Entscheidungsstichwort (Thema)

Erforderlichkeit der Anordnung von Gewaltschutzmaßnahmen

 

Leitsatz (amtlich)

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Anordnung von Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (§ 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG) (noch) vorliegen, ist der Zeitpunkt der Entscheidungsreife. Sind im Beschwerdeverfahrens die Voraussetzungen für die Anordnung von Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz nicht (mehr) gegeben, ist der im Beschwerdeverfahren weiter verfolgte (ursprünglich berechtigte) Gewaltschutzantrag mangels Erforderlichkeit abzuweisen. § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG setzt nämlich voraus, dass die angeordneten Maßnahmen zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlich sind. Das setzt eine Wiederholungsgefahr voraus, die durch die Verletzungshandlung in der Regel indiziert wird. Haben sich aber seit Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung die Verhältnis derart geändert, dass ein Aufeinandertreffen der Verfahrensbeteiligten nicht mehr zu erwarten ist, fehlt es an der Wiederholungsgefahr und damit an der Erforderlichkeit für die Anordnung weiterer Gewaltschutzmaßnahmen.

 

Normenkette

GewSchG § 1 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Eschweiler (Beschluss vom 01.03.2011; Aktenzeichen 11 F 422/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des AG Eschweiler vom 1.3.2011 - 11 F 422/10 - abgeändert.

Die Anträge der Antragsteller nach dem Gewaltschutzgesetz werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Beschwerdeverfahrens liegen die Voraussetzungen für die Anordnung von Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz nicht (mehr) vor. Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG setzt der Erlass von gerichtlichen Schutzanordnungen voraus, dass diese zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlich sind. Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, dass ein derartiges Schutzbedürfnis mehrere Monate nach ihrem Auszug aus dem Mietshaus der Antragsgegner noch besteht.

Die von den Antragstellern in diesem Verfahren glaubhaft gemachten tätlichen Übergriffe der Antragsgegner stammen aus einer Zeit zwischen Februar bis September 2010, als die Antragsteller noch eine Wohnung im Mietshaus der Antragsgegner bewohnten und es zwischen den Beteiligten erhebliche Mietstreitigkeiten gab. Durch Urteil des AG Eschweiler vom 15.12.2010 wurden die Antragsteller zur Räumung der Mietwohnung verurteilt. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht am 15.2.2011 wohnten die Antragsteller bereits nicht mehr in der Mietwohnung der Antragsgegner.

Die Antragsteller haben nicht dargetan, dass die Antragsgegner sie nach dem Auszug verletzt, bedroht oder widerrechtlich Kontakt zu ihnen aufgenommen hätten. Dass die Antragsgegner den Antragstellern aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Räumungsurteils des AG Eschweiler mit Schreiben vom 6.6.2011 Hausverbot für ihr Mietshaus erteilt haben, dient der Wahrnehmung berechtigter Interessen und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsgegner selbst tragen vor, dass sie kein Interesse an einem weiteren Kontakt zu den Antragstellern hätten und nach deren Auszug Ruhe eingekehrt sei. Diesen Vortrag haben die Antragsteller nicht durch substantiierten Sachvortrag in Abrede gestellt. Der Erlass einer gerichtlichen Gewaltschutzanordnung ist daher derzeit nicht erforderlich.

Gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG hat der Senat von einer mündlichen Verhandlung abgesehen, nachdem erstinstanzlich mündlich verhandelt wurde und von einer erneuten Verhandlung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten waren.

Nach billigem Ermessen sind die Kosten des Verfahrens beider Instanzen gegeneinander aufzuheben (§ 81 Abs. 1 S. 1 FamFG). Die Antragsgegner haben durch die tätlichen Übergriffe gegenüber den Antragstellern im Jahr 2010 Veranlassung zur Einleitung des Verfahrens nach dem Gewaltschutzgesetz gegeben. Das pauschale Bestreiten der Vorfälle, die durch die vorgelegten Zeugenaussagen und eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft gemacht wurden, durch die Antragsgegner reicht nicht aus. Allerdings hat sich das Rechtsschutzbegehren der Antragsteller im Laufe des Verfahrens erledigt, ohne dass die Antragsteller hierauf verfahrensrechtlich reagiert hätten. Trotz des Hinweises des Senats vom 6.6.2011 haben die Antragsteller ihre Sachanträge uneingeschränkt weiter verfolgt. Unter diesen Umständen entspricht es billigem Ermessen, die Kosten gegeneinander aufzuheben.

Der Beschwerdewert ist gem. §§ 40, 49 Abs. 1 FamGKG auf 2.000 EUR festzusetzen.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2755628

FamRZ 2012, 645

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge