Leitsatz (amtlich)

Ein Rechtsanwalt, der im Rechtsverkehr für sich mit der Bezeichnung "Spezialist für Familienrecht" wirbt, verstößt gegen § 43b BRAO i.V.m. § 7 Abs. 2 BORA und handelt nach §§ 3, 4 Nr. 11, 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG wettbewerbswidrig.

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 13.04.2012; Aktenzeichen 8 O 33/11)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 24.07.2014; Aktenzeichen I ZR 53/13)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Konstanz vom 13.4.2012 (8 O 33/11 KfH) wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil und die angefochtene Entscheidung sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung aus Ziff. 1 der landgerichtlichen Entscheidung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 10.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 10.000 EUR leistet. Der Beklagte darf die Vollstreckung wegen der Kosten des Rechtsstreits gegen Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die klagende Rechtsanwaltskammer möchte dem Beklagten verbieten, im geschäftlichen Verkehr und insbesondere auf dem Briefkopf der Kanzlei des Beklagten mit dem Begriff "Spezialist für Familienrecht" zu werben. Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Es bestehe ein Unterlassungsanspruch nach den §§ 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BORA. Bei der Bezeichnung "Spezialist für Familienrecht" handele es sich um irreführende Werbung, da die vom Beklagten nachgewiesene Qualifikation nicht der Verkehrserwartung an einen Spezialisten entspreche. Für eine entsprechende Bezeichnung müsse zumindest die Qualifikation eines Fachanwalts vorliegen. Gemessen an den Maßstäben der Fachanwaltsordnung habe der Beklagte die Voraussetzungen für die Bezeichnung als "Spezialist" nicht nachgewiesen. § 4 Abs. 1 FAO setze einen Lehrgang von 120 Stunden über alle relevanten Bereiche des Fachgebiets, § 2 FAO besondere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrung im jeweiligen Fachgebiet voraus. Zu entsprechenden Fähigkeiten und Erfahrungen fehle es schon an ausreichendem Vortrag des Beklagten. Die lange berufliche Tätigkeit und einzelne Fortbildungen seien nicht geeignet, besondere theoretische Kenntnisse nachzuweisen. Es bestehe kein Unterschied zu anderen Berufskollegen mit entsprechend langjähriger familienrechtlicher Erfahrung. Auf die praktischen Fähigkeiten des Beklagten komme es mangels Darlegung ausreichender theoretischer Kenntnisse nicht an.

Zudem folge ein Unterlassungsanspruch aus den §§ 4 Nr. 11 UWG, § 7 Abs. 2 BORA wegen bei den Begriffen "Spezialist" und "Fachanwalt" bestehender Verwechslungsgefahr.

Mit der Berufung rügt der Beklagte, dass die landgerichtliche Entscheidung auf Rechtsfehlern beruhe. Es liege keine irreführende Werbung vor, da die Qualifikation des Beklagten der Verkehrserwartung an einen "Spezialisten" genüge. Entscheidende Kriterien seien weit den Durchschnitt der Rechtsanwälte übersteigende Erfahrung und Kenntnisse, welche auch die Voraussetzungen für den Erwerb des Fachanwalts bei Weitem übertreffen würden. Der Beklagte verfüge bei einer 30-jährigen Berufstätigkeit mit ca. 130 Fällen im Jahr aus dem familienrechtlichen Bereich über große praktische Erfahrung.

Daneben könne der Nachweis theoretischer Kenntnisse nicht zusätzlich verlangt werden. Bei der Bezeichnung als "Spezialist" handele es sich aus Sicht der betroffenen Verkehrskreise ganz offensichtlich um eine bloße Selbsteinschätzung. Im Übrigen folge schon aus der umfangreichen praktischen Tätigkeit ein entsprechendes, im Selbststudium erworbenes umfangreiches theoretisches Wissen. Für den Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse fehle es an tauglichen Beweismitteln. Die Bezeichnung als "Spezialist" setze keine förmliche Prüfung voraus. Der Besuch von Lehrgängen und Seminaren sowie Publikationen im Fachgebiet seien kein taugliches Kriterium. Die Teilnahme an Lehrgängen könne auch nach dem olympischen Prinzip "dabei sein ist alles" erfolgen. Bei Publikationen sei, von Plagiatsproblemen ganz abgesehen, nicht gewährleistet, dass sie auch von dem als Autor Angegebenen stammen würden. Wenn aber für den Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse keine tauglichen Beweismittel vorhanden seien, könne es auch nicht zu einer Irreführung der betroffenen Verkehrskreise kommen.

Die Anforderungen an einen Fachanwalt könnten jedenfalls nicht als Maßstab für die Qualifikation eines "Spezialisten" herangezogen werden. Das rechtssuchende Publikum kenne im Regelfall die Anforderungen an den Erwerb einer Fachanwaltschaft nicht. Das LG habe sich mit den geringen Anforderungen an den Erwerb und das Führen einer Fachanwaltsbezeichnung nicht ausreichend befasst. Die Erwerbsvo...

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