisionszeitpunkt, der "glimpflichen" Unfallfolgen der Kollision zwischen dem Kläger- und dem Beklagtenfahrzeug sowie insb. der Tatsache, dass das Beklagtenfahrzeug nicht bereits durch den heftigeren ersten, sondern erst durch den leichteren zweiten Anstoß auf das Klägerfahrzeug aufgeschoben worden sei, Feststellungen dazu möglich seien, ob der Beklagte zu 2.) sein Fahrzeug ohne die Anstöße durch das Fahrzeug, welches bei der Streithelferin des Klägers haftpflichtversichert ist, zum Stillstand hätte abbremsen können, ohne mit dem Klägerfahrzeug zu kollidieren, nicht nachgekommen. Unzutreffend hielte das erstinstanzliche Gericht diese Frage für nicht erheblich und sei dadurch zu der falschen rechtlichen Wertung gekommen, dass schon allein durch die Tatsache, dass das Fahrzeug der Beklagten auf das klägerische Fahrzeug aufgefahren sei, der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Beklagten zu 2.) spreche. Vielmehr hätte eine durchgeführte Anhörung des Sachverständigen ergeben, dass der Lkw der Beklagten aufgeschoben worden sei und der Unfall für den Beklagten zu 2.) daher ein unabwendbares Ereignis gewesen sei und eine Haftung der Beklagten somit ausscheide. Die Anhörung sei deswegen nachzuholen.

Die Beklagten beantragen, das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Köln vom 20.1.2006 - 5 O 475/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Streithelferin des Klägers schließt sich seinem Antrag an.

Der Kläger und seine Streithelferin verteidigen das erstinstanzliche Urteil.

II. Die zulässige - insb. frist- und formgerecht eingelegte - Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das LG die Beklagten als Gesamtschuldner wegen des streitgegenständlichen Unfalls auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. insgesamt 7.589,65 EUR verurteilt.

Die Haftung des Beklagten zu 1.) ergibt sich aus § 7 Abs. 1 StVG, 3 PflVG. Die Haftung des Beklagten zu 2.) folgt aus § 18 Abs. 1 StVG. Gesamtschuldnerisch haften die Beklagten zu 1.) und 2.) gem. § 840 Abs. 1 BGB.

Zu Recht rügen zwar die Beklagten, dass das LG ihren Anträgen auf Anhörung des Sachverständigen zur Erläuterung seines erstinstanzlich erstatteten Gutachtens vom 25.10.2005 (Bl. 69-85 GA) nicht nachgekommen sei. Denn aus dem Gutachten ergibt sich, dass vor der Kollision zwischen dem klägerischen Fahrzeug und dem Lkw, welcher von dem Beklagten zu 2.) gesteuert wurde, der Lkw, welcher bei der Streithelferin des Klägers haftpflichtversichert ist, auf den vom Beklagten zu 2.) gesteuerten Lkw zweimal aufgefahren ist und somit ein Aufschiebeunfall vorliegen konnte. Damit war aber zunächst der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des auffahrenden Beklagten zu 2.) erschüttert (vgl. dazu OLG Frankfurt v. 24.6.1988 - 2 U 233/87, NZV 1989, 73). Zwar spricht beim Auffahren grundsätzlich ein Anscheinsbeweis gegen den auffahrenden Hintermann. Der Auffahrende ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung entweder mit zu geringem Sicherheitsabstand oder unaufmerksam gefahren. Dieser Beweis des ersten Anscheins wird aber dann erschüttert, wenn erwiesen ist, dass ein anderes Fahrzeug auf den Auffahrenden von hinten ebenfalls aufgefahren ist (vgl. OLG Frankfurt v. 24.6.1988 - 2 U 233/87, NZV 1989, 73, m.w.N.). Denn dann ist dieser Erfahrungssatz erschüttert, da ebenso die Möglichkeit eines Aufschiebeunfalls besteht.

Damit scheidet eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB aus, da der insoweit beweisführungsbelastete Kläger nicht nachweisen konnte, dass der Beklagte zu 2.) die Kollision zwischen dem klägerischen Fahrzeug und dem von ihm gesteuerten Lkw schuldhaft verursacht hat.

Die Beklagten haften aber aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 3 PflVG (Beklagter zu 1.) bzw. 18 Abs. 1 Satz 1 StVG (Beklagter zu 2.) auf Schadensersatz aus dem streitgegenständlichen Unfall, da die insoweit darlegungs- und beweisführungsbelasteten Beklagten nicht nachweisen konnten, dass das Unfallereignis für den Beklagten zu 2.) ein unabwendbares Ereignis war bzw. ihn hieran kein Verschulden traf.

Die vom Sen...

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