Entscheidungsstichwort (Thema)

Straßenverkehrsrecht. Ordnungswidrigkeitenrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Ein im Sinne von § 23 Abs. 1a S. 1 Ziff. 1 StVO tatbestandsmäßiges "Halten" liegt auch vor, wenn das elektronische Gerät zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt wird.

 

Normenkette

StVO § 23 Abs. 1a

 

Tenor

  • I.

    Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

  • II.

    Die Sache wird durch den Rechtsunterzeichner dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

  • III.

    Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

  • IV.

    Die Kosten des Verfahrens vor dem Rechtsbeschwerdegericht fallen der Betroffenen zur Last.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Geilenkirchen hat die Betroffene mit der angefochtenen Entscheidung wegen "fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sowie verbotswidriger Benutzung eines elektronischen Gerätes, das der Kommunikation, Organisation oder Information dient oder zu dienen bestimmt ist, als Kraftfahrzeugführer" zu der Geldbuße von 115,-- € verurteilt. Es hat zum Tatgeschehen - soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren von Belang - die nachfolgenden Feststellungen getroffen:

"Auf dem im Rahmen der Geschwindigkeitsmessung aufgenommenen Messfoto ist zudem erkennbar, dass die Betroffene ein Mobiltelefon zwischen der (scil.: linken) Schulter und dem Kopf eingeklemmt hat. Die Betroffene hat über ihren Verteidiger auch eingeräumt, dass es sich dabei um ein Mobiltelefon gehandelt hat und sie dieses auch zum Telefonieren genutzt hat.".

Das Tatgericht ist dabei davon ausgegangen, dass die Betroffene das Mobiltelefon - entsprechend ihrer Einlassung - bereits vor Fahrtantritt in der abgebildeten Haltung gehabt habe. Gleichwohl sei nach Wortlaut und Sinn des § 23 Abs. 1a StVO von einem tatbestandsmäßigen "Halten" auszugehen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, der mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet wird und als Zulassungsgründe die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung benennt.

II.

1.

Die Rechtsbeschwerde ist zur Fortbildung des materiellen Rechts zuzulassen (vgl. § 80 Abs. 1 Ziff. 1 1. Alt, Abs. 2 Ziff. 1 OWiG). Die Sache wirft - wie zu zeigen sein wird - eine Rechtsfrage auf, die soweit ersichtlich obergerichtlich bislang nicht geklärt ist. Offen bleiben mag vor diesem Hintergrund, ob sie - wie dies die Verteidigung sieht - auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 80 Abs. 1 Ziff. 1 2. Alt. OWiG zugelassen werden könnte (zu den diesbezüglich beim Vorliegen mehrerer Gesetzesverstöße geltenden Grundsätzen s. SenE v. 21.11.2001 - Ss 484/01 Z -; SenE v. 29.11.2007 - 83 Ss-OWi 84/07 -; SenE v. 18.10.2018 - III-1 RBs 328/18 -; SenE v. 08.03.2019 - III-1 RBs 61/19 -; KK-OWiG-Hadamitzky, 5. Auflage 2018, § 80 Rz. 45).

2.

Gemäß §§ 23 Abs. 1a, 49 Abs. 1 Ziff. 22 StVO bußgeldbewehrt ist die Benutzung eines dort genannten elektronischen Geräts - u. a. auch des hier in Rede stehenden Mobiltelefons -, wenn dieses für die Benutzung aufgenommen oder gehalten wird und kein Ausnahmetatbestand der Ziff. 2 vorliegt.

a)

Ein Benutzen des Mobiltelefons hat die Betroffene eingeräumt.

b)

Die Betroffene hat das Mobiltelefon aber auch - wie die genannte Vorschrift dies voraussetzt - "gehalten", indem sie dieses zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt hat.

aa)

Entgegen der von der Generalstaatsanwaltschaft geäußerten Rechtsauffassung genügt zur Erfüllung des Tatbestandes freilich nicht, dass die Betroffene das Mobiltelefon zu irgend einem Zeitpunkt aufgenommen haben muss. Wie nicht nur der Wortlaut des § 23 Abs. 1a S. 1 Ziff. 1 StVO ("wer ein Fahrzeug führt..."), sondern auch die Regelung des § 23 Abs. 1b S. 1 Ziff. 1 StVO erweist, genügt ein Aufnehmen des elektronischen Geräts in dem Zeitpunkt, da der Motor des Fahrzeugs abgeschaltet ist, zur Tatbestandserfüllung nicht (vgl. Senat DAR 2019, 398; s. a. den der Entscheidung OLG Stuttgart DAR 2019, 103 = VRS 135, 38 zugrunde liegenden Sachverhalt; s. weiter Urbanzyk DAR 2018, 641 und - zur Vorgängerfassung - Janker NZV 2006, 69 [70]). Dem Zusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, dass das Tatgericht die Einlassung der Betroffenen, sie habe das Mobiltelefon bereits "vor Fahrtantritt" in der auf dem Messfoto zu erkennenden Weise zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt in diesem Sinne aufgefasst, sie (jedenfalls) für nicht widerlegbar, aber für aus Rechtsgründen unerheblich gehalten hat. Der Senat tritt dieser rechtlichen Bewertung bei.

bb)

(1) Sie ist zunächst vom Wortlaut der Vorschrift gedeckt. Ein "Halten" von Gegenständen ist dem Wortsinn nach ohne weiteres auch ohne Benutzung der Hände möglich. So wird man etwa - über die hier in Rede stehende Sachgestaltung hinaus - von "Halten" sprechen, wenn ein Gegenstand zwischen Oberarm und Torso oder aber zwischen den Oberschenkeln fixiert wird (in diese Richtung auch AG Coesfeld DAR 2018, 640; König DAR 2020, 362 [372]).

(2) Auch der Zweck der Vorschrift steht einer entsprechenden Annahme jedenfalls nicht...

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